Anosmie: Neuer Ansatz zur objektiven Diagnose mittels Fluoreszenzbildgebung

Bildgebung des Riechepithels nichthumaner Primaten (NHPs). (A) Mit dem Quest-System (für den klinischen Gebrauch zugelassen) wurden Bilder des Riechkolbens, des Muskels, des Riechepithels und des Gehirns von 4 NHPs nach intravenöser Injektion von Tsp1a-IR800P aufgenommen. (B) Die Quantifizierung der Nahfluoreszenzintensität zeigt, dass das Signal des Riechepithels signifikant stärker ist als das des umgebenden Gewebes. (C) Konfokale Fluoreszenzmikroskopie-Bilder des Riechkolbens, des Muskels, des Riechepithels und des Hirngewebes derselben NHPs. (D) Schematische Darstellung der möglichen Verwendung von Tsp1a-IR800P in der Arztpraxis unter Verwendung von NIR-Fluoreszenz-Bildgebungssystemen von Quest oder anderen Anbietern. ****P ≤ 0,0001. a.u. = arbiträre Einheiten; olf. bulb = Riechkolben; olf. epi = Riechepithel. Abbidlung: Adilbay et al./Abteilung für Radiologie von MSK

Eine neue fluoreszierende Bildgebungssonde kann erstmals objektiv und nichtinvasiv den Verlust des Geruchsinns messen. Biopsien zur Diagnose bestimmter Anosmie-Erkrankungen könnten dadurch überflüssig werden.

Schätzungsweise 13,3 Millionen Erwachsene leiden in den Vereinigten Staaten an Geruchsstörungen, 3,4 Millionen davon an schwerer Hyposmie oder vollständiger Anosmie. Entsprechende Studien wurden jedoch vor der COVID-19-Pandemie durchgeführt, sodass die Zahl der Menschen mit Geruchsstörungen derzeit stark unterschätzt wird.

„Trotz der grundlegenden Bedeutung des Geruchssinns für die Lebensqualität und der hohen Prävalenz von Anosmie gibt es derzeit keine objektiven, benutzerunabhängigen Methoden zur Bewertung der Geruchswahrnehmung – weder für den klinischen Einsatz noch für die Verwendung bei Menschen oder Versuchstieren“, erklärte Dr. Dauren Adilbay, Assistenzprofessor in der Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde/Kopf- und Halschirurgie an der Medical University of South Carolina in Charleston (USA). „Wir wollten eine neuartige Methode zur Diagnose von Geruchsverlust mithilfe eines speziellen fluoreszierenden Farbstoffs, Tsp1a-IR800P, erforschen.“

Tsp1a-IR800P zielt auf den Natriumkanal 1.7 (Nav1.7) ab, der eine entscheidende Rolle beim Geruchssinn spielt, indem er die Signalweiterleitung zum Riechkolben unterstützt. Um die Expression von Nav1.7 zu bestimmen, führten die Forscher Tsp1a-IR800P-Bildgebungsstudien an Mäusen mit normalem Geruchssinn und an Mäusen mit chemisch induzierter Anosmie durch. Zusätzliche Bildgebungsstudien wurden an olfaktorischem Epithelgewebe von nicht-menschlichen Primaten durchgeführt. Das Riechepithel von mit Sars-CoV-2 infizierten Hamstern und von menschlichen Leichen von Patienten, bei denen Sars-CoV-2 diagnostiziert wurde und die der Krankheit erlegen sind, wurde ebenfalls untersucht.

Die Studienautoren stellten fest, dass Nav1.7 bei Probanden mit normalem Geruchssinn reichlich exprimiert wird, während bei Probanden mit Anosmie die Expression von Nav1.7 deutlich reduziert ist: Das zeigt das Fluoreszenzsignal. Es zeigte sich, dass die Verringerung der Signalintensität proportional zum Grad der Schädigung war. Dies bedeutet, dass eine geringere Fluoreszenzemission beziehungsweise ein schwächeres Signal auf einen Verlust des Geruchssinns und eine höhere Fluoreszenzemission beziehungsweise ein stärkeres Signal auf eine Behandlungsreaktion und eine Erholung des Geruchssinns hinweisen kann.

Die Studienautoren gehen davon aus, dass der fluoreszierende Stoff das Potenzial hat, in der Arztpraxis mit einem Endoskop zur Diagnose von Geruchsstörungen eingesetzt zu werden. Es könne auch sofort in präklinischen Studien an Tiermodellen eingesetzt werden (für die es keine objektiven und nichtinvasiven Hilfsmittel gibt), um die Wirksamkeit pharmakologischer Interventionen zur Wiederherstellung des Geruchssinns zu bewerten und so die Entwicklung neuer Therapeutika zu unterstützen.

„Eine frühzeitige Erkennung von Geruchsstörungen kann möglicherweise zu rechtzeitigen Interventionen führen, um die Krankheit behandeln oder das Fortschreiten der Krankheit zu minimieren und so zu einer verbesserten Lebensqualität für die Patienten beitragen“, hofft Naga Vara Kishore Pillarsetty, PhD, Professor in der Abteilung für Radiologie am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York (USA). „Diese Innovation könnte zur Entwicklung ähnlicher bildgebender Verfahren für andere sensorische und neurologische Erkrankungen führen und damit den Anwendungsbereich der molekularen Bildgebung erweitern.“