Ärztetag fordert mehr Medizinstudienplätze – auf wissenschaftlicher Grundlage27. Mai 2022 Ellen Lundershausen, Vize-Präsidentin der Bundesärztekammer: “Nicht nur Köpfe zählen”. Foto: BÄK Der 126. Deutsche Ärztetag in Bremen hat an die Bundesländer appelliert, die Zahl der staatlich finanzierten Medizinstudienplätze in Deutschland kurzfristig um mindestens 6000 zu erhöhen. Dies sei notwendig, um den steigenden Versorgungsbedarf in einer Gesellschaft des langen Lebens zu decken. Zudem steht die Ärzteschaft in Deutschland vor einer enormen Ruhestandswelle. Rund 20 Prozent der Ärztinnen und Ärzte scheiden in den kommenden Jahren altersbedingt aus dem Berufsleben aus. Unter den Kinder- und Jugendärzten wird zwischen 2020 und 2025 sogar ein Viertel in den Ruhestand gehen. “Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine legitime Forderung der jungen Ärztegeneration. Wegen der starken Arbeitsverdichtung und wegen der strukturellen Verwerfungen des Gesundheitssystems entscheiden sich insbesondere junge Ärztinnen und Ärzte für eine Teilzeittätigkeit. Es reicht deshalb nicht aus, nur die Köpfe zu zählen. Entscheidend ist die zur Verfügung stehende ärztliche Arbeitszeit – und die nimmt kontinuierlich ab”, warnte auf der Tagung Dr. Ellen Lundershausen, Vize-Präsidentin der Bundesärztekammer. “Ärztinnen und Ärzte brauchen mehr Zeit, um ihren Patientinnen und Patienten Gelegenheit zu geben, Sorgen und Nöte zu artikulieren und Fragen zu stellen”, betonte Bundesärztekammer-Vize Dr. Günther Matheis. “Die Ampelkoalition hat sich vorgenommen, die Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe und Pflegekräfte zu verbessern, an diesem Versprechen werden wir die Bundesregierung messen”, erklärte er. Die Abgeordneten des Ärztetages betonten in ihrer Aussprache zu diesem Schwerpunktthema, dass neben einer konsequenten Nachwuchsförderung auch die Rahmenbedingungen für ärztliche Arbeit neu gestaltet werden müssten. Dies sei Voraussetzung dafür, um möglichst viele Ärztinnen und Ärzte in der Patientenversorgung zu halten. Dafür sei es erforderlich, die Zusammenarbeit von Praxen, Kliniken und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens neu zu gestalten und enger zu vernetzen. Das im Koalitionsvertrag angekündigte “Bürokratieabbaupaket” sei zügig umzusetzen und eine Digitalstrategie für das Gesundheitswesen zu schaffen. Zudem seien finanzielle und strukturelle Unterstützungsangebote bei einer Niederlassung und für den Praxisbetrieb in ländlichen und strukturschwachen Regionen notwendig, heißt es in einem Beschluss des Ärzteparlaments. Anästhesisten legen Kalkulations-Instrument vor Der Deutsche Ärztetag hält zudem die Einführung valider Berechnungen für die patienten- und aufgabengerechte ärztliche Personalausstattung für dringend geboten. “Die Bundesärztekammer hat dafür ein vom Berufsverband Deutscher Anästhesisten und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin entwickeltes Excel-Kalkulations-Instrument zur Personalbedarfskalkulation weiterentwickelt”, sagte Bundesärztekammer-Vorstandsmitglied Dr. Susanne Johna. Ziel sei die Abbildung von Inhalten und Zeitkontingenten zur direkten und zur indirekten Patientenversorgung sowie für über 100 weitere ärztliche Aufgaben und Pflichten. “Wir brauchen einen echten Paradigmenwechsel: Der Erlös darf nicht den Bedarf bestimmen – vielmehr muss der Bedarf durch die Aufgaben bestimmt werden”, sagte Johna. BÄK-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Henrik Herrmann stellte den Abgeordneten des Ärztetages dieses Personalbemessungsinstrument detailliert vor. Er betonte: “Im Ergebnis wurde ein flexibles, an die jeweilige hausinterne Betriebsorganisation anpassbares Kalkulationsinstrument entwickelt, das nach seiner Fertigstellung eine integrierte Gesamtkalkulation der benötigten Vollzeitkräfte auf Basis qualitativ verbindlicher Kriterien ermöglicht.” Der Ärztetag hat die Bundesärztekammer gebeten, dieses Personalbemessungsinstrument weiterzuentwickeln und den Nutzern zur Verfügung zu stellen. Wissenschaftlichkeit als Basis der Ausbildung Zudem betonte der Ärztetag, Bund und Länder müssten künftig eine ärztliche Ausbildung sicherstellen, die wissenschaftlich und didaktisch hochwertig ist. “Wissenschaftlichkeit muss Prämisse jeglicher medizinischen Ausbildung in Deutschland sein”, betonten die Abgeordneten. An staatlichen Universitäten bestünden vielfältige Forschungsmöglichkeiten und eine dazugehörige akademische Infrastruktur. Unter diesen Voraussetzungen ließen sich die erforderliche inhaltliche und wissenschaftliche Breite sowie Aktualität und Qualität eines Medizinstudiums sicherstellen. Diese Studienplatz-Lücke füllten zunehmend private Hochschulen mit eher praxisorientierten Ausbildungsangeboten in der Humanmedizin aus, gibt der Ärztetag zu bedenken. Die Studienkosten müssten von den Studierenden oder ihren Angehörigen in der Regel selbst getragen werden. Aus finanziellen Erwägungen heraus werde dieser Prozess von den Ländern unterstützt. Die zunehmende ärztliche Unterversorgung in bestimmten Regionen fördere entsprechende Neugründungen. “Der private Sektor kann Bund und Länder nicht von ihrer Verantwortung entbinden, selbst ausreichend Medizinstudienplätze bereitzustellen”, so der Ärztetag. Zugleich stünden die Länder in der Pflicht, private Studiengänge kritisch zu begleiten. Zu unterstützen seien nur solche Studiengänge, die in allen Aspekten die Voraussetzungen eines qualitativ hochwertigen, wissenschafts- und forschungsbasierten Medizinstudiums erfüllen. Um die Qualität solcher Studiengänge sicherzustellen, müssten diese kontinuierlich vom Wissenschaftsrat überprüft werden. Das sei vor allem aus Gründen der Patientensicherheit dringend geboten. (BÄK/ms)
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