AAD 2023: Die Augenheilkunde steht enorm unter Druck

Dr. Peter Heinz auf der Pressekonferenz der AAD.Foto.©Biermann Verlag/Schulz

Auf der Pressekonferenz der Augenärztlichen Akademie Deutschland (AAD) mahnte Dr. Peter Heinz, erster Vorsitzender des Berufsverbandes der Augenärzte e.V. (BVA), ein Umdenken in der gesundheitlichen Versorgung an, da sonst das Gesundheitssystem „vor die Wand zu fahren“ drohe.

Laut Heinz steht die augenheilkundliche Versorgung der Bevölkerung in Deutschland aktuell enorm unter Druck. Das habe mannigfaltige Gründe. Einerseits sind die Augenärzte – wie die gesamte Bevölkerung – von der aktuell weiter hohen Inflation und insbesondere dem enormen Anstieg der Energiekosten betroffen und auch die Kosten für die medizintechnischen Geräte und Verbrauchsmaterialien steigen weiter an. Hinzu kämen dann noch Preiserhöhungen bei der Software, den Gerätewartungen und -reparaturen. Hierbei seien die Probleme der kurzfristigen Beschaffung so mancher Ersatzteile oder kompletter Geräte ebenfalls stets präsent.

Weiter führte Heinz aus, dass die erforderliche Gehaltssteigerungen für die Mitarbeiter die ambulanten und stationären Einrichtungen zusätzlich belasten. Auf der anderen Seite stehe der extrem schlechte Honorarabschluss aus dem vergangenen Sommer mit einer Erhöhung des Orientierungspunktwertes von lediglich zwei Prozent. Dieser befeuere diese ungute Situation zusätzlich. Anders als viele stationäre Einrichtungen, die die ein oder andere Finanzspritze der Bundesländer und des Bundes erhalten haben, werde der ambulante Sektor von der Politik einmal mehr allein gelassen. Auch die kontinuierliche Verweigerung eines Coronabonus für die Medizinischen Fachangestellten sei ein Beleg für die fehlende Wertschätzung der Arbeitsleistung des ambulanten Sektors von Seiten der politischen Entscheidungsträger und der gesetzlichen Krankenkassen.

Ambulante Laserbehandlungen abgewertet

Als eine weitere Bedrohung der wohnortnahen augenärztlichen Versorgung sieht Heinz die jüngsten Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses hinsichtlich des Katalogs und der Bewertung von ambulant zu erbringenden operativen Eingriffen. Da die Laserleistungen abgewertet worden seien, würden die konservativ tätigen Augenärztinnen und -ärzte wieder einmal geschwächt. Das passe angesichts der sonstigen wirtschaftlichen Entwicklungen nicht in die Zeit und werde sicherlich keine Verbesserung der flächendeckenden wohnortnahen augenheilkundlichen Versorgung zur Folge haben.

Außerdem wurden laut dem BVA-Vorsitzenden entgegen der Vorschläge und eindeutigen Ablehnungen der augenärztlichen Verbände Leistungen neu aufgenommen, während die geforderten Leistungen wieder außen vor gelassen wurden.

Überlegungen zu §115f-Leistungen medizinisch gefährlich

Auch in den bisherigen Überlegungen zum Katalog der §115f-Leistungen sieht Heinz für die augenheilkundliche Versorgung der Bevölkerung eine Gefahr. Dabei handele es sich um ambulant zu erbringende Leistungen, die gleich vergütet werden, unabhängig davon, ob eine ambulante oder eine stationäre Einrichtung diese Leistung erbringt. Schon jetzt sei die Augenheilkunde das Fach mit dem größten Anteil an ambulant erbrachten operativen Eingriffen. Die stationär erbrachten Eingriffe und Behandlungen wiesen zudem oftmals – trotz extrem komplexer und schwieriger Operationen – eine Liegedauer auf, die unterhalb der durchschnittlichen Krankenhausverweildauer von aktuell 7,2 Tagen liegt. Davon abzuleiten, dass alle Eingriffe, die zum Beispiel eine Verweildauer von vier Tagen oder weniger aufweisen, prinzipiell ambulant zu erbringen seien, wäre – was die Augenheilkunde angeht – fahrlässig und medizinisch gefährlich. Dies scheine aber den Entscheidungsträgern in der Politik und den Gremien der Selbstverwaltung egal zu sein, was man an den bisherigen Überlegungen klar erkennen könne. Deshalb appellierte Dr. Peter Heinz noch einmal: Die Augenheilkunde passe nicht in Schemata und müsse isoliert betrachtet werden, ansonsten riskiere man die noch funktionierende augenheilkundliche Versorgung.

