Neuer diagnostischer Ansatz für Meningoenzephalitis2. April 2018 Dr. Kurt-Wolfram Sühs und PD Dr. Frank Pessler (Foto: TWINCORE) Die Blut-Hirn-Schranke schützt das Gehirn sehr effektiv vor Krankheitserregern. Trotzdem kann sie von einigen Viren überwunden werden, die dann Entzündungen der Hirnhaut oder des Gehirns auslösen. Wissenschaftler des TWINCORE konnten zeigen, dass Infektionen mit dem Varizella-zoster-Virus von charakteristischen Stoffwechselprodukten im Hirnwasser begleitet werden. Das Problem bei Infektionen des Gehirns: Die Symptome, die die unterschiedlichen Erreger im Gehirn oder der Hirnrinde auslösen, sind sehr ähnlich – so ähnlich, dass Ärzte nicht ohne weiteres unterscheiden können, welcher Erreger für die Infektion verantwortlich ist. Handelt es sich um Enteroviren, die starke Kopfschmerzen und hohes Fieber auslösen, aber wieder abklingen, ohne langfristige Schäden am Gehirn zu verursachen? Oder sind Varizella zoster oder andere Viren die Auslöser, die starke Zellschäden hervorrufen und häufig zum Tod führen? Oder liegt eine bakterielle Infektion vor, die mit Antibiotika behandelt werden kann? „Die diagnostischen Methoden, mit denen die Medizin zwischen den unterschiedlichen Auslösern einer Meningoenzephalitis differenzieren kann, sind derzeit entweder unzuverlässig oder sehr langwierig“, sagte PD Dr. Frank Pessler, Leiter der Arbeitsgruppe Biomarker für Infektionskrankheiten am TWINCORE. „Die Therapien sind jedoch grundsätzlich verschieden und es muss schnell gehandelt werden. Das hat häufig eine Überbehandlung zur Folge, weil die Ärzte nicht wissen können, wie die Krankheit verlaufen wird und lieber auf ‚Nummer Sicher‘ gehen.“ Im Fokus der TWINCORE-Forscher liegt das Varizella-zoster-Virus (VZV), der Auslöser der Windpocken. Das Virus zieht sich nach einer überstandenen Windpockenerkrankung in die neuronalen Ganglien zurück, bricht bei etwa einem Viertel der Infizierten später erneut aus und verteilt sich dann entlang des Nervensystems. Das Risiko, dass die Viren reaktiviert werden, steigt mit dem Alter oder wenn das Immunsystem geschwächt ist. „Die Windpocken kommen also im Alter als Gürtelrose wieder oder befallen die Ganglien, die ins Gehirn führen“, sagt Dr. Kurt-Wolfram Sühs, Oberarzt an der Klinik für Neurologie der MHH. Pesslers Team und er haben Proben von Patienten bearbeitet, bei denen die Diagnose VZV-Reaktivierung fest stand. Sie haben die Hirnflüssigkeit von Erkrankten mit Gürtelrose, mit Störungen der Hirnnerven und mit Meningoenzephalitis auf charakteristische Stoffwechselprodukte untersucht. „Dabei haben wir gesehen, dass bereits bei einer Gürtelrose das Nervenwasser charakteristisch verändert ist und es sich mit steigendem Schweregrad der Infektion weiter verändert “, erklärte Sühs. Durch fast 90 Stoffwechselprodukte unterscheiden sich die unterschiedlichen Stadien der VZV-Reaktivierung in der Hirnflüssigkeit. Bei einer Infektion mit Enteroviren – den vergleichsweise harmlosen Sommerviren – ist keine solche Veränderung zu beobachten. „Damit haben wir spezifische Biomarker für den Nachweis einer VZV-Enzephalitis“, sagte Pessler. „Nun müssen wir, um ein echtes diagnostisches Werkzeug zu erhalten, das Biomarkerspektrum mit dem von anderen Viren und Bakterien vergleichen. Und wir wollen die Biomarker quantifizieren: Lässt sich von der Konzentration der Biomarker in der Gehirnflüssigkeit auf die Schwere der Schäden in den Nerven schließen?“ Originalpublikation: Kuhn M et al.: Mass-spectrometric profiling of cerebrospinal fluid reveals metabolite biomarkers for CNS involvement in varