Alkoholassoziierte Krebserkrankungen: Große Studie belegt Nutzen von Rehabilitationsprogrammen und selbst Phasen der Abstinenz2. Juli 2024 Foto: © Andrey Cherkasov/stock.adobe.com Eine in Frankreich durchgeführte Studie deutet erstmals auf einen direkten Zusammenhang zwischen der Behandlung einer Alkoholabhängigkeit und einer Abnahme bestimmter Krebserkrankungen um fast 40 Prozent hin. In der landesweiten Untersuchung – durchgeführt vom Centre for Addiction and Mental Health (CAMH), der Universitätsklinik Bordeaux (beide Frankreich) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – stellten Wissenschaftler fest, dass Personen mit Alkoholsucht, die sich einer Rehabilitation unterziehen oder abstinent bleiben, ein signifikant geringeres Risiko für alkoholassoziierte Krebserkrankungen besitzen als Abhängige, die weiterhin Alkohol konsumieren. Die gerade in „The Lancet Public Health“ veröffentlichte Studie ist laut den Autoren die größte bisher, die Evidenz dafür liefert, dass ein reduzierter Alkoholkonsum oder ein völliger Verzicht mit einer Senkung des Risikos für Krebserkrankungen in Zusammenhang stehen, die durch exzessiven Alkoholgenuss befördert werden. Daten zu mehr als 24 Millionen Erwachsenen ausgewertet Für die retrospektive Kohortenstudie analysierten die Forschenden Daten zu mehr als 24 Millionen Französinnen und Franzosen, die zwischen 2018 und 2021 aus einer stationären Behandlung entlassen worden waren. Die Arbeitsgruppe errechnete, dass circa 6,3 Prozent der Männer und 1,6 Prozent der Frauen in der Kohorte an einer Alkoholabhängigkeit litten, die stark mit Krebserkrankungen assoziiert war – darunter das Hepatozelluläre Karzinom sowie Krebserkrankungen des Mundraumes, des Pharynx, des Ösophagus und des Kolons und Rektums. Dies betraf beide Geschlechter. Auf der anderen Seite beobachteten die Forschenden aber auch, dass eine Rehabilitation oder Abstinenz in der Vorgeschichte mit einem signifikant geringeren Erkrankungsrisiko als ohne Rehabilitations oder fortgesetztem Konsum. Dies, so die Studienautoren, unterstreiche die Wirksamkeit entsprechender Behandlungsstrategien im Kampf gegen Krebsleiden, die mit übermäßigem Alkoholgenuss in Verbindung stehen. „Das Forschungsteam war überrascht, dass der Effekt einer therapeutischen Intervention in dieser Untersuchung so groß war“, berichtet Seniorautor Dr. Jürgen Rehm vom CAMH. „Wir wissen zwar, dass eine Behandlung der Alkoholabhängigkeit wirksam ist, doch die Tatsache, dass es sich bei der Alkoholsucht um eine wiederkehrende chronische Erkrankung handelt, lässt uns häufig vergessen, dass Phasen der Abstinenz das Risiko für Krebs und weitere chronische Erkrankungen deutlich senken – selbst, wenn es zu Rückfällen kommt.“ „Vom Public-Health-Standpunkt aus unterstreicht unsere Forschungsarbeit, dass die Alkoholsucht im Vergleich zu anderen Gesundheitsproblemen in besorgniserregender Art und Weise vernachlässigt wird – sowohl in der Forschung als auch in Bezug auf eine Priorisierung von Strategien“, führt Dr. Michael Schwarzinger von der Abteilung für Präventionsmedizin der Universitätsklinik Bordeaux weiter aus. Er fungierte bei der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse als Hauptautor. „Infolgedessen stellt die Alkoholsucht in Ländern wie Frankreich immer noch eine stille, aber furchtbare Epidemie dar – vor allem, wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Konsum unter Erwachsenen in diesem Land mehr als doppelt so hoch ist wie der globale Mittelwert.“ Rehabilitationsprogramme sind wirksam, aber Gesundheitssysteme müssen auch reagieren Dr. Carina Ferreira-Borges ist bei WHO-Regionalbüro für Europa für die Themen Alkohol, illegale Drogen und die Gesundheit Inhaftierter zuständig. Sie sagt: „Wir wissen, dass die wirksamste Strategie zur Reduktion der Gesamtlast gesundheitlicher Schäden, die durch Alkohol verursacht werden – darunter Krebserkrankungen – in Maßnahmen auf Bevölkerungs-Level liegt.“ Damit meint sie eine Erhöhung von Steuern auf Alkohol, eine Einschränkung der Verfügbarkeit sowie der Werbung für Alkohol oder sogar ein Werbeverbot. „Diese Studie hebt jedoch hervor, dass die Reaktion der Gesundheitssysteme ebenso entscheidend ist, wenn es um die Senkung der Raten alkoholassoziierter Krebserkrankungen geht. Indem sie Maßnahmen der Rehabilitation und zur Förderung der Alkoholabstinenz im Rahmen der Gesundheitsversorgung besser zugänglich machen, können die Länder mehr tun, um ihre jeweilige Bevölkerung vor vermeidbaren Krebserkrankungen zu schützen. Wir fordern daher, dass in Frankreich und anderen Ländern innerhalb der WHO-Region Europa mehr in die Rehabilitation und die Behandlung von Alkoholmissbrauchsstörungen investiert wird.“ Dr. Leslie Buckley, Leiterin der Abteilung Suchterkrankungen am CAMH, unterstreicht, wie wichtig die Erkenntnisse aus der neuen Untersuchung sind: „In Kanada liegt die Zahl der Hospitalisierungen aufgrund mit Alkohol in Zusammenhang stehender Erkrankungen über der für Krankenhauseinweisungen aufgrund eines Myokardinfarktes. Viele Menschen dort stoßen bei der Suche nach einer evidenzbasierten Therapie auf Hürden – sei es aufgrund von Stigmatisierung oder wegen Problemen mit dem Zugang zu einer stationären Versorgung. Mit innovativen Ansätzen wie einer virtuellen Therapie können diese Schwierigkeiten überwunden werden und flexible und kostengünstige Lösungen bieten. Am CAMH forschen wir an ausschließlich virtuellen Tagesprogrammen, die vielversprechend sind und dieselbe Intensität bieten wie herkömmliche Rehabilitationsprogramme. Dabei kann auf die physikalischen Infrastruktur verzichtet werden, was Wartezeiten reduziert und die Behandlung besser zugänglich macht. Vor dem Hintergrund des imminenten Anstiegs der Verfügbarkeit von Alkohol in [der kanadischen Provinz] Ontario müssen wir unbedingt darüber nachdenken, wie wir den Zugang zu einer Therapie verbessern können. Eine erhöhte Verfügbarkeit von Alkohol führt wahrscheinlich zu höherem Konsum, und zugängliche virtuelle Behandlungsprogramme könnten dieses Problem angehen, indem sie für diejenigen, die sie brauchen, die so wichtige Versorgung bieten.“ Zu der Veröffentlichung in „The Lancet Public Health“ ist ein Kommentar mit dem Titel „Alcohol in France: room for improvement“ erschienen.
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