Ambulante Operationen bei Kindern: KVWL und HNO-Ärzte warnen vor Kollaps

Immer weniger HNO-Ärzte bieten ambulante Eingriffe zur Verkleinerung der Rachenmandeln, der Gaumenmandeln sowie der Paukenröhrchen-Einlage an. (Foto: © Aleksandr – stock.adobe.com)

Die Nachfrage steigt, das Angebot sinkt: Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) und die Landesgruppe Westfalen des Berufsverbands der Hals-Nasen-Ohrenärzte (BV HNO) warnen eindringlich vor einem drohenden Versorgungsengpass in der ambulanten HNO-Kinderchirurgie.

Seit Anfang 2023 weisen die niedergelassenen HNO-Ärzte bereits auf die kritische Versorgungslage bei Eingriffen zur Verkleinerung der Rachenmandeln, der Gaumenmandeln sowie der Paukenröhrchen-Einlage hin. Ursache ist die unzureichende Abbildung der OP-Kosten in der ambulanten Vergütung, die auf Bundesebene geregelt wird. Weil deshalb immer weniger HNO-Operateure entsprechende Eingriffe anbieten, kommt es zu vermehrten Wartezeiten auf einen OP-Termin. Die Folge: Betroffene Kinder leiden unter Hör-, Atem-, Schlaf- und Sprachentwicklungsstörungen. 

„Es ist bereits fünf nach zwölf! Wenn die Politik jetzt nicht aufwacht und angemessene Vergütungsstrukturen für ambulante HNO-Eingriffe bei Kindern schafft, bricht das System sukzessive zusammen. Wenn die Eingriffe im frühen Kindesalter nicht mehr durchgeführt werden können, drohen massive Folge- und Entwicklungsschäden. Das dürfen wir als Gesellschaft nicht einfach hinnehmen. Die Kinder sind doch unsere Zukunft!“, mahnt Dr. Klaus-Peter Tillmann, Landesvorsitzender des Berufsverbands der Hals-Nasen-Ohrenärzte.

„Vergütungsschere muss geschlossen werden“

„Hinzu kommen auch noch enorme Kosten für das Gesundheitswesen, die aus einer zu spät erfolgten Behandlung resultieren würden. Daher muss der Gesetzgeber für das ambulante Operieren von Kindern endlich eine angemessene Vergütung gewährleisten. Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, warum der gleiche Eingriff stationär erheblich besser honoriert wird als ambulant. Die Differenz beträgt in manchen Fällen das Zehnfache. Diese Vergütungsschere muss geschlossen werden“, ergänzt Dr. Stephan Hohner, Bezirksvorsitzender im Münsterland des BV HNO.

Dem Berufsverband zufolge hat sich die Lage durch die NRW-Krankenhausreform noch einmal verschärft. Tillmann: „Mehr als 30 HNO-Belegabteilungen sind in den vergangenen Wochen geschlossen worden. In den Abteilungen wurden mehr als 4000 Operationen durchgeführt, mit einem Großteil an Mandel- und Mittelohroperationen bei Kindern. Dies hat den Druck auf die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen jetzt noch einmal erhöht. Bleibt eine angemessene Vergütung aus, werden sich noch mehr Operateure zurückziehen.“

Die KVWL unterstützt die Forderung des Berufsverbands der Hals-Nasen-Ohrenärzte, die Mandel- und Mittelohroperationen bei Kindern in den Katalog der Hybrid-DRG zu überführen, der für eine Auswahl von Eingriffen und Operationen seit 2024 eine spezielle sektorengleiche Vergütung vorsieht. Diese Fallpauschalen werden unabhängig davon gezahlt, ob der Eingriff ambulant oder stationär erfolgt. Für die Aufnahme der Mandel- und Mittelohroperationen bei Kindern in den Katalog der Hybrid-DRG ist eine Gesetzänderung notwendig. Der entsprechende Paragraf (SGBV, 115f) schließt Patienten, die unter 18 Jahre alt sind, bislang aus.

„Baustein für ein starkes Fundament der ambulanten Versorgung“

Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KVWL erklärt: „Wir unterstützen die Forderung des Berufsverbands ausdrücklich: Die neue Leitung des Bundesgesundheitsministeriums muss hier schnell und entschlossen handeln. Wir dürfen mit der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nicht leichtfertig umgehen. Erst vor wenigen Tagen haben wir als KVWL unser Konzept für ein starkes Fundament der ambulanten Versorgung vorgestellt. Ein Baustein bildet dabei das noch stärkere Einbinden der HNO-Ärzte im ambulanten Bereich. Allerdings müssen dafür dieselben Rahmenbedingungen im stationären wie ambulanten Sektor gelten. Eine Ausweitung des Hybrid-DRG-Leistungskatalogs ist daher unabdingbar!“