AAD 2019: Künstliche Intelligenz als neues Werkzeug des Augenarztes

Horst Helbig. Foto: Kaulard/Biermann Medizin

Seit einigen Jahren haben Fortschritte der Computertechnologien es ermöglicht, dass Künstliche Intelligenz (KI), insbesondere die Strategie des „Deep Learning“ in der Bilderkennung den menschlichen Fähigkeiten nahekommt. In der Augenheilkunde lassen sich solche Methoden besonders für die Diagnose von Netzhauterkrankungen nutzen, erläuterte Prof. Horst Helbig, Pressesprecher der DOG und Direktor der Universitäts-Augenklinik Regensburg.

„Doktor Algorithmus, sag‘ mir, was ich hab‘…“ Müssen Augenärzte fürchten, dass sie dieser „Kollege“ in Zukunft arbeitslos macht? Keineswegs, so das Urteil von Helbig, der auf der AAD-Pressekonferenz existierende und künf­tige Möglichkeiten des KI-Einsatzes in der Ophthalmologie vorstellte.

Besonders gut einsetzbar ist KI dort, wo klar definierte Fragestellungen auf Daten angewendet werden, die die notwendigen Informationen enthalten. In der Augenheilkunde bieten sich solche Methoden für die Diagnose von Netzhauterkrankungen an. Ein Beispiel hierfür sind diabetische Netzhaut­erkrankungen. Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA). so berichtete Helbig, habe im vergangenen Jahr ein computergestütztes System zur Analyse von Netzhautbildern als „break through device“ anerkannt. Denkbar seien solche Verfahren auch bei der AMD, beim Glaukom oder der Frühgeborenenretinopathie.

Neben der Unterstützung der Diagnosefindung hat KI nach Einschätzung von Helbig auch das Potenzial, die Steuerung einer Therapie zu verbessern oder den Krankheitsverlauf und den Behandlungs­erfolg vorherzusagen.

Auch mit Blick auf die personalisierte Medizin sieht Helbig ein künftiges Einsatzfeld der KI. Um Patienten individuell optimal behandeln zu können, spiele eine Vielzahl unterschied­licher Faktoren eine Rolle, auch über die Grenzen der Fachdisziplinen hinaus. Personalisierte Medizin erfordere die Analyse verschiedenster großer Datenmengen, die ein Arzt alleine nur schwer gemeinsam beurteilen könne. Hier sei KI vermutlich geeignet, aus den verschiedenen Behandlungsoptionen die für den jeweiligen Patienten beste Therapie zu finden.

Wird mit KI also das Ende der (menschlichen) Dummheit eingeläutet? Dieser provokanten Frage setzte Helbig ein klares Nein entgegen, denn KI könne nur das, was man sie lernen lasse – und genau hier liege auch eines der größten Probleme. Computer-Algorithmen beruhten letztlich auf vorgegebenen Trainingsdaten und seien anfällig für systematische Fehler. Und überhaupt: Wer legt fest, anhand welcher Daten Algorithmen trainiert werden? Und welchen Stellenwert haben die von KI erzeugten Ergebnisse? Wer haftet für eine Fehlbeurteilung? Wie werden die hochsensiblen Patientendaten geschützt?

Anhand von Netzhautfotos, so schilderte Helbig erstaunt, sei es sogar möglich, das Geschlecht, das Alter oder den Blutdruck einer Person abzulesen. Also doch „Dr. Algorithmus“? Auch hier ein klares Nein, denn: Ärztliche Entscheidungen sind zu komplex, um sie in Algorithmen auszudrücken. KI-Auswertungen seien keine Handlungsanweisungen; die sich aus ihnen ergebenden Konsequenzen müssten vom Arzt geprüft werden. In die ärztliche Entscheidungsfindung gingen auch Faktoren wie Empathie und psychologisches Gespür ein, nicht nur Daten, die man in Computer eingeben könne.

KI könne Augenärzte entlasten – etwa in der Bildgebung oder bei Screenings – und so mehr Arztzeit für Patien­ten schaffen, schloss Helbig und rief die Augenärzte auf, diese Entwicklung ihres Faches selbst zu steuern.   (dk)