Amblyopie-Therapie: Sensorgestützte Shutterbrille soll Therapieadhärenz verbessern12. Dezember 2017 Demo-Bild: Kind mit Shutterbrille. Foto: Augenklinik Sulzbach Ein Forscherteam der Augenklinik Sulzbach entwickelt eine kontextsensitive Shutterbrille zur Verbesserung der Amblyopie-Therapie bei Kindern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Verbundprojekt. „Schwachsichtigkeit bei Kindern (Amblyopie) behandeln Ophthalmologen durch Abkleben des gesunden Auges – das ist der Goldstandard in der Behandlung seit rund 50 Jahren“, betont die Augenklinik Sulzbach. Dadurch werde das schwachsichtige Auge „trainiert“, genauer: „Das Gehirn lernt die Signale des schwachsichtigen Auges anzunehmen und in die Gesamtwahrnehmung zu integrieren.“ Der entscheidende Erfolgsfaktor in der Therapie sei jedoch die Okklusionszeit und wegen schlechter Akzeptanz verfehlten bisher viele Therapien ihr Ziel. Die Therapieadhärenz solle deshalb durch die neue, kontextsensitive Technologie einer interaktiven Shutterbrille mit sensorischem Feedback verbessert und objektiv überprüfbar werden. „Die schwierigere Behandlung kleiner Kinder erfährt damit hoffentlich einen entscheidenden Durchbruch“, so die Augenklinik. Weil das lästige Abkleben des gesunden Auges entfalle und sich die interaktive Brille individuell an das Aktivitätsniveau des Kindes anpasse, solle die neue Shutterbrille das permanente Tragen erleichtern. Die Entwicklung der neuen Shutterbrille zur individualisierten Therapie von Schwachsichtigkeit sei das Gesamtziel eines Verbundprojektes unter der medizinischen Leitung von Prof. Kai Januschowski und Dr. Annekatrin Rickmann. Interaktive Shutterbrille Im Einsatz sind nach Angaben der Klinik aktuell auch „einfache“ Shutterbrillen ohne intelligente Sensorunterstützung, die rhythmisch einen Hell-Dunkel-Wechsel durch Verdecken des Sichtfeldes erzeugen. Die interaktive Shutterbrille hingegen passe sich aufgrund ihrer kontextsensitiven Sensoren an das Bewegungsniveau des Nutzers an und könne sogar beim Sport getragen werden. Die Technik, so heißt es, sei erstmals kindgerecht und biete eine schlüssige Lösung für das Problem der oft schlechten Akzeptanz der heutigen Therapien. Januschowski berichtet: „Die Entwicklung einer sensorgestützten Shutterbrille ist weltweit ein einzigartiges Projekt. Die moderne Technologie für die Zielgruppe Kinder und Jugendliche könnte sogar potenziell eine Option für Erwachsene darstellen“. Ein weiterer Vorteil liege darin, dass die Shutterbrille dem Arzt fortlaufend Daten für das Monitoring liefern könne und damit den Therapieplan sinnvoll unterstütze. Nach Auswertung aller Sensordaten gebe die Brille dem Träger pro Tag ein kindgerechtes Feedback. Zudem könnten Eltern mittels einer App Okklusionszeiten und Trageverhalten beobachten. Herausforderung: Therapieadhärenz signifikant erhöhen Die Robustheit und Zuverlässigkeit des Feedbackmechanismus und die kontextsensitive Interaktion sind wesentliche Aspekte im Hinblick auf die Therapieadhärenz. Hierzu erklärt Rickmann: „Die eigentliche Herausforderung in der Therapie besteht darin, dass die Therapieadhärenz mit den gängigen Verfahren nicht objektiv überprüfbar ist und die Behandlung dadurch versagen kann“. Insbesondere beim Verdecken des gut sehenden Auges mit einem vom Kind schlecht akzeptierten Klebepflaster sei dies der Fall. Selbst mit den aktuell gängigen „einfachen“ Shutterbrillen sei die Therapieadhärenz häufig unzureichend, weshalb unnötig viele Therapien ihr Ziel verfehlten. Januschowski ergänzt: „Mit unseren interdisziplinären Aktivitäten wollen wir hier in Sulzbach bessere Voraussetzungen bei der Therapie der Amblyopie schaffen. Wir haben hier sehr gute Strukturen und ein Expertenteam aufgebaut, um die schnelle und effiziente Umsetzung der präklinischen Forschung in die klinische Behandlung der Schwachsichtigkeit umsetzen zu können“. Dazu zähle auch die enge Anbindung an die Sehschule der Augenklinik. So greife alles ineinander: der translationale, bereichsübergreifende Ansatz in enger Zusammenarbeit mit den Experten der Sehschule sowie den Operateuren. Kooperationsprojekt Das BMBF fördert das Kooperationsprojekt zwischen der Augenklinik Sulzbach, dem Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) und dem Medizintechnologieunternehmen Novidion. Das Projekt beinhaltet die Entwicklung eines interaktiven Medizingerätes mit direkt am Körper getragenen Sensoren und Aktoren. Seit April 2017 läuft die technische Entwicklung der Brille und ist auf drei Jahre ausgelegt. Dann soll ein erster Demonstrator bereitstehen und in einer Studie getestet werden. Quelle: Augenklinik Sulzbach
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