Aktuelle Studienlage zum kardiometabolischen Risiko bei Nebennierenfunktionsstörungen5. August 2024 Foto: © Jo-Panuwat-D/stock.adobe.com Im Rahmen der Pressekonferenz der DGE und der DDG am 17. Juli informierte Dr. Birgit Harbeck über die aktuelle Studienlage zum kardiometabolischen Risiko bei Nebennierenfunktionsstörungen. Aktuelle autopsiestudien weisen eine Prävalenz von 1 bis 8,7 Prozent für Nebennierenraumforderungen in der Bevölkerung auf, wobei die Häufigkeit mit steigendem Lebensalter zunimmt (Fassnacht et al. 2023). Dabei handelt es sich überwiegend um Nebennierenadenome (80-85 Prozent). Etwa 40 bis 70 Prozent der Nebennierenadenome sind hormoninaktiv. Dennoch zeigen Daten, dass auch diese Patienten eine Störung des Glucosestoffwechsels aufweisen. Dabei nimmt die Insulinresistenz mit dem Adenomwachstum zu (Athanasouli et al. 2021; Papanastasiou et al. 2016), berichtet Harbeck. Gefahr durch hormonaktive Adenome Gutartige Cortisol sezernierende Adenome der Nebenniere (adrenales Cushing-Syndrom) machen etwa 1 bis 4 Prozent aller zufällig entdeckten Nebennierentumoren aus. Sie haben erhebliche Auswirkung auf den Metabolismus und sind klinisch unter anderem mit einer stammbetonten Adipositas (90 Prozent), gestörter Glukosetoleranz oder Diabetes mellitus (85 Prozent) sowie einer arteriellen Hypertonie verbunden (80 Prozent). Adenome mit einer milden autonomen Cortisolsekretion (MACS), bei denen nach Suppressionstest erhöhte Cortisolspiegel (> 1,8 μg/d), aber keine klinischen Symptome vorliegen, machen mit 20 bis 50 Prozent die zweithäufigste Gruppe der Adenome aus. Diese Entität muss auf das Vorliegen möglicherweise Cortisol-assoziierter Begleiterkrankungen wie arterieller Hypertonie und Diabetes mellitus gescreent werden. Im Falle einer fehlenden autonomen Cortisolsekretion kann bei hormoninaktiven Adenomen auf weitere therapeutische Maßnahmen und ein Follow-up verzichtet werden. Hormonaktive Adenome, die zu einem manifesten Cushing-Syndrom führen, müssen chirurgisch entfernt werden, um die schädlichen Folgen eines Hormonexzesses zu mildern. Im Falle relevanter Komorbiditäten kann auch bei MACS eine operative Resektion erwogen werden, erklärt Harbeck. Der primäre Hyperaldosteronismus stellt die häufigste Ursache einer sekundären Hypertonie dar und betrifft bis zu 13 Prozent aller Patienten mit einem Bluthochdruck. Der überhöhte Aldosteronspiegel führt zu einer therapieresistenten arteriellen Hypertonie und Linksherzhypertrophie, zusätzlich jedoch auch zu metabolischen Veränderungen wie metabolischem Syndrom, Insulinresistenz bis hin zu Diabetes mellitus Typ 2 (Hanslik et al. 2015), wobei hier die genauen pathophysiologischen Zusammenhänge noch nicht abschließend geklärt sind. Zudem sind auch Dyslipidämien im Anschluss an eine Adrenalektomie bei Aldosteron-produzierendem Adenom zu beobachten (Adolf et al. 2016), so Harbeck. Diese metabolischen Veränderungen tragen mutmaßlich zu dem erhöhten kardiovaskulären und zerebrovaskulären Risiko bei, das gegenüber einer essenziellen Hypertonie deutlich gesteigert ist (Byrd et al. 2018; Hundemer et al. 2018). Die wichtigsten Subtypen sind das Aldosteron-produzierende Adenom (circa 30 Prozent der Fälle) und die bilaterale Nebennierenhyperplasie (IAH, 70 Prozent der Fälle). Je nach zugrunde liegender Genese sollte im Falle eines hormonaktiven Adenoms dieses nach entsprechender Vorbehandlung chirurgisch entfernt werden oder bei einer IAH die Therapie mit einem Aldosteronantagonisten begonnen werden, erklärt die Expertin. Ein weiteres hormonaktives Nebennierenadenom ist das Phäochromozytom. Die Symptome beruhen auf der erhöhten Konzentration und damit gesteigerten Wirkung