Alzheimer bei Mäusen mithilfe von Nanopartikeln geheilt14. Oktober 2025 Lichtblattfluoreszenzmikroskopische Aufnahme des Gehirns einer Maus 12 Stunden nach der Behandlung mit Nanopartikeln zeigt eine deutliche Reduktion an Aβ-Plaques. Rot: Aβ-Plaques. Grün: Gefäße der Blut-Hirn-Schranke. (Bild: © Institute for Bioengineering of Catalonia) Forschende haben mithilfe von Nanopartikeln eine Umkehr der Alzheimer-Pathologie in Mäusen erreicht. Der neue Ansatz zur Behandlung der Krankheit konzentriert sich – anders als bisherige Ansätze – auf die Wiederherstellung der normalen Funktion des Gefäßsystems. Ein Forschungsteam unter der gemeinsamen Leitung des Instituts für Bioingenieurwesen Kataloniens (Spanien) und der West China Hospital Sichuan University (China) hat in Zusammenarbeit mit Partnern im Vereinigten Königreich eine Nanotechnologiestrategie demonstriert, die Alzheimer bei Mäusen umkehrt. Im Gegensatz zur traditionellen Nanomedizin, die auf Nanopartikel als Träger für therapeutische Moleküle setzt, werden bei diesem Ansatz Nanopartikel eingesetzt, die selbst bioaktiv sind: „supramolekulare Arzneimittel“. Anstatt direkt auf Neuronen abzuzielen, stellt die Therapie die ordnungsgemäße Funktion der Blut-Hirn-Schranke (BHS) wieder her. Gehirn und Blutversorgung: Warum Gefäße so wichtig sind Das Gehirn ist das energieaufwendigste Organ des Körpers und verbraucht bei Erwachsenen 20 Prozent und bei Kindern bis zu 60 Prozent der Energie. Diese gelangt über eine dichte und spezialisierte Blutversorgung ins Gehirn, sodass jede Nervenzelle von einer eigenen Kapillare mit Nährstoffen versorgt wird. Dadurch enthält das Gehirn etwa eine Milliarde Kapillaren, was die entscheidende Rolle der Gehirngefäße für die Aufrechterhaltung der Gesundheit und die Bekämpfung von Krankheiten unterstreicht. Diese Erkenntnisse verdeutlichen den Forschenden zufolge die zentrale Bedeutung der Gefäßgesundheit, insbesondere bei Erkrankungen wie Demenz und Alzheimer, bei denen ein geschädigtes Gefäßsystem eng verknüpft ist. Amyloid-β: Abfallprotein und zentrales Problem bei Alzheimer Das Team zeigte, dass ein gezielt aktivierter Mechanismus die Entfernung von im Gehirn entstehenden „Abfallproteinen“ über den Blutkreislauf ermöglicht. Bei der Alzheimer-Erkrankung ist dies Amyloid-β (Aβ), dessen Anhäufung die normale Funktion der Neurone beeinträchtigt. Die Forschenden verwendeten Mausmodelle, die genetisch so programmiert sind, dass sie größere Mengen an Aβ-Protein produzieren. Dadurch entwickeln sie einen erheblichen kognitiven Rückgang, der der Alzheimer-Pathologie ähnelt. Sie verabreichten nur drei Dosen der supramolekularen Medikamente und überwachten anschließend regelmäßig die Entwicklung der Krankheit. „Nur eine Stunde nach der Injektion beobachteten wir eine Reduzierung der Aβ-Menge im Gehirn um 50 bis 60 Prozent“, erklärt Junyang Chen, erster Co-Autor der Studie. Therapeutische Effekte und Verhaltenstests Die auffälligsten Daten waren die therapeutischen Effekte. Die Forscher führten verschiedene Experimente durch, um das Verhalten der Tiere zu analysieren und ihren Gedächtnisverlust über mehrere Monate hinweg in allen Stadien der Krankheit zu messen. In einem der Experimente behandelten sie eine zwölf Monate alte Maus (entspricht einem 60-jährigen Menschen) mit den Nanopartikeln und analysierten ihr Verhalten nach sechs Monaten. Die Analyse zeigte, dass das 18 Monate alte Tier (vergleichbar mit einem 90-jährigen Menschen) das Verhalten einer gesunden Maus wiedererlangt hatte. „Der Langzeiteffekt ergibt sich aus der Wiederherstellung des Gefäßsystems im Gehirn. Wir gehen davon aus, dass es wie eine Kaskade funktioniert: Wenn sich toxische Spezies wie Aβ ansammeln, schreitet die Krankheit voran. Sobald das Gefäßsystem jedoch wieder funktionsfähig ist, beginnt es, Aβ und andere schädliche Moleküle auszuscheiden. Dadurch kann das gesamte System sein Gleichgewicht wiederherstellen. Bemerkenswert ist, dass unsere Nanopartikel wie ein Medikament wirken. Sie scheinen einen Rückkopplungsmechanismus zu aktivieren, der diesen Ausscheidungsweg wieder in Gang setzt“, berichtet Giuseppe Battaglia, Leiter der Studie. Amyloid-β-Clearance aus dem Gehirn Bei Alzheimer funktioniert das natürliche Clearance-System des Gehirns nicht mehr richtig. Normalerweise fungiert das Protein LRP1 als molekularer Gatekeeper. Es erkennt Aβ, bindet über Liganden daran und transportiert es über die BHS in den Blutkreislauf, wo es entfernt wird. Aber dieses System ist fragil. Wenn LRP1 zu viel Aβ zu fest bindet, verstopft der Transport und das Protein selbst wird in den Zellen der Hirnbarriere abgebaut. Dadurch sind weniger LRP1-„Träger“ verfügbar. Bindet es hingegen zu wenig, ist das Signal zu schwach, um den Transport auszulösen. Das Ergebnis: Aβ reichert sich im Gehirn an. Den Forschenden zufolge wirken die in dieser Arbeit entwickelten supramolekularen Medikamente wie ein Schalter, der das System neu startet. Sie imitieren LRP1-Liganden, binden an Aβ, überwinden die BHS und initiieren die Entfernung toxischer Spezies. Damit stellt das Gefäßsystem seine natürliche Funktion als Abfallbeseitigungsweg wieder her. Nanopartikel zur Behandlung von Alzheimer Die in dieser Studie erprobten Nanopartikel wurden mit einem Bottom-up-Molekular-Engineering-Ansatz entwickelt und kombinieren eine präzise Größenkontrolle mit einer definierten Anzahl von Oberflächenliganden. Dadurch entstehe eine multivalente Plattform, die auf hochspezifische Weise mit zellulären Rezeptoren interagieren könne, erklären die Forschenden. Indem sie den Rezeptortransport an der Zellmembran aktivieren, modulieren sie die Rezeptorfunktion. Diese Präzision ermöglicht die Entfernung von Aβ aus dem Gehirn und stellt gleichzeitig das Gleichgewicht im Gefäßsystem wieder her, das für eine gesunde Gehirnfunktion entscheidend ist. Dieses Therapieparadigma eröffne neue Möglichkeiten für die Entwicklung klinischer Strategien, die gezielt vaskuläre Funktionen modulieren und Aβ abbauen, sind die Forschenden überzeugt. (lj/BIERMANN)
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