Aneurysmen bei Tumorerkrankten: Wenn die OP-Risiken zu groß werden

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Eine neue Studie zeigt, dass die Sterblichkeit von Krebskranken bei einer offenen Bauchaorten-Aneurysma(BAA)-Operation bei 8,2 Prozent liegt und damit das Risiko eines Risses im ersten Jahr deutlich übersteigt. Tumorerkrankte sollten deshalb, wann immer möglich, minimalinvasiv behandelt werden. Darauf weist die DGCH hin.

Die Elastizität der Blutgefäße kann mit der Zeit abnehmen, sodass sie immer weniger zu ihrer alten Form zurückkehren – es bildet sich dann häufig an den Gefäßwänden ein Aneurysma. „An der Bauchschlagader sollte ein Aneurysma ab einer Größe von 5–5,5 cm bei Frauen und ab 5,5 cm bei Männern operiert werden“, sagt Prof. Thomas Schmitz-Rixen, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). So sehen es die nationalen und internationalen Leitlinien vor. Diese Empfehlung gilt jedoch so nicht ohne weiteres für Patienten, deren Lebenserwartung aufgrund einer anderen Erkrankung deutlich eingeschränkt ist und bei <2–3 Jahren liegt. „Bei ihnen könnte das Operationsrisiko die Gefahr übersteigen, dass es in der verbleibenden Lebenszeit noch zum Aufreißen des Aneurysmas kommt“, erläutert Schmitz-Rixen. Das Risiko einer solchen Ruptur liegt bei 5,3 % pro Jahr.

Wie hoch das Operationsrisiko für Krebspatienten tatsächlich ist, war allerdings unklar. Neue Daten zeigen jetzt erstmals, wie sich eine Tumorerkrankung auf das kurz- und langfristige Operationsergebnis eines BAA auswirkt. Die Studie wertete Routine-Daten der AOK retrospektiv aus, insgesamt wurden knapp 20.000 Patienten einbezogen, die sich im Untersuchungszeitraum 2010–2016 der Operation eines BAA unterzogen hatten. „Knapp 1400 dieser Patienten wiesen zum Zeitpunkt des Eingriffs eine Tumor­erkrankung des Darms, der Prostata, der Harnblase oder des Harnleiters, oder der Bronchien auf“, erläutert Schmitz-Rixen, der an der Studie beteiligt war.

Sterblichkeit von 8,2 Prozent bei offener Operation

Wie die Studie zeigt, hing das Überleben der Tumorpatienten besonders deutlich von der Opera­tionstechnik ab. Ein Aneurysma kann im Rahmen einer klassischen offenen Operation behandelt werden oder in einem endovaskulären Eingriff mithilfe eines Katheters. „Von den Patientinnen und Patienten, die einen begleitenden Tumor aufwiesen und offen operiert wurden, überlebten 8,2 % den Eingriff nicht“, berichtet Studienautor Prof. Dittmar Böckler, Ärztlicher Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie am Uniklinikum Heidelberg. „Das sind deutlich mehr als laut Statistik im 1. Jahr an einer Ruptur verstorben wären“, so Böckler. Die Kliniksterblichkeitsrate übersteige auch erheblich den Qualitätsparameter einer Klinikletalität von max. 5 %, den die Society for Vascular Surgery fordert.

„Eine offene Operation lässt sich damit bei Tumorpatientinnen und Tumorpatienten nur schwer rechtfertigen“, betonen die Autoren. Auch die geringe verbleibende Lebenszeit – nach 9 Jahren Nachbeobachtung lebte nur noch rund 1/3 der Tumorerkrankten – lasse es zumindest fraglich erscheinen, ob Patienten mit den in der Studie betrachteten Begleittumoren überhaupt an einem Bauchaortenaneurysma operiert werden sollten. „Solange man auf Basis des Tumorstadiums von einer längeren Lebenserwartung ausgehen kann, sollten die Betroffenen, wann immer möglich, minimalinvasiv operiert werden“, resümieren Schmitz-Rixen und Böckler. Mit dieser Methode liege die Operationssterblichkeit bei 3,9 % und damit wesentlich niedriger als bei einem offenen Eingriff.

Beim Bronchialkarzinom abwartendes Vorgehen erwägen

Hinsichtlich des Langzeitüberlebens zeigten sich zwischen den verschiedenen Krebserkrankungen große Unterschiede. Patienten mit Darmkarzinom überleben durchschnittlich am längsten, 9 Jahre nach der BAA-Operation sind es noch 45,3 %. Am niedrigsten liegt die Überlebensrate dagegen bei Patienten mit Lungenkrebs, hier lebten 9 Jahre nach der Operation nur noch 24,1 %. „Im Vergleich mit der jährlichen Rupturrate von etwas mehr als 5 % ist der riskante Eingriff bei einem Bronchialkarzinom eher nicht zu empfehlen“, so Schmitz-Rixen. „Hier ist das konservativ abwartende Vorgehen eine bedenkenswerte Alternative.“