Alkoholbedingte Hirnschäden schreiten während Abstinenz weiter fort10. April 2019 Foto: © alexlmx- Fotolia.com Hirnschäden durch Alkohol schreiten auch nach einem Entzug für mindestens sechs Wochen fort. Das berichtet ein internationales Forscherteam und warnt, dass durch übermäßigen Alkoholkonsum verursachte Strukturdefizite im Gehirn weit früher auftreten können, als gegenwärtig angenommen. Wer nach schwerem und langanhaltendem Alkoholkonsum eine Entzugskur beginnt, leidet noch eine ganze Weile unter den Folgeerscheinungen seiner Krankheit. Wie ein Forscherteam des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim und des Instituto de Neurociencias de Alicante (Spanien) nachweisen konnte, schreiten alkoholbedingte Schädigungen im Gehirn noch für mindestens sechs Wochen fort, auch wenn der Betroffene in der Zwischenzeit völlig abstinent war. Bisher war man davon ausgegangen, dass sich alkoholbedingte Schäden schnell zurückbilden, wenn man mit dem Trinken aufhört. Von den Schädigungen betroffen ist vor allem die weiße Substanz des Gehirns. Deutliche mikrostrukturelle Schädigungen nachgewiesen In der Studie, die an der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am ZI durchgeführt wurde, untersuchten die Forscher bei mehr als 90 Patienten mittels Diffusion Tensor Imaging (DTI) die Veränderung im Nervengewebe nach dem Alkoholentzug. Bei den Patienten konnten auf diese Weise ausgedehnte mikrostrukturelle Schädigungen nachgewiesen werden. Überraschenderweise stellten die Forscher fest, dass die Schädigungen selbst über einen Zeitraum von mindestens sechs Wochen nach der Entgiftung noch fortschritten. Die Forscher glauben, dass dies durch eine alkoholbedingte Entzündungsreaktion im Gehirn verursacht werden könnte. Diese Reaktion könnte auch für die hohe Rückfallrate von Patienten, insbesondere während der frühen Phase der Abstinenz, eine Rolle spielen. Alkohol als Ursache der Hirnveränderungen identifiziert Um Alkohol als den ursächlichen Faktor der beobachteten Hirnveränderungen feststellen zu können, untersuchten die Forscher mit der gleichen Methodik eine Gruppe von Ratten. „Die Tiere zeigten im MRT genau die gleichen Hirnveränderungen wie die Patienten. Dies erlaubt es, den Ursachenzusammenhang klar festzustellen, was allein durch klinische Beobachtungen am Patienten nicht möglich gewesen wäre“, sagte Prof. Wolfgang Sommer, stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Psychopharmakologie und Oberarzt an der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am ZI. Andere Einflussfaktoren wie Rauchen, Ernährung, Schweregrad des Entzugs oder weitere Erkrankungen und geistige Einschränkungen konnten die Forscher so ausschließen. Dauerhafte Schäden treten viel früher auf als bislang bekannt „Die im Vergleich zu Menschen kurze und eher gemäßigte Trinkperiode der Tiere deutet darauf hin, dass permanente Gehirndefizite nach übermäßigem Alkoholkonsum viel früher auftreten können, als derzeit angenommen“, warnt Sommer. Da sich solche frühen Anzeichen von Gehirnschädigungen durch übermäßigen Alkoholkonsum mit Hilfe von Standard-MRT-Aufnahmen nicht erkennen lassen, arbeitet das mit Hilfe des EU-Programms Horizon 2020 geförderte Forscherteam nun an der Entwicklung einer MRT-basierten Screening-Methode zum Nachweis der Schädigung. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen zudem, wie wichtig langfristige Abstinenzperioden sind, um bleibende Schäden zu verhindern. Originalpublikation: De Santis S. et al.: Microstructural White Matter Alterations in Men With Alcohol Use Disorder and Rats With Excessive Alcohol Consumption During Early Abstinence. JAMA Psychiatry, 3. April 2019
Mehr erfahren zu: "Körperliche und geistige Aktivität beeinflussen Alzheimer-Biomarker positiv" Körperliche und geistige Aktivität beeinflussen Alzheimer-Biomarker positiv Studie aus der Mayo Clinic zeigt: Bei älteren Erwachsenen ohne Demenz hängt regelmäßige körperliche und geistige Aktivität mit günstigeren Verläufen von Alzheimer-Biomarkern zusammen – weniger Amyloidablagerung, geringere synaptische Dysfunktion und […]
Mehr erfahren zu: "Psychische Belastung bei CED-Diagnose: Studiendaten sprechen für Beteiligung reeller Effekte der Darm-Hirn-Achse" Weiterlesen nach Anmeldung Psychische Belastung bei CED-Diagnose: Studiendaten sprechen für Beteiligung reeller Effekte der Darm-Hirn-Achse Die Prävalenz psychischer Auffälligkeiten wie Ängsten oder Depressionen ist bei Patienten mit diagnostizierten Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) recht hoch. Es ist jedoch ungeklärt, ob diese Symptome auf reelle Darm-Hirn-Effekte zurückzuführen sind […]
Mehr erfahren zu: "Wie und warum Bewegungsstörungen entstehen" Wie und warum Bewegungsstörungen entstehen Ein Interview mit der Autorin Dr. Lisa Harder-Rauschenberger und dem Autor Prof. Dr. Chi Wang Ip aus der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) zur Rolle von peripheren […]