Ältere Patienten mit Kopf-Hals-Krebs: Erhöht Radiochemotherapie die Überlebenschancen?26. April 2023 Foto: Angelov/stock.adobe.com Sollten über 70-jährige Patient:innen mit Kopf-Hals-Karzinomen eine aggressive, kombinierte Strahlen- und Chemotherapie erhalten? Eine groß angelegte, internationale Studie belegt die Wirksamkeit dieser kombinierten Behandlung bei älteren Patienten höheren Lebensalters. Der Anteil älterer onkologischer Patientinnen und Patienten nimmt aufgrund der demographischen Entwicklung stark zu. Die Behandlung des Krebsleidens erfolgt gegenüber jüngeren Betroffenen sehr individuell aufgrund von häufigeren und teilweise schweren Begleiterkrankungen, altersbedingt zunehmender Gebrechen und geringeren körperlichen Ressourcen. Hinzu kommen behandlungsbedingte Nebenwirkungen, welche für die Lebensqualität ebenfalls zu berücksichtigen sind. Der Behandlungsstandard bei Kopf-Hals-Tumoren ist entweder die operative Tumorentfernung mit anschließender Strahlentherapie oder eine organerhaltende Strahlentherapie in Kombination mit einer Chemotherapie. Insbesondere der Einsatz einer begleitenden Chemotherapie ist wegen der körperlichen Strapazen und Nebenwirkungen bei älteren Betroffenen sehr umstritten. Studiendaten zur optimalen Behandlung sind bisher kaum vorhanden. Zwei Behandlungsvarianten im Vergleich Eine internationale Studie an zwölf Universitätskliniken in Europa und den USA hat untersucht, inwieweit ältere Kopf-Hals-Tumorpatienten von einer kombinierten Strahlen- und Chemotherapie einerseits oder einer alternativen medikamentösen Therapie mit einem Antikörper gegen einen Wachstumsfaktor-Rezeptor andererseits profitieren. Die Forschenden analysierten Daten von 1044 älteren Patienten mit einem Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle, des Rachens oder Kehlkopfes, welche im Zeitraum von 2005 bis 2019 mit einer Strahlentherapie und gegebenenfalls in Kombination mit einem Medikament behandelt wurden. 234 Patienten (22,4%) erhielten nur eine Strahlentherapie, während 810 Patienten (77,6%) zusätzliche systemisch therapiert wurden. Sie erhielten entweder eine Chemotherapie (677 [64,8%]) oder Cetuximab (133 [12,7%]). Die klinische Studie zeigt, dass die Hinzunahme einer Chemotherapie zur Strahlentherapie mit einer besseren Überlebenswahrscheinlichkeit einhergeht im Vergleich zur alleinigen Strahlentherapie. Dieser Vorteil war besonders ausgeprägt bei Patienten zwischen 65 und 79 Jahren sowie bei Betroffenen mit gutem Allgemeinzustand und wenigen Begleiterkrankungen. Nach Einschätzung der Autoren könnten ältere Patienten mit lokoregional fortgeschrittenem Kopf-Hals-Krebs von einer zusätzlichen Chemotherapie profitieren, von einer zusätzlichen Behandlung mit Cetuximab allerdings nicht. Auch für Patienten älter als 80 Jahre zeigte sich kein Überlebensvorteil. „Insbesondere fitten älteren Patienten mit geringen Nebenerkrankungen sollte diese effektive Therapie nicht allein aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters vorenthalten werden,“ erläutert Studienleiter Prof. Nils Nicolay von der Universität Leipzig und führt weiter aus: „Bei Strahlentherapie kombiniert mit der Einnahme des Wachstumsfaktor-Antikörpers zeigte sich im Vergleich zur alleinigen Behandlung mit Strahlentherapie dagegen kein Überlebensvorteil.“ Internationales Register für ältere Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren in Arbeit Aktuell wird unter Federführung der Universitätsmedizin Leipzig der Aufbau eines prospektiven internationalen Registers für ältere Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren vorbereitet. Bereits mehr als 20 Zentren aus Europa, den USA und Australien haben ihr grundsätzliches Interesse bekundet, daran mitzuwirken. In diesem Register sollen neben den onkologischen Daten weitere Parameter erhoben werden, darunter eine umfassende geriatrische Beurteilung, Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität und zur Häufigkeit von sogenanntem Entscheidungsbedauern, also dem Bedauern des Betroffenen, diese Therapie gewählt zu haben. „In Zusammenarbeit mit anderen internationalen Arbeitsgruppen sollen zusätzlich Modellierungen der erhobenen biologischen Parameter erfolgen, um künftig besser vorhersagen zu können, welche älteren Patientinnen und Patienten von einer kombinierten Strahlen- und Chemotherapie profitieren würden,“ erklärt Dr. Alexander Rühle, Erstautor und Co-Studienleiter der Studie. „Außerdem sollen Werkzeuge entwickelt werden, die auf der Basis der individuellen Patientendaten eine gemeinsame Therapieentscheidung erleichtern sollen“, ergänzt Nicolay. Nicolay und Rühle haben die Studie am Universitätsklinikum Freiburg begonnen und mit ihrem Wechsel nach Leipzig fertig gestellt. Nicolay ist seit 1. September 2022 Professor für Strahlentherapie und Radioonkologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Mit der Berufung ist die Leitung der Klinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Leipzig verbunden.
Mehr erfahren zu: "Honorarverhandlungen 2026: Einigung auf ein Plus von 2,8 Prozent" Honorarverhandlungen 2026: Einigung auf ein Plus von 2,8 Prozent Heute hat der Bewertungsausschuss in den jährlichen Finanzierungsverhandlungen eine Erhöhung des Orientierungswertes (OW) um 2,8 Prozent beschlossen. Der OW bestimmt die Preise für ärztliche und psychotherapeutische Leistungen.
Mehr erfahren zu: "Bilanz des Sommers 2025: Rund 16.500 Hitzetote in europäischen Städten durch Klimakrise" Bilanz des Sommers 2025: Rund 16.500 Hitzetote in europäischen Städten durch Klimakrise In europäischen Städten sind in diesem Sommer Tausende Menschen an extremer Hitze gestorben. Etwa zwei Drittel davon lassen sich auf die Folgen des Klimawandels zurückzuführen, wie eine Studie zeigt.
Mehr erfahren zu: "Ärzte beklagen Machtmissbrauch und Sexismus im Klinik-Alltag" Ärzte beklagen Machtmissbrauch und Sexismus im Klinik-Alltag Die Medizin hat ein Führungsproblem – das zeigt die Mitgliederbefragung des Marburger Bundes Hamburg, die im Rahmen einer Podiumsdiskussion vorgestellt wurde. An der Umfrage zu Machtstrukturen und Führungskultur in Hamburger […]