Angeborene Herzfehler genauer erkennen

Etwa in der 20. Schwangerschaftswoche findet das Organscreening statt, bei dem der Fetus auf mögliche Fehlbildungen untersucht wird. (Foto: © serhiibobyk – stock.adobe.com)

In der 20. bis 22. Schwangerschaftswoche wird bei vielen Schwangeren eine fetale Echokardiografie durchgeführt. Damit können Kinderkardiologen bislang etwa 30 Prozent der angeborenen Herzfehler diagnostizieren und das kardiovaskuläre Risiko abschätzen. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) soll dies deutlich verbessern.

„Der Einsatz von KI verbessert die bisherige Diagnostik von angeborenen Herzfehlern deutlich“, erklärte Prof. Robert Dalla Pozza, stellvertretender Leiter der Sektion Pädiatrie der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) und stellvertretender Leiter der Abteilung für Kinderkardiologie und pädiatrische Intensivmedizin am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Auf diese Weise können behandelnde Ärztinnen und Ärzte die Geburt beispielsweise in Bezug auf den Geburtsort deutlich genauer planen“, erläutert Dalla Pozza die Vorzüge.

So könne etwa bei Bedarf gezielt ein Zentrum mit Zugang zur Kinderkardiologie und Kinderherzchirurgie (im Falle komplizierter Herzfehler) ausgewählt werden. Zudem kann durch die exakte Diagnose auch der Geburtsmodus des Kindes gewählt und beispielsweise entschieden werden, ob ein Kaiserschnitt durchgeführt werden muss oder nicht.

Herzfehler bei Neugeborenen sicher ermitteln

Auch bei Neugeborenen hilft die KI in Kombination mit der Echokardiografie und diversen weiteren Untersuchungsmethoden (Pulsoxymetrie, Herzauskultation, Röntgenbild des Thorax und EKG) bei der korrekten Diagnose angeborener Herzfehler. „Gerade für eine gute Untersuchung von zu früh geborenen Kindern sind die neuen Untersuchungsmethoden wichtig“, betont Prof. Dirk-André Clevert, stellvertretender Leiter der Sektion Radiologie der DEGUM. „Relativ häufig tritt bei Frühgeborenen beispielsweise ein persistierender Ductus arteriosus (PDA) auf. Hierbei schließt sich ein nur für das ungeborene Kind hilfreiches Blutgefäß – der Ductus arteriosus – nach der Geburt nicht.“

Mit KI-Unterstützung könnten Herzgröße, bestimmte weitere Parameter und daraus abgeleitete Berechnungen verbessert und so die Bedeutung beziehungsweise die Behandlungsbedürftigkeit eines PDA besser beurteilt werden. „Nachdem die Diagnose exakt gestellt wurde, schließen Kinderkardiologinnen und -kardiologen den PDA medikamentös oder über einen Herzkatheter“, erläutert Clevert, Oberarzt im Institut für Klinische Radiologie – Interdisziplinäres Ultraschallzentrum am Klinikum der Universität München-Großhadern.

KI hilft bei Risikoabschätzung von angeborenen Herzfehlern für das weitere Leben

Eine weitere große Bedeutung hat KI für die Abschätzung des Risikos von angeborenen Herzfehlern auf das spätere Leben von Patienten. Durch eine detaillierte Analyse des Langzeit-EKGs bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach Herz-Operationen können Kardiologen beispielsweise Herzrhythmusstörungen frühzeitig erkennen und eine Vorhersage stellen. „So können wir medikamentöse oder auch chirurgische Behandlungen frühzeitig beginnen – lange bevor sich der Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten verschlechtert“, erklärt Dalla Pozza.

DEGUM fordert mehr Digitalisierung in der Krankenversorgung

Bisher wird KI in der Kinderkardiologie deutschlandweit nur im Rahmen von Studien an großen Zentren eingesetzt. Eine breite Anwendung von KI in der alltäglichen Diagnose beziehungsweise Verlaufskontrolle ist derzeit noch nicht abzusehen. „Im Moment sind in den Krankenhäusern Rechnerkapazitäten und Digitalisierung noch nicht ausreichend ausgebaut“, berichtet Clevert. „Das sollte sich aus Sicht der DEGUM im Zuge der Digitalisierung in der Krankenversorgung ändern.“