Anästhesisten begrüßen Entwurf zur Notfallreform, fordern aber präzise Anpassungen28. Juni 2024 Symbolfoto: ©MQ-Illustrations/stock.adobe.com Die deutschen Anästhesisten begrüßen in einer aktuellen Stellungnahme die geplante Reform der Notfallversorgung, sehen aber auch Nachbesserungspotential. „Die Zielrichtung der Reform, die bestehenden Defizite in der Akut- und Notfallversorgung zu adressieren und eine effizientere Steuerung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten, ist richtig – und notwendig“, betont Prof. Benedikt Pannen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI). Gemeinsam mit dem Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) weisen die Fachverbände in ihrer Stellungnahme an das Bundesgesundheitsministerium aber auch auf einige Aspekte hin, die nachgebessert werden sollten. Grundsätzlich befürworten die Verbände die Einrichtung von Integrierten Notfallzentren (INZ), welche Notaufnahme, Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und eine zentrale Ersteinschätzungsstelle umfassen sollen. Positiv wird auch die Leitung der Ersteinschätzungsstelle durch das Krankenhaus und die organisatorische Regelung der Abläufe in einer Kooperationsvereinbarung zwischen Krankenhaus und KV hervorgehoben. DGAI und BDA fordern jedoch, dass die Versorgung in den INZ-Strukturen im KV-Bereich ausschließlich von Allgemeinärzten oder allgemeinärztlich tätigen Internisten durchgeführt wird, um eine umfassende Betrachtung der Patienten zu gewährleisten. Zudem müsse nichtärztliches Personal (MFA oder Pflegekräfte) in den INZ rund um die Uhr verfügbar sein. Um redundante Parallelstrukturen zu vermeiden und somit die Versorgung zu verbessern, empfehlen die Expertinnen und Experten außerdem, die speziellen INZ für Kinder und Jugendliche organisatorisch mit den allgemeinen INZ zu vernetzen. Kritik äußern die Verbände am geplanten Ersteinschätzungssystem „SmED“. Dieses sei bisher unzureichend wissenschaftlich validiert und noch nicht für die klinische Praxis geeignet. „Bereits jetzt werden in den Zentralen Notaufnahmen weltweit anerkannte Ersteinschätzungsverfahren angewendet, die dem ‚SmED‘ überlegen sind“, erklärt Prof. Jörg Christian Brokmann, stellvertretender Sprecher der Sektion Notfallmedizin und Leiter des Arbeitskreises Zentrale Notaufnahme in der DGAI. Zudem mahnen die Verbände Nachbesserungen bei den festgelegten Mindest-Öffnungszeiten der kooperierenden Notdienstpraxen an. Öffnungszeiten bis 21 Uhr seien nicht ausreichend, um eine umfassende Akut- und Notfallversorgung sicherzustellen. Um die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu entlasten, seien längere Öffnungszeiten der Notdienstpraxen am Abend dringend erforderlich. In ihrer Stellungnahme weisen BDA und DGAI zudem darauf hin, dass die Ausweitung der vertragsärztlichen Erstversorgung auf eine 24/7/365-Versorgung mit einem erheblichen zusätzlichen Personalbedarf im KV-Bereich einhergeht. „Es bleibt jedoch unklar, wie die notwendigen personellen Ressourcen gedeckt werden sollen,“ warnt BDA-Präsidentin Prof. Grietje Beck. Um die personellen Voraussetzungen für eine gut funktionierende Notfallversorgung zu gewährleisten, solle daher unbedingt geregelt werden, dass neben der Tätigkeit als Notarzt im Rettungsdienst auch die Tätigkeit als Arzt im Notdienst der KV (sog. Poolärzte) als sozialversicherungsfrei gilt. Den Einsatz von qualifiziertem nichtärztlichem Personal im Rahmen der aufsuchenden Dienste begrüßen beide Verbände. Dies könne einen Beitrag zur Sicherstellung der notdienstlichen Akutversorgung leisten. In einem weiteren Schritt müssten die Ausbildungscurricula entsprechend erweitert werden. DGAI und BDA begrüßen auch die Einrichtung von Akutleitstellen im Bereich der KVen und betonen hierbei die Notwendigkeit einer digitalen Fallweitergabe im Rahmen der Kooperationen von Rettungsleitstellen und Akutleitstellen. „Die technische Abstimmung der Rettungsleitstellen und der Akutleitstellen der KVen ist dringend notwendig“, so Brokmann. Dennoch geben beide Verbände zu bedenken: „Dies hängt jedoch von den technischen Voraussetzungen und dem Willen zur Kooperation der Träger der Rettungsleitstellen ab. Wünschenswert wäre daher, dass Gesetzgeber und Landesgesundheitsministerien die gesetzlichen Grundlagen so aufeinander abstimmen, dass Kooperationen flächendeckend verpflichtend werden”, erklärt Brokmann. Abschließend weisen DGAI und BDA darauf hin, dass die Notrufnummer 112 etabliert und einem Großteil der Bevölkerung bekannt ist. Für die Rufnummer 116117 gelte dies nicht in Gänze. Daher sei davon auszugehen, dass Hilfesuchende nach wie vor primär die 112 wählen. Die beiden Verbände plädieren daher dafür, nach wie vor die Notfallnummer 112 zu bevorzugen und die nachfolgende technische Weitergabe in Kooperationsvereinbarungen an andere Versorgungseinheiten (116117) vorzusehen. Dabei müsse sichergestellt werden, dass die bereits an einer Stelle erhobenen Patienten- oder einsatztaktischen Daten an die jeweils andere Leitstelle digital übergeben werden können. „Eine erfolgreiche Reform der Notfallversorgung erfordert nicht nur gut durchdachte strukturelle Änderungen, sondern auch klare Regelungen und ausreichende Ressourcen. Nur so kann eine umfassende und effiziente Versorgung der Patientinnen und Patienten sichergestellt werden“, verdeutlicht Prof. Michael Bernhard, zweiter Stellvertreter der Sektion Notfallmedizin und zweiter Sprecher des Arbeitskreises Zentrale Notaufnahme in der DGAI, der gemeinsam mit Brokmann an der Stellungnahme mitgearbeitet hat.
Mehr erfahren zu: "DMKG: Moderne Migränetherapien werden zu wenig genutzt" DMKG: Moderne Migränetherapien werden zu wenig genutzt Seit Jahren sind wirksame und gut verträgliche Migräneprophylaktika verfügbar, deren Anwendung auch von der aktuellen S1-Leitlinie empfohlen wird. Doch viele Menschen mit schwerer Migräne erhalten diese Medikamente erst spät. Das […]
Mehr erfahren zu: "KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen" KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen Was denken Patienten über Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin? Eine internationale Studie liefert eine Antwort. Zentrales Ergebnis: Je schlechter der eigene Gesundheitszustand, desto eher wird der Einsatz von KI […]
Mehr erfahren zu: "ESC2025: Was bringt die intravenöse Plättchenhemmung bei herzinfarktbedingtem kardiogenem Schock?" Weiterlesen nach Anmeldung ESC2025: Was bringt die intravenöse Plättchenhemmung bei herzinfarktbedingtem kardiogenem Schock? Im Vergleich zu oralem Ticagrelor bewirkte intravenös (i.v.) verabreichtes Cangrelor in der randomisierten Studie DAPT-SHOCK-AMI eine sofortige, wirksame Thrombozytenhemmung ohne Anstieg schwerer Blutungen und mit einer Tendenz zu niedrigeren Mortalitätsraten […]