Ärzte warnen vor „Irrweg einer krankenhauszentrierten Versorgung“ – Ruf nach dem Bundesrat15. Oktober 2024 BvDU, SpiFa und KBV sehen eine deutliche Schieflage der Politik zugunsten der Versorgung im Krankenhaus. Bild: GrafKoks – stock.adobe.com / Schmitz/Biermann Verlag Ein Änderungsantrag zum Krankenhaus-Versorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), der Krankenhäuser für die fachärztliche ambulante Versorgung öffnen soll, hat für Empörung in der Ärzteschaft gesorgt – beim Berufsverband der Deutschen Urologie (BvDU), beim Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) und bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Fachärzte sollen demnächst aus kleinen Krankenhäusern heraus praktizieren können, berichtet der BvDU in einer Pressemitteilung. Dies beträfe nach dem Sprecher der Koalitionsfraktionen alle Fachgruppen an Sicherstellungskrankenhäusern und sektorenübergreifenden Versor-gungseinrichtungen und bei Bundeswehrkrankenhäusern in allen Gebieten, die nicht gesperrt seien, sofern offene Niederlassungsmöglichkeiten nicht innerhalb von neun Monaten anders besetzt werden. Ärzte erkennen Vorsatz bei Lauterbach BvDU und KBV erkennen hinter diesem „unsäglichen Änderungsantrag“ (BvDU) ein System: Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach wolle „systematisch die seit Jahrzehnten funktionierende fachärztliche ambulante Versorgung ausbluten“, wie es in der BvDU-Mitteilung heißt. „Wer dahinter kein System erkennt, die ambulante fachärztliche Versorgung zugunsten der Versorgung in Kliniken verhungern zu lassen, dem muss seine rosarote Brille auf der Nase einzementiert sein“, so BvDU-Präsident Dr. Axel Belusa. „Allen Beteuerungen zum Trotz wird es mittlerweile überdeutlich: Karl Lauterbach will eine krankenhauszentrierte Versorgung schaffen – koste es, was es wolle“, lassen sich die KBV-Vorstände Dres. Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner zitieren. Die Ärzteorganisationen beklagen eine Ungerechtigkeit gegenüber den niedergelassenen Fachärzten und zugunsten der Krankenhäuser. Der SpiFa stößt sich besonders daran, dass die Finanzierung der vertragsärztlichen Leistungen ermächtigter sektorenübergreifender Versorgungseinrichtungen und Krankenhäuser weiterhin über die vertragsärztliche Gesamtvergütung und damit im Ergebnis aus dem Budget der vertragsärztlich tätigen Fachärzte erfolgen soll. „Die bereits heute bestehende Unterfinanzierung der ambulanten fachärztlichen Versorgung wird sich so in Zukunft weiter verschärfen. Die ermächtigten Einrichtungen haben keinerlei Anreize, die ambulante Versorgung spürbar zu unterstützen“, mahnt der SpiFa-Vorsitzende Dr. Dirk Heinrich. „Die Regelung stellt auch deshalb eine grobe Ungerechtigkeit dar, weil Krankenhäuser im Gegensatz zu niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten ihre Infrastruktur und Geräte über die Länder finanziert bekommen. Ihnen die gleiche Vergütung zu zahlen, benachteiligt die niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzte“, erklärt Dr. Dirk Heinrich. „Das Ganze macht den Eindruck, dass insbesondere mit den Beitragsgeldern der gesetzlich Versicherten dauerhaft milliardenschwere Krankenhaussubventionen gestemmt werden sollen und die wohnortnahe Versorgung durch Praxen abgewickelt werden soll“, kommentiert der KBV-Vorstand das Vorhaben. „Gehen Chefärzte zum Katheterwechsel?“ Der BvDU formuliert rhetorische Fragen: „Machen in Zukunft Assistenzärzte die Facharztsprechstunden und bieten Termine über Terminservicestellen an? Gehen Chefärzte zum Katheterwechsel ins Pflegeheim oder schicken ihre Pflichtassistenten? Was ist dann mit dem Prinzip der persönlichen Leistungserbringung und wer kontrolliert? Gelten dann nicht nur alle Rechte, sondern auch alle Pflichten, unter anderem der kassenärztliche Hausbesuchsdienst, für Krankenhäuser? Was ist mit Erlaubnisvorbehalt, Telematikinfrastruktur und Regressen? Und vor allem: Was halten Patientinnen und Patienten von einer Versorgung durch permanent wechselnde Ärztinnen und Ärzte?“ Da das Gesetz nach den Lesungen im Bundestag – wo es voraussichtlich durchkommen wird –noch im Bundesrat beraten werden muss, sehen KBV und BvDU jetzt die Bundesländer in der Pflicht. „Wir appellieren an die Bundesländer, diesen teuren und von einer zentralistischen Ideologie geprägten Irrweg nicht mitzugehen“, so die KBV-Vorstände. Der BvDU mahnt den Bundesrat, „seiner politischen Pflicht gerecht zu werden und das Gesetz abzulehnen, um die ambulante wohnortnahe fachärztliche Versorgung für Patientinnen und Patienten zu erhalten“. (ms)
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