30. Deutscher Tierärztetag in Dortmund: Beschlüsse mit Herz und Augenmaß

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In einem von leidenschaftlichen Debatten dominierten 30. Deutschen Tierärztetag in Dortmund am 9. und 10 Oktober 2025 trugen über 300 Veterinäre ihre Forderungen zur Erleichterung des Tierschutzvollzugs in allen tierärztlichen Bereichen zusammen.

Ltd. VD. Dr. Holger Vogel bei seiner Festabendrede Foto: © BTK

Beim 30. Deutschen Tierärztetag, der von BTK-Präsident Ltd. VD Dr. Holger Vogel am 9. Oktober eröffnet wurde, diskutierten die Tierärzte und Tierärztinnen in vier Arbeitskreisen zum Generalthema „Tierschutz im tierärztlichen Alltag“. Aus den konstruktiven Debatten gingen von der Hauptversammlung konkrete Forderungen an Gesellschaft, Politik, den Gesetzgeber und den eigenen Berufsstand hervor. Über die verabschiedeten Forderungen stimmten die Delegierten der beteiligten Organisationen ab – darunter die 17 Landes-/Tierärztekammern sowie BTK-Beobachter und weitere Organisationen.

Ministerin Silke Gorißen bei ihrem Grußwort in der Hauptversammlung Foto: © BTK
Prof. Dr. Eberhard Haunhorst bei seinem Grußwort bei der Eröffnung Foto: © BTK
Prof. Dr. Dr. Markus Schick bei seinem Grußwort beim Festabend Foto: © BTK

Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Silke Gorißen, war vor Ort und wandte sich mit einem Grußwort an die Tierärzte und Tierärztinnen: „Mein Dank gilt allen Veterinärinnen und Veterinären für ihren unermüdlichen Einsatz für die Tiergesundheit und den Tierschutz, ob in der Praxis, den Behörden oder auch der Wissenschaft und Forschung. Ihre tagtägliche Expertise und Ihr Engagement für das Tierwohl sind beeindruckend.“ Weitere persönliche Grußworte überbrachten aus dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) Staatssekretär Prof. Dr. Dr. Markus Schick und der Leiter der Abteilung 3 „Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit“, Prof. Dr. Eberhard Haunhorst.

Arbeitskreis 1 „Tierschutz im Pferdesport“:

Die Beschlüsse zielen auf verbindlichere Anforderungen, stärkere tierärztliche Kontrollen und klare Verantwortlichkeiten, um das Tierwohl im Pferdesport nachhaltig zu verbessern. So soll die tierärztliche Rolle bei Veranstaltungen u. a. gestärkt werden, indem Verbände und Veranstalter die ständige Anwesenheit qualifizierter Tierärzte und Tierärztinnen sicherstellen. Außerdem sollen nicht medizinisch notwendige Behandlungen unterlassen werden (z. B. Sedation zur Ermöglichung der Nutzung des Pferdes oder prophylaktische multiple Gelenkinjektionen).

Arbeitskreis 2 „Tierschutz in der Kleintierpraxis“:

Ziel der Beschlüsse ist es, strukturelle Defizite zu beheben, die Handlungsfähigkeit von Tierärzten und Tierärztinnen zu sichern und das Tierwohl zu stärken. Hierzu tragen u. a. die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes für den Veterinärbereich sowie deutlich erweiterte Betreuungsangebote (Kinder, Pflege) oder eine flächendeckende Einführung eines amtstierärztlichen Notdienstes bei. Außerdem wird eine klare rechtliche Definition und Priorisierung von Defektzuchtmerkmalen gefordert und ein Verbot ihrer Darstellung in Werbung/Medien/Spielzeug/Mode sowie die Regulierung des Online-Tierhandels.

Arbeitskreis 3 „Tierschutz im Amt“:

Die geforderten Maßnahmen zur Stärkung der amtlichen Tierschutzarbeit betreffen v. a. bessere Arbeitsbedingungen, gezielte Fortbildung sowie rechtliche und administrative Reformen. Zur Stärkung des amtlichen Tierschutzvollzugs sollen Mitarbeitende in der Tierschutzüberwachung aktiv vor belastenden Arbeitsbedingungen geschützt werden – etwa durch Coachings, Supervisionen und Kurse zur Gewaltprävention. Für einen vollziehbaren Tierschutz auf Basis veterinärmedizinischen Sachverstands ist das Tierschutzgesetz zu novellieren und die zugehörigen Verwaltungsvorschriften zu aktualisieren.

Außerdem wird ein Grundsatzverbot von Langstreckentiertransporten über 8 Stunden in Drittländer außerhalb Europas gefordert.

