Analyse bestätigt existenzbedrohende Auswirkungen der Krankenhausreform

Dr. Gerald Gaß: „letzte Weckrufe an die Länder, die Krankenhausreform in den Vermittlungsausschuss zu überweisen”. Foto: DKG/Otto

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat eine Auswirkungsanalyse zur Krankenhausreform vorgelegt, laut der das Vorhaben von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) in hohem Maße die flächendeckende Gesundheitsversorgung in Deutschland gefährdet.

Die Reform werde zu Abteilungs- und Standortschließungen vor allem in ohnehin schon schlechter versorgten Regionen führen, so das Ergebnis einer Untersuchung der Vebeto GmbH. Dabei handele es sich um einen Teil der Auswirkungsanalyse, die Minister Lauterbach bis heute schuldig geblieben sei, wie die DKG in einer Mitteilung betont. Eine von der DKG in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage zeige zudem, dass die überwiegende Mehrheit der Deutschen in den kommenden Jahren Engpässe in der Gesundheitsversorgung in Deutschland befürchte und nur wenig Vertrauen in das Gelingen der Reform des Bundesgesundheitsministers habe.

Besondere Verwerfungen in der regionalen Versorgung werden nach der Vebeto-Studie durch zwei Aspekte der Reform hervorgerufen:

  • Bei den Mindestvorhaltezahlen bestehe für kleinere Kliniken das Risiko, dass wesentliche Teile der bisherigen Vergütung ersatzlos wegbrechen.
  • Die Vorhaltefinanzierung schaffe keinerlei wirtschaftlichen Ausgleich, wenn kleinere und mittelgroße Krankenhäuser Leistungsgruppen verlieren.

Maßgeblich für die drohenden Versorgungseinschränkungen seien nach der Vebeto-Studie die „völlig untauglichen“ Vorhaltepauschalen. Diese würden eben nicht, wie es der Minister immer wieder behaupte, Krankenhäuser aus ihrer Fallzahlen-Abhängigkeit befreien und damit vor allem die Grundversorgung in ländlichen Regionen sichern. Vielmehr bestätige die Studie, dass die von der DKG immer monierten Kollateralschäden eintreten würden: Aufgrund der Mindererlöse bei steigenden Fallzahlen im Vergleich zum heutigen Finanzierungssystem würden Versorgungskapazitäten auch dort nicht entstehen, wo Versorgung dringend gebraucht wird. Die politisch gewollte Konzentration komplexer Behandlungsfälle in Zentren würde für diese Krankenhäuser mit erheblichen Verlusten und ungedeckten Zusatzkosten einhergehen. Die Simulation zeige, dass etwa 50 Prozent der „umverteilten Patienten“ an Standorte verteilt werden, bei denen diese Regelung zu massiven Erlösverlusten im Vergleich zum aktuellen Finanzierungssystem führen würde. Die Aufnahme dieser Patienten an diesen Standorten sei ökonomisch betrachtet nachteilig für diese Krankenhäuser. Die zusätzlichen Patienten, die durch die Reform in diese Häuser gesteuert würden, landeten deshalb wahrscheinlich zunächst auf Wartelisten, befürchtet die DKG.

Die Studie zeige ebenfalls, dass die Reform nicht die Existenz der ländlichen Krankenhäuser sichern könne, wie es Lauterbach immer wieder öffentlich versprochen habe. Diese Kliniken hätten im neuen Finanzierungssystem keine Chance, ihre Erlösverluste durch den politisch gewollten Wegfall einzelner komplexerer Behandlungsangebote zu kompensieren. „Hier leistet die Vorhaltefinanzierung tatsächlich gerade nicht die Strukturkostenfinanzierung, die dringend erforderlich wäre, um die Standorte zu sichern“, urteilt die DKG aufgrund der Studie. Die Folge werde sein, dass sich deren schon heute schlechte wirtschaftliche Lage nochmals dramatisch zuspitzen würde. Kleinere und mittelgroße Krankenhausstandorte würden deshalb in allen Bundesländern Einbußen zu erleiden haben, so die Ergebnisse der Analyse.

Als weiteres Problem erweisen sich nach der Studie die neu einzuführenden Mindestfallzahlen. Diese Mindestfallzahlen bei allen Leistungsgruppen würden an vielen Krankenhausstandorten dazu führen, dass die notwendige Planungssicherheit für die langfristige Etablierung von Leistungsangeboten nicht mehr gegeben sei. Gerade für Krankenhäuser in dünner besiedelten Regionen berechne die Studie ein hohes Risiko, in einzelnen Jahren immer wieder unter die Mindestfallzahlen zu rutschen. Dies habe existenzbedrohende Auswirkungen für diese Standorte, da sie dann ganzjährig die komplette Vorhaltefinanzierung für diese Leistungsgruppen verlören. Eine verlässliche mittel- und langfristige Personal- und Wirtschaftsplanung an diesen Standorten werde nicht mehr möglich sein. Für etwa ein Drittel der Standorte führten die Mindestvorhaltezahlen zu Erlösverlusten zwischen 3 und 30 Prozent, ür einen kleinen Teil der Standorte sogar zu mehr als 30 Prozent.