Krankenhausreform droht zum Sargnagel für viele Augenabteilungen zu werden

Die bisherigen Vorschläge des Bundesgesundheitsministeriums zur Krankenhausreform offenbaren dem BVA-Vorsitzenden zufolge eine „unsägliche Unkenntnis“ der aktuell vorliegenden Situation und stelle – sollte diese wirklich so umgesetzt werden – den „Sargnagel“ für hoch spezialisiert agierende augenheilkundliche Abteilungen vieler Kliniken dar. Es gäbe eine ganze Reihe von Augenabteilungen an Krankenhäusern, welche nach der geplanten Einteilung im unteren Level angesiedelt seien, die augenheilkundlich zur “Champions league” gehören würden. Diese könnten dann ihre höchst komplexen Eingriffe nicht mehr kostendeckend erbringen. Das würde zu weiteren Umwälzungen in der augenheilkundlichen Versorgungslandschaft führen und die Leidtragenden wären die Patientinnen und Patienten.

Augenmedizinische Betreuung von Kindern durchweg unterfinanziert

In der aktuellen Debatte um die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen wird die Augenheilkunde laut Heinz „wieder einmal übersehen”. Die Augenärzte führen unter anderem Schiel-, Glaukom- und Netzhautbehandlungen bei Kindern durch, die ebenfalls kaum kostendeckend vergütet würden. Auch in der orthoptischen Versorgung von Kindern sieht der BVA-Vorsitzende ein besonderes Drama, da die entsprechenden Ziffern innerhalb des Regelleistungsvolumens erbracht und damit ebenfalls keineswegs adäquat vergütet würden. Insbesondere hier mache sich die Streichung der “TSVG-Neupatientenregelung” stark bemerkbar, da diese Kinder im Rahmen des “neuen Falles” eingehend orthoptisch und augenärztlich untersucht werden könnten, ohne das ohnehin zu knappe Budget zu belasten. Da die Augenheilkunde von dieser “Neupatientenregelung” sehr profitiert habe und sich die Wartezeiten gerade für Neupatienten deutlich verringert hätten, sei zu befürchten, dass diese jetzt zeitnah wieder merklich ansteigen würden. Es sei den Augenärzten nicht länger zuzumuten, sich weiterhin selbst auszubeuten und immer mehr Patientinnen und Patienten innerhalb ihrer Budgets zu behandeln. Damit sei laut Heinz jetzt Schluss und die “Kneipe, in der alle dauernd konsumieren, aber nur 80 Prozent der Kunden bezahlen” würde schließen. Das dürften dann die Politiker und die „ignoranten“ Kostenträger ausbaden, denn – wie man auch bei den Arzneimitteln sieht – „Geiz sei nicht immer geil“ und habe schwerwiegende Folgen.

Bedarfsplanung im ländlichen Bereich liberalisieren

Auch mahnte Heinz an, dass sich auf dem Sektor der Investoren-betriebenen Medizinischen Versorgungszentren etwas ändern müsse. Insbesondere bei der Vergabe von Zulassungen sollte eine Gleichbehandlung mit den Einzel- und Gemeinschaftspraxen hergestellt werden. Hier sei als Stichwort die “Konzeptbewerbung” genannt, die eine absolute Benachteiligung der Praxen darstelle. Um die augenheilkundliche Versorgung in ländlichen Regionen zu stärken, müsste zudem unbedingt die Bedarfsplanung im ländlichen Bereich liberalisiert werden. Sie muss den regionalen Besonderheiten angepasst werden, wie Heinz feststellte.

Das aktuell starre System gehe am wirklichen Bedarf und an den Erfordernissen für die nachkommende Ärztegeneration vorbei. Mit den jetzigen Regelungen fänden sich zunehmend weniger Ärzte, die bereit seien, sich jenseits der Ballungszentren niederzulassen.

Schnellstmöglich müsse ein Umdenken stattfinden, sonst fährt die Politik das noch funktionierende Gesundheitssystem mit Volldampf gegen die Wand, wie Heinz abschließend hinzufügte.

(BVA/SaS)