Arbeitskreis 4 „Tierschutz in der Nutztierhaltung“:

Das Ziel der Forderungen ist eine praxisnahe, tierwohlorientierte Nutztiermedizin und bessere Unterstützung der Tierhaltenden und Tierärzte und Tierärztinnen. Für mehr Therapieflexibilität bei „minor species“ sollen u. a. bürokratische Hürden für die Zulassung und Umwidmung von Medikamenten im Therapienotstand gesenkt und eine Möglichkeit geschaffen werden, etablierte Wirkstoffe tiergerecht einzusetzen. Außerdem sollen Forschungsgelder für „minor species“ bereitgestellt und einheitliche Zuchtprogramme mit Fokus auf Gesundheitsmerkmale gefördert werden.

Leidenschaftliche Debatten um komplexe Themen

Die Tiermediziner machten sich die Aufgabe nicht leicht, um einige Punkte und Formulierungen wurde hart, aber immer fair, gerungen. Als aktuell sich verschärfendes Problem in der Pferdehaltung sahen die Veterinäre an, dass das Reitsportequipment, das auf dem Markt angeboten würde, zum Teil ungeeignet sei zur Anwendung am Tier und eine Art „TÜV“ sinnvoll wäre. Auch müsste auf Turnieren ständig ein Tierarzt anwesend und mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet sein, um tierärztliche Standards umsetzen zu können. In der Arbeitsgruppe Kleintiere kamen sehr viele Themen zur Diskussion, so sei es u. a. dringend notwendig, dass Hundetrainer bzw. deren Ausbilder von Tierärzten geschult und beraten werden sollten. Auch forderten die Kleintierpraktiker eine stärkere Einbindung in politische Referentenentwürfe, um ihre fachliche Expertise frühzeitig einbringen zu können. Im Arbeitskreis drei wurde darauf hingewiesen, dass vielerorts massive Personalknappheit herrsche und technische Gerätschaften erneuert bzw. auf den neuesten Stand gebracht werden müssten. Ferner benötigten die Kollegen Fortbildungen, etwa zur Gewaltprävention, um den Eigenschutz gewährleisten zu können. Auch seien die Tierheime mit ausreichend großer Kapazität zu versehen, da es sonst zu Engpässen bei der Unterbringung von Tieren käme. Der Arbeitskreis vier war insbesondere den kleinen Wiederkäuern gewidmet. So sprach sich Dr. Henrik Wagner angelehnt an den Equidenpass für einen verpflichtenden Neuweltkameliden-Pass aus. Auch sagte er, dass es zukünftig anzustreben sei, dass an jeder Bildungseinrichtung mindestens ein auf kleine Wiederkäuer spezialisierter Tierarzt arbeiten sollte.

Pressekonferenz zum 30. Deutschen Tierärztetag Referenten (v.l.n.r.): Dr. Michael Köhler (AK 1), Dr. Christina Bertram (AK 2), Dr. Holger Vogel, Ltd. VD Laura Schuster (AK 3), Dr. Henrik Wagner (AK 4) Foto: © BTK

Verleihung der Robert-von-Ostertag-Plakette

Anlässlich des 30. Deutschen Tierärztetags hat die BTK ihren Ehrenpräsidenten Dr. Uwe Tiedemann und Dr. Maria Dayen, die u. a. die Ausschussarbeit der BTK viele Jahre unterstützte, für deren Verdienste um den Berufsstand mit der Robert-von-Ostertag-Plakette geehrt. Diese seit 1964 verliehene höchste Auszeichnung der BTK würdigt den Veterinärmediziner Robert von Ostertag, gebürtig in Schwäbisch Gmünd. Von Ostertag entwickelte das nach ihm benannte Programm zur Bekämpfung der Tuberkulose, das in Deutschland und der Schweiz eingeführt wurde. Zudem war er maßgeblich an der Einführung des ersten deutschen Fleischbeschaugesetzes beteiligt – weshalb er bis heute häufig als „Vater der Fleischbeschau“ bezeichnet wird.

Dr. Maria Dayen bedankt sich für die Auszeichnung mit der Robert-von-Ostertag-Plakette Foto: © BTK

Verleihung der Robert-von-Ostertag-Plakette an Dr. Uwe Tiedemann (1. Vizepräsidentin der BTK Dr. Christiane Bärsch l., Prof. Dr. Dr. Markus Schick r.) Foto: © BTK

Die Forderungen des 30. Deutschen Tierärztetags sind im Einzelnen auf den Seiten der Bundestierärztekammer aufrufbar.