Ärzteverbände warnen: Ohne sofortige Lösung droht Kollaps der stationären Schmerzversorgung3. Juli 2025 Symbolfoto: ©Coloures-Pic/stock.adobe.com Die Schmerzmedizin müsse ein Teil der Krankenhausreform sein, fordern DGAI, BDA und Deutsche Schmerzgesellschaft in einer gemeinsamen Mitteilung. Ansonsten drohe ein flächendeckender Versorgungseinbruch für chronische Schmerzpatienten. Die deutschen Schmerzmediziner und Anästhesisten werden nicht müde, auf den drohenden Kollaps der stationären Schmerzversorgung durch die Nichtberücksichtigung der Schmerzmedizin in der Krankenhausreform aufmerksam zu machen. Bislang hatten Organisation wie die Deutsche Schmerzgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) und der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) unabhängig voneinander auf die drohenden Missstände aufmerksam gemacht. Vermutlich um ihrer Position mehr Gewicht zu verleihen, haben die Genannten nun ein gemeinsames Statement verfasst. Die drei Ärzteverbände warnen: Schon in wenigen Monaten könnten eine Reihe von spezialisierten Schmerzstationen in Deutschland gezwungen sein, ihre Angebote abzubauen oder gar ganz einzustellen. Grund ist die fehlende strukturelle Verankerung der Schmerzmedizin im neuen leistungsgruppenbasierten System der Krankenhausreform. DGAI, BDA und Deutsche Schmerzgesellschaft fordern daher gemeinsam eine sofortige politische Entscheidung: Die Schmerzmedizin müsse Teil der Krankenhausreform sein. Noch in diesem Sommer müsse die Reform nachgebessert und eine eigene Leistungsgruppe „Spezielle Schmerzmedizin“ eingeführt werden – per Gesetz oder Rechtsverordnung, verlangen sie. Konsequenzen bereits zu spüren „Wenn jetzt nicht gehandelt wird, droht ein flächendeckender Einbruch in der Versorgung chronischer Schmerzpatientinnen und -patienten“, warnt Prof. Frank Petzke, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft. „Wir brauchen jetzt eine klare Perspektive und politisch entschlossenes Handeln – sonst wird es diese nötigen Behandlungsplätze für chronisch Schmerzerkrankte bald nicht mehr geben.“ Bereits zum Aktionstag gegen den Schmerz am 3. Juni 2025 hatten DGAI und Deutsche Schmerzgesellschaft gewarnt: Rund 40 Prozent der derzeit stationär angebotenen Schmerztherapien sind gefährdet, wenn die Schmerzmedizin nicht als eigenständige Leistungsgruppe im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) abgebildet wird. Die aktuelle Entwicklung zeige, dass diese Warnung keineswegs theoretisch war. Laut DGAI, BDA und Deutscher Schmerzgesellschaft hätten erste Einrichtungen ihre Angebote bereits zurückgezogen, weitere bereiteten sich auf Schließungen vor. Schmerzmedizin ist kein Randthema Etwa 450 Kliniken bieten derzeit eine stationäre interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST) an – viele davon unter anästhesiologischer Leitung. Die Krankenhausreform berücksichtigt diese Versorgungsform bislang nicht strukturell. Stattdessen werden schmerzmedizinische Fälle fachfremden Leistungsgruppen wie Allgemeiner Innerer Medizin oder Allgemeiner Chirurgie zugeordnet – mit gravierenden Folgen. „Besonders betroffen sind Schmerzstationen an kleineren Häusern und Schwerpunktkliniken, die häufig von Anästhesistinnen und Anästhesisten verantwortet werden“, erklärt Prof. Joachim Erlenwein, Sektionssprecher Schmerzmedizin der DGAI. „Dort wird in der Regel mit einem intensivmedizinischen oder schmerzmedizinischen Fachabteilungsschlüssel die spezialisierte IMST erbracht – und genau diese Einrichtungen rutschen im neuen System durch.