Alle gleich? Symposium beleuchtete die Bedeutung des Geschlechts für Medizin und Forschung

Gabriela Riemekasten, Leiterin des Organisationsteams der Veranstaltung sowie Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des Exzellenzclusters PMI, eröffnet das Symposium „Sex and Gender Aspects in Precision Medicine“. (Foto: © S. Weimar, PMI/Uni Kiel)

In der Medizin ist das Geschlecht oft noch ein vernachlässigter Faktor, stellt jedoch tatsächlich eine wertvolle Dimension für die Forschung und die Gesundheitsversorgung dar. Der Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) thematisierte dies aktuell auf einem Symposium.

Wie ist der aktuelle Stand der geschlechtersensiblen Medizin, insbesondere in Bezug auf chronische Entzündungen? Welche Potenziale bieten genderspezifische Aspekte für die biomedizinische Forschung? Und: Warum sind Frauen in der Wissenschaft immer noch unterrepräsentiert? Um diese Fragen auf die Agenda zu bringen, hatte der Exzellenzcluster PMI am 9. November zum Symposium „Sex and Gender Aspects in Precision Medicine“ ins Kieler Atlantic Hotel geladen. Rund 90 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachbereichen, insbesondere aus der klinischen und biomedizinischen Forschung sowie der geschlechtersensiblen Medizin, waren der Einladung gefolgt, um gemeinsam mit den geladenen Sprecherinnen und Sprechern diese Fragen auszuloten.

Den ersten Teil des Symposiums, mit dem Schwerpunkt geschlechtssensible Medizin, eröffnete Prof. Marek Glezerman von der Universität Tel Aviv (Israel). Er ist Gynäkologe, Gendermediziner und Buchautor („Frauen sind anders krank. Männer auch.“) und einer der weltweit renommiertesten Forscher zum Thema geschlechtsspezifische Medizin. Glezerman sprach über Geschlechtsunterschiede in der Medizin, wie beispielsweise Schmerzempfinden und Nebenwirkungen, und über die Bedeutung von geschlechts- und genderbewussten Medizin für die Präzisionsmedizin. Es folgten weitere Beiträge hochkarätiger Fachleute zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei chronischen Darmentzündungen, bei Impfungen und bei Herz-Kreislauferkrankungen.

„Bei mehreren Entzündungserkrankungen, wie beispielsweise Lupus und Rheuma, sehen wir sehr deutliche Unterschiede in der Geschlechtsverteilung bei den Erkrankten“, betont Professorin Gabriela Riemekasten, Leiterin des Organisationsteams der Veranstaltung sowie Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des Exzellenzclusters PMI. „Aber auch bei anderen Entzündungserkrankungen, bei denen es nicht so offensichtlich ist, spielt das Geschlecht der Patientinnen und Patienten eine Rolle, die bisher zu wenig beachtet worden ist. Wenn wir aber eine echte Präzisionsmedizin etablieren möchten, können wir diesen wichtigen Faktor nicht außen vor lassen.“

Der zweite Teil der Veranstaltung hatte den Schwerpunkt „Genderaspekte in der Wissenschaft“. Die Keynote-Lecture hielt Prof. Sabine Oertelt-Prigione, Internistin und Professorin für geschlechtersensible Medizin an der Universität Bielefeld und Professorin für Gendermedizin an der Radboud University in Nijmegen (Niederlande). Sie sprach darüber, warum biomedizinische Forschung geschlechts- und gendersensibel sein muss. Die weiteren Vorträge der geladenen Expertinnen schlugen die Brücke zu der Frage, warum Frauen in der Wissenschaft immer noch unterrepräsentiert sind, was man dagegen tun kann und welche Potentiale in einer ausgeglichenen Geschlechterverteilung liegen.

Die Veranstaltung schloss ein interner Workshop von weiblichen Clustermitgliedern zusammen mit den geladenen externen Speakern. Gemeinsam loteten sie aus, welche weiteren Schritte der Cluster PMI aus den diskutierten Punkten ziehen kann. „Die neu gewonnenen Erkenntnisse werden auch in unseren Antrag des Exzellenzclusters PMI zu einer weiteren Förderphase einfließen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die geschlechter- und gendersensible Medizin zukünftig auch in die Arbeit unseres Exzellenzclusters stärker mit einzubeziehen und uns auch weiterhin für die Förderung von Frauen in der Wissenschaft einzusetzen“, sagt Prof. Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters PMI. Eine wichtige Maßnahme des Exzellenzclusters zur Förderung der Chancengleichheit ist die Verleihung des Dorothea-Erxleben-Forscherinnenpreises an hervorragende Wissenschaftlerinnen aus dem Cluster.