Adrenalin-bindender Rezeptor: Leipziger Biophysiker entschlüsseln Funktionsweise

Durch Bindung an den Rezeptor (grün) verändert das G-Protein (gelb) seine Form und setzt das Regulatormolekül GDP frei.Illustration.© Hildebrand

Wissenschaftler der Universität Leipzig ist es gelungen, den Mechanismus der Signalübertragung durch einen Adrenalin-bindenden Rezeptor auf atomarer Ebene nachzuverfolgen. Mit diesen Ergebnissen könnten Forscher zukünftig gezielter Nebenwirkungen bei der Entwicklung von Wirkstoffen umgehen.

Lebewesen reagieren auf ihre Umwelt. Durch einen äußeren Reiz werden im Körper Botenstoffe ausgesendet, die an Rezeptoren binden. Die Rezeptoren übertragen das Signal auf weitere Proteine. Dadurch werden Signalkaskaden ausgelöst, die eine Reaktion im Organismus zur Folge haben. Medikamente sind diesen Botenstoffen oftmals nachempfunden und entfalten ihre Wirkung durch die Interaktion mit Rezeptoren. Nebenwirkungen können entstehen, wenn der Wirkstoff an einen falschen Rezeptor bindet oder das Signal nicht an das richtige intrazelluläre Protein überträgt. Um dies zu verhindern, erforschen Wissenschaftler die Funktionsweise von Rezeptoren. Prof. Peter W. Hildebrand und sein Team vom Institut für Medizinische Physik und Biophysik der Universität Leipzig zeigen in der aktuellen Studie, wie die Signalübertragung des β2 adrenergen Rezeptors auf atomarer Ebene erfolgt. Dabei handelt es sich um einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor (GPCR).

Das Team nutzte für seine Untersuchungen computergestützte Moleküldynamiksimulationen sowie biochemische und funktionelle Mutationsanalysen. Damit beobachteten sie, wie der Rezeptor funktioniert: Durch Bindung verändert der Rezeptor die räumliche Gestalt des zellinneren G-Proteins, das daraufhin das Regulatormolekül GDP freisetzt. Im nächsten Schritt kann dieses G-Protein durch Bindung seines eigentlichen Substrats GTP aktiviert werden und Signalkaskaden in der Zelle auslösen. Darüber hinaus haben die Forscher erkannt, dass die genaue Funktion des Rezeptors von der Anordnung diverser flexibler Strukturelemente abhängt, die nicht mit klassischen Methoden der Strukturbiologie charakterisierbar sind. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal „Nature Structural & Molecular Biology“ veröffentlicht.

Hildebrand plant die computergestützten biophysikalischen Methoden auch auf andere Rezeptorsysteme anzuwenden, wie zum Beispiel in der Adipositasforschung, ein Forschungsschwerpunkt an der Universitätsmedizin Leipzig. „Spannend sind vergleichende Untersuchungen zur dynamischen Signalübertragung, wenn Medikamente mit unterschiedlichem Wirkstoffprofil zum Einsatz kommen”, erläutert der Professor für biophysikalische Computersimulationen.

Hildebrand forscht seit 2017 zu Rezeptoren an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Von 2008 bis 2014 untersuchte er bereits an der Charité mit Prof. Klaus-Peter Hofmann und Dr. Patrick Scheerer die Struktur des Photorezeptors Rhodopsin. Mittlerweile arbeitet er auch mit dem Nobelpreisträger Prof. Brian Kobilka und dem Kryoelektronen-Mikroskopiker Prof. Yiorgo Skiniotis, Stanford University, USA, daran, GPCR vermittelte Signalübertragungen näher zu verstehen. Zusammen klärten sie kürzlich den Mechanismus der GTP-Bindung an das G-Protein und dessen Aktivierung auf und veröffentlichten die Ergebnisse im Fachmagazin „Nature“.

„Wir verfügen jetzt zum ersten Mal über ein umfassendes Bild des strukturellen Mechanismus der Rezeptor vermittelten Signalübertragung von außen ins Innere der Zelle”, fasst Hildebrand seine Forschung zusammen. „Diesen Erfolg verdanke ich neben meinen Kooperationspartnern vor allem den talentierten Nachwuchswissenschaftlern Dr. Hossein Batebi und Dr. Guillermo Pérez-Hernández aus meinem Team.“ G-Protein-gekoppelte Rezeptoren stehen an der Universität Leipzig auch im Fokus des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1423 „Structural dynamics of GPCR activation and signaling“ unter der Sprecherschaft von Prof. Annette Beck-Sickinger.