“ Die Folge der Krankenhausreform für genau diese Einrichtungen: Leistungen mit muskuloskelettalen Schmerzdiagnosen werden hier künftig der Leistungsgruppe Allgemeine Chirurgie zugewiesen; Schmerzstörungen und neurologische Schmerzdiagnosen, die als komplexe, multimodale Schmerztherapie behandlungsbedürftig im Vordergrund stehen, der Leistungsgruppe Allgemeine Innere Medizin zugeordnet. Für die betroffenen Einrichtungen bedeutet das, dass sie die vollständigen strukturellen und personellen Mindestvoraussetzungen dieser jeweils an sich fachfremden Gruppen erfüllen müssen – etwa zwei OP-Säle, Endoskopiezeiten oder bestimmte ärztliche Fachzugehörigkeiten. „Für viele spezialisierte schmerztherapeutische Einrichtungen ist das fachlich falsch, ohne Sinn und zudem ökonomisch schlicht nicht leistbar“, so Erlenwein. „Ihnen droht damit das wirtschaftliche Aus und die Schließung – und das nur aufgrund von Vorgaben, die rein gar nichts mit der schmerzmedizinischen Behandlung zu tun haben.“ Für Spezialkliniken kommt hinzu, dass nach den aktuellen Vorgaben der Krankenhausreform ergänzend eine Intensivstation erforderlich ist – mit allen Anforderungen der Leistungsgruppe Intensivmedizin – obwohl diese Kliniken weder an der Akutversorgung teilnehmen noch irgendwelche Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen behandeln. Die Fachgesellschaften und Verbände sind sich einig, dass die Einführung einer eigenen Leistungsgruppe „Spezielle Schmerzmedizin“ die evident sinnvollste, simpelste und nachhaltigste Lösung darstellt. Sie ist zu anderen Leistungen sehr gut abgrenzbar und kurzfristig umsetzbar – entweder per Rechtsverordnung oder gesetzlicher Regelung – und sichert den Fortbestand der spezialisierten Schmerzversorgung chronisch Schmerzerkrankter in Deutschland. Im Gegensatz dazu ist eine Lösung über den Status und Ausnahmeregelungen für Fachkrankenhäuser nach aktuellem Stand sehr unsicher und auch derzeit nicht möglich. Selbst bei einer Gesetzesanpassung und einer darauf abgestimmten Rechtsverordnung zum Leistungsgruppensystem wäre eine Umsetzung komplex, schwerfällig und nicht zeitnah realisierbar. Die derzeitige Praxis, die spezielle Schmerzmedizin in fachfremden Leistungsgruppen „beizumischen“, ist unter Berücksichtigung anderer gesetzlicher Vorgaben und einer zielgerichteten Krankenhausplanung wenig zielführend und gefährdet die Versorgungsqualität nachhaltig. Fachverbände fordern: Schmerzmedizin gehört strukturell in die Reform „Die Schmerzmedizin ist ein eigenständiges, interdisziplinäres Behandlungsfeld – sie darf nicht länger zwischen die Systeme fallen“, fordert BDA-Präsidentin Prof. Grietje Beck. „Eine eigene Leistungsgruppe ist medizinisch sinnvoll, rechtlich machbar und dringend notwendig, um den Fortbestand der Versorgung zu sichern.“ Auch DGAI-Präsident Prof. Gernot Marx mahnt: „Die Schmerzmedizin ist ein zentraler Bestandteil der Anästhesiologie. Sie muss im Rahmen der Krankenhausreform endlich so abgebildet werden, dass Qualität, Zugang und Wirtschaftlichkeit gesichert sind.“ Die drei Verbände schlagen vor, die neue Leistungsgruppe im Rahmen der geplanten Optimierungen des KHVVG zu verankern. Alternativ wäre eine zügige Aufnahme in die kommende Rechtsverordnung zur Weiterentwicklung der Leistungsgruppen möglich. „Die Schmerzmedizin steht am Kipppunkt – und mit ihr die Versorgung von Millionen Betroffener“, fasst Petzke zusammen. „Es reicht nicht, das Problem zu erkennen. Die Entscheidung für eine eigene Leistungsgruppe muss jetzt getroffen werden – sonst ist es für viele Standorte zu spät.“ Es braucht ein verbindliches, zeitnahes Commitment der Gesundheitspolitik, das von Geschäftsführungen und Krankenhausträgern gleichermaßen als verlässlich wahrgenommen wird, um die Strukturen der speziellen Schmerztherapie in Deutschland dauerhaft zu erhalten und für die Betroffenen sicherzustellen.
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