Großteil der Krankenhäuser kann Personal- und Strukturvorgaben nicht erfüllen

Zur Analyse der Auswirkungen eines weiteren zentralen Elements der Lauterbachschen Krankenhausreform hat das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) gesonderte Abfragen in den Kliniken durchgeführt. Dabei handelt es sich um die gegenüber dem NRW-Konzept verschärften Personal- und Strukturvorgaben der neuen Leistungsgruppen. 60 Prozent der Regel- und Schwerpunktkrankenhäuser gehen davon aus, dass sie die hohen Personalvorgaben nicht erfüllen können und deshalb bisherige Behandlungsangebote nicht mehr anbieten dürfen. Bei den Grundversorgungskrankenhäusern sind es sogar mehr als 80 Prozent der Kliniken. In der Folge würden alle diese Krankenhausstandorte massive Erlösverluste erleiden, die in keiner Weise durch die neue Vorhaltefinanzierung abgefedert würden. 99 Prozent der Grundversorgungsklinken gehen laut der DKI-Studie davon aus, dass die Vorhaltefinanzierung nicht ausreichen wird, um die anfallenden Kosten zu decken. Bei den Regel- und Schwerpunktkrankenhäusern sind es 97 Prozent, die entsprechend pessimistische Erwartungen haben. Klar sei deshalb, dass auch diese neuen Personalvorgaben zwingend dazu führen werden, dass kleinere und mittelgroße Klinikstandorte Leistungsangebote in der Patientenversorgung schließen müssen, so die Folgerung. Diese Schließungen könne die Landeskrankenhausplanung nicht verhindern, da es sich um bundesweite Vorgaben handelt, bei denen die Länder keinen eigenen Gestaltungsspielraum haben.

„Die Vebeto-Untersuchung und auch die DKI-Abfrage sind letzte Weckrufe an die Länder, aber auch die Verantwortlichen in der SPD, die in zentralen Bereichen untaugliche Krankenhausreform am 22. November in den Vermittlungsausschuss des Bundesrats zu überweisen. Die Länder und ihre Regierungen tragen Verantwortung für die Krankenhausversorgung von mehr als 83 Millionen Menschen. Für Schließungen und immer größer werdende weiße Flecken auf der Klinik-Landkarte werden sie am Ende geradestehen müssen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der DKG, Dr. Gerald Gaß. „Auch die derzeitige Regierungskrise darf kein Grund sein, dass die Länder nun diese in weiten Teilen untaugliche Reform durch den Bundesrat winken. Die Kollateralschäden der Reform sind vorhersehbar und dürfen bei der Entscheidung im Bundesrat nicht ignoriert werden. Wir wollen und brauchen eine Reform, aber eine richtige, die die Versorgung verbessert und nicht absehbar verschlechtert.

DKG-Umfrage zeigt Skepsis und Sorgen in der Bevölkerung

Eine von der DKG in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage zeigt, dass sich die Menschen in Deutschland ernsthafte Sorgen um ihre Gesundheitsversorgung machen. Die überwiegende Mehrheit sorgt sich um wegbrechende medizinische Versorgung. In den ostdeutschen Flächenländern, in denen viele Menschen bereits mit Unterversorgung konfrontiert sind, ist der Anteil noch einmal höher. Konkret dazu befragt, teilen nur 15 Prozent der Menschen die Ansicht des Ministers, dass regionale Krankenhäuser ohne Versorgungseinbußen geschlossen werden könnten. Besonders gering ist dieser Anteil bei den über 65-Jährigen, hier sind nur knapp 13 Prozent dieser Ansicht.

Die Skepsis der Bevölkerung gegenüber den Ankündigungen von Lauterbach ist sehr groß. Nur jeder Fünfte glaubt den Vorhersagen des Ministers, dass die Krankenhausreform den wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser verringert und zu Entbürokratisierung sowie einer besseren medizinischen Versorgung führen würde.

Besonders wichtig ist den Menschen die Erreichbarkeit eines Krankenhauses im Notfall. Mehr als die Hälfte hält eine mehr als 15-minütige Fahrzeit für nicht akzeptabel. Fahrzeiten von mehr als 30 Minuten bis zur nächsten Notaufnahme sind für nur noch rund fünf Prozent vorstellbar.
„Minister Lauterbach hat es versäumt, bei seinen Reformplänen die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen und die Realitäten der Gesundheitsversorgung in vielen Regionen zu erkennen. Die übergroße Mehrheit der Menschen steht heute den Absichten des Ministers skeptisch gegenüber. Das ist die direkte Folge des konfrontativen Ausgrenzungsprozesses, den der Minister in seiner Amtszeit praktiziert hat. Weder die Bundesländer in ihrer Verantwortung für die Krankenhausplanung, noch diejenigen, die in der praktischen Patientenversorgung tätig sind, wurden von ihm gehört und mitgenommen. Wenn es nicht noch gelingt, im Vermittlungsausschuss zu einer gemeinsam getragenen Reform zu kommen, müssen wir damit rechnen, dass die umstrittene Krankenhausreform und die Zukunft der Gesundheitsversorgung zu einem besonderen Wahlkampfthema werden“, sagt DKG-Vorstand Gaß.

(DKG/ms)