„Allergieepidemie“ als Folge von Klimawandel und Urbanisierung29. Oktober 2024 Foto: Gerhard Seybert/stock.adobe.com Allergien sind auf dem Vormarsch. Der Anstieg sei eine große Herausforderung für das Gesundheitswesen, betont Dr. Pascal Werminghaus. Um die „Allergieepidemie“ zu bremsen, brauche es mehr präventive Therapieansätze und Behandlungskapazitäten. „Der Bedarf an Diagnostik- und Behandlungsmethoden durch allergologisch tätige HNO-Fachärzte wird in Zukunft steigen“, erklärt Werminghaus weiter. Künstliche Intelligenz (KI), Big Data und personalisierte Behandlungen könnten die Patientenversorgung dabei bald unterstützen. Die Zunahme allergischer Erkrankungen habe verschiedene Ursachen, erläutert der Düsseldorfer HNO-Arzt: „Als wichtige Faktoren für die Zunahme der Erkrankung sind der Klimawandel, durch den sowohl die Länge der Pollensaison, als auch die Allergenprofile verändert werden, sowie die zunehmende Urbanisierung zu nennen.“ Weil die Menschen in den Städten weniger mit reizauslösenden Stoffen, wie Gräser- und Baumpollen oder Tierhaaren, in Berührung kommen, gerate das Immunsystem heute schneller aus dem Takt. Aber auch Umweltgifte, wie Auto- oder Industrieabgase, sowie aus anderen Regionen eingeschleppte Pflanzenarten, können das empfindliche Ökosystem stören und Allergien begünstigen. Breite Palette von Allergiepräparaten Bei allergischen Beschwerden sei die Konsultation eines allergologisch versierten Facharztes ratsam, so Werminghaus weiter. Standard sei bisher die molekulare Allergiediagnostik. In Zukunft können über bestimmte Biomarker personalisierte Immunprofile erstellt werden, um die Erfolgschancen des Patienten bei der allergenspezifischen Immuntherapie optimal vorhersagen zu können. Dank der Therapieallergene-Verordnung stehe in Deutschland eine breite Palette sehr sicherer und wirksamer Allergiepräparate zur Auswahl. „In hochwertigen Phase II- und Phase III-Studien konnte die Zulassung von Präparaten für Gräser-, Baumpollen- oder Hausstaubmilbenallergiker geebnet werden, sodass Patienten mit Präparaten behandelt werden können, deren Effektivität in klinischen Studien von höchster wissenschaftlicher Güte nachgewiesen werden konnte“, erklärt Werminghaus. Bei wem eine Allergie festgestellt werde, der müsse sich auf eine langfristige Therapie einstellen, so Werminghaus weiter: „Eine wesentliche Herausforderung trotz guter AIT-Präparate ist die Therapie-Compliance. Viele Patienten brechen die Behandlung vorzeitig ab, also vor Abschluss der dreijährigen Therapiedauer.“ Um die Therapietreue zu erhöhen, könnten digitale Tools, wie mobile Apps und Telemedizinplattformen, zum Einsatz kommen. „Sie bieten neue Möglichkeiten, die Compliance zu optimieren, indem Patienten an die Therapie erinnert werden oder indem eine engmaschige Kommunikation mit den behandelnden Ärzten ermöglicht wird.“ Immunologie eröffnet vielversprechende Möglichkeiten Gleichzeitig werde an neuen Behandlungsansätzen für die allergische Rhinitis geforscht, erläutert Facharzt Werminghaus. „Neben der Kontrolle und der Qualität etablierter Behandlungsansätze eröffnen sich über die Immunologie vielversprechende therapeutische Ansätze für die allergische Rhinitis.“ Vielversprechend seien dabei vor allem die Verknüpfungen zu angrenzenden Behandlungsfeldern wie der Immuntherapie bei Tumoren, der Antikörpertherapie bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen sowie der Etablierung neuer immunologischer Plattformen aus der Impfforschung. Monoklonale Antikörper, die Symptome der allergischen Rhinitis kontrollieren, seien bereits in breiter klinischer Erprobung. Auch der Einsatz neuer Technologien zeichne sich für die Zukunft ab: „Künstliche Intelligenz und Big Data helfen nicht nur in der Etablierung dieser neuen Therapiemodelle, sondern es ergeben sich auch konkrete Anwendungsmöglichkeiten für die HNO-Facharztpraxis von morgen. Es geht darum, personalisierte Behandlungsansätze zu finden und die AIT mit weiteren medikamentösen Therapieansätzen bestmöglich kombinieren zu können.“ Um den Anstieg der „Allergieepidemie“ abzubremsen, werden in der Zukunft darüber hinaus präventive Therapieansätze von großer Bedeutung sein, so Werminghaus weiter: „Hier wird es gelten, die verschiedenen Ansätze von primärer Prävention, also von Vermeidung von Allergenquellen, zur sekundären Prävention, also frühzeitiger Exposition bei gefährdeten Patienten, in einen sinnvollen Einklang zu bringen.“ Eine wesentliche Rolle für die Kontrolle über allergologische Erkrankungen im deutschen Gesundheitswesen werde daher auch in Zukunft den allergologisch tätigen HNO-Fachärzten zuteil, die in enger Zusammenarbeit mit den anderen allergologischen Fachdisziplinen präventive Strategien, Diagnostik und Therapie in der Bevölkerung umsetzen und dem betroffenen Patienten als primärer Ansprechpartner dienen.
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