Aggressive Hirntumoren sensibler für Strahlen- und Chemotherapie machen

Prof. Nils Cordes, Leiter des Bereichs Strahlenbiologie am OncoRay, erforscht die biologischen Zelleigenschaften des Glioblastoms. (Foto: HZDR/Rainer Weisflog)

Dresdner Forscher wollen die biologischen Zelleigenschaften des Glioblastoms so verändern, dass es empfindlicher für die Therapie wird. Helfen könnten ihnen dabei neue Erkenntnisse zu einem bestimmten Eiweißmolekül.

Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 8000 Menschen an einem Hirntumor. Als besonders aggresiv gilt dabei das Glioblastom, da die Tumorzellen schnell wachsen und in das gesunde Gehirn einwandern. Die Überlebenschancen sind oft gering, reichen von wenigen Monaten bis hin zu anderthalb Jahren. Die Behandlung kombiniert eine Operation mit anschließender Strahlen- und Chemotherapie. Doch allzu häufig zeigt sich das Glioblastom resistent gegen dieses Vorgehen.

„Die Behandlung eines Glioblastoms ist schwierig“, erklärt Prof. Nils Cordes, Leiter Strahlenbiologie am Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay, das die Medizinische Fakultät und das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden sowie das HZDR gemeinsam tragen. Eine Operation ist nicht ohne Risiko, weil das Tumorgewebe von sensiblen Hirnstrukturen umgeben ist. Das erfordert auch ein sehr vorsichtiges Vorgehen bei der Strahlenbehandlung, um Gewebeschäden in der Umgebung so gut es geht auszuschließen.

„Unsere Bestrahlungsmöglichkeiten und die Kombination von Therapien verbessern die Heilungschancen bei Krebserkrankungen“, erläutert Prof. Mechthild Krause, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie sowie Direktorin des OncoRay-Zentrums. „Unsere wissenschaftliche Arbeit ist daher von einer hohen Dynamik geprägt, um die Vielzahl an Perspektiven für schonendere und wirkungsvollere Behandlungsstrategien für Therapie und Erforschung von Tumorerkrankungen auszuloten.“

Ein möglicher Weg für eine schonende Strahlenbehandlung führt über die extrazelluläre Matrix. Tumorzellen und andere, nicht entartete Zellen, die sich in einem Tumor befinden, produzieren solche Matrixproteine im Übermaß. „Das heißt, die Matrix im normalen Gehirn ist ganz anders als in einem Glioblastom“, erklärt Cordes. Der Grund dafür ist noch unbekannt. „Unser Ansatz ist, die Rezeptoren auf den Zellen, die ihnen das Anheften an die Matrix ermöglichen, zu blockieren oder herunter zu regulieren.“ Möglich ist das beispielsweise durch den Einsatz von Antikörpern oder Peptiden. Sie können die Verbindung zwischen Zellen und Matrix schwächen oder deaktivieren. Das führt dazu, dass die Tumorzellen nach Bestrahlung, Chemotherapie oder einer molekularen Therapie schlechter überleben.

In der aktuellen Untersuchung beschäftigten sich die Forscher mit dem Oberflächenprotein Integrin α2. Integrine verbinden Zellen mit anderen Zellen und sind für den Zelleinbau in die Matrix zuständig. Die Wissenschaftler konnten mit der Arbeit zeigen, dass die Hemmung von Integrin α2 die Überlebensfähigkeit der Tumorzellen bei einer kombinierten Strahlen- und Chemotherapie deutlich herabsetzt. Gerade der Blick auf die Wirkung bei dieser Kombination von Strahlen- und Chemotherapie sei wichtig, weil diese Behandlungsmethode für viele Patienten heute Standard ist. Ein Mangel an Integrin α2 hemmt zudem das Tumorwachstum. Das könnte sich positiv auf die Überlebenschancen Betroffener auswirken. Weitere Untersuchungen legten außerdem nahe, dass der Ansatz auch bei Kopf- und Halstumoren erfolgsversprechend sein könnte. Inwieweit Vorteile bei der Behandlung weiterer Krebsarten bestehen, muss sich künftig noch zeigen, da es weltweit noch sehr wenige Arbeiten über das Integrin α2 gibt.

Der stärkere Blick auf Proteine in der Krebstherapie ist ein Punkt, der nach Ansicht der Dresdner Forscher künftig immer wichtiger werden wird. Bislang legten Wissenschaft und Klinik das Hauptaugenmerk auf die Genetik, sie sei aber nur ein Baustein neben vielen anderen, wie den Proteinen. In einer früheren Arbeit schaute sich das Team deshalb die Zusammensetzung der zellulären Matrix in Glioblastomen verschiedener Patienten genauer an. „Ein überwiegender Teil besteht aus Collagenen“, schildert Cordes. Integrin α2 ist Teil eines Collagenintegrins. „Es gibt also durchaus die Chance, dass wir über die intensive Beschäftigung mit den Proteinen neue Lösungen finden.“

Nun gilt es zu überprüfen, ob sich die positiven Ergebnisse zum Integrin α2 auch in den Effekten einer kombinierten Therapie widerspiegeln. „Wir wollen in einem nächsten Schritt in Laborexperimenten herausfinden, wie effizient der Einsatz von Integrin α2-Hemmern bei einer kombinierten Strahlen- und Chemotherapie ist“, blickt Cordes auf eine künftige Aufgabenstellung seiner Gruppe.