der vermehrt freigesetzten Katecholamine wie Hypertonie, Herzrhythmusstörungen und einer Erhöhung des Blutzuckers. Eine Operation ist die gebotene Therapie, so Harbeck. Primäre Nebenniereninsuffizienz selten Während die zuletzt beschriebenen Erkrankungen mit einer Überfunktion der Nebenniere verbunden sind, handelt es sich bei der seltenen primären Nebenniereninsuffizienz (Prävalenz 100–140 Fälle pro 1 Million Einwohner) um eine potenziell lebensgefährdende Erkrankung, bei der es meist durch Autoimmunprozesse zu einem Mangel an Cortisol und Aldosteron kommt. Da die normale Cortisolsekretion bei Gesunden einer Tagesrhythmik folgt, besteht die Herausforderung in einer der natürlichen Sekretion angepassten Cortisolersatztherapie. Die bisherige konventionelle Therapie besteht aus der Gabe von kurz wirksamem Hydrocortison, das jedoch diese Tagesrhythmik nur unzureichend imitieren kann. Damit kommt es regelmäßig zu Phasen der Über- oder Untersubstitution. Beide sind für den Körper schädlich. Die zeitweilige Übersubstitution begünstigt die Folgen eines Hypercortisolismus wie Adipositas, Störungen des Glucosestoffwechsels und Hyperlipidämien. Aber auch die langen Phasen der Unterversorgung tragen vermutlich durch erhöhte Entzündungsmediatoren zu dem bekannten gesteigerten kardio- und zerebrovaskulären Risiko bei. Neuere retardierte Präparate haben das Ziel, die Tagesschwankungen besser nachzuzeichnen. Erste Daten deuten auf eine Verbesserung der Stoffwechsellage hin mit positivem Einfluss auf Gewicht und Insulinsensitivität (Guarnotta et al. 2018), informiert Harbeck. „Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Nebennierenfunktionsstörungen mit einem hohen kardiometabolischen Risiko behaftet sind. Bei der Therapie dieser Erkrankungen sollten etwaige metabolische Auswirkungen und deren Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System im Blick behalten werden“, sagt Harbeck abschließend. Literatur:[1] Athanasouli F, Georgiopoulos G, Asonitis N et al. Nonfunctional adrenal adenomas and impaired glucose metabolism: a systematic review and meta-analysis. Endocrine 2021;74:50-60[2] Papanastasiou L, Alexandraki K, Androulakis I et al. Concomitant alterations of metabolic parameters, cardiovascular risk factors and altered cortisol secretion in patients with adrenal incidentalomas during prolonged follow-up. Clin Endocrinol (Oxf) 2017;86(4):488-498[3] Fassnacht M, Tsagarakis S, Terzolo M et al. European Society of Endocrinology clinical practice guidelines on the management of adrenal incidentalomas, in collaboration with the European Network for the Study of Adrenal Tumors. Eur J Endocrinol 2023;189(1):G1-G42[4] Hanslik G, Wallaschofski H, Dietz A et al. Increased prevalence of diabetes mellitus and the metabolic syndrome in patients with primary aldosteronism of the German Conn’s Registry. Eur J Endocrinol 2015; 173(5): 665-675[5] Hundemer GL, Curhan GC, Yozamp N et al. Cardiometabolic outcomes and mortality in medically treated primary aldosteronism: a retrospective cohort study. Lancet Diabetes Endocrinol 2018; 6(1):51-59[6] Byrd JB, Turcu AF, Auchus RJ. Primary Aldosteronism: Practical Approach to Diagnosis and Management. Circulation 2018;138(8):823-835[7] Adolf C, Asbach E, Dietz AS et al. Worsening of lipid metabolism after successful treatment of primary aldosteronism. Endocrine 2016;54(1):198-205[8] Guarnotta V, Ciresi A, Pillitteri G et al. Improved insulin sensitivity and secretion in prediabetic patients with adrenal insufficiency on dual-release hydrocortisone treatment: a 36-month retrospective analysis. Clin Endocrinol 2018,88(5):665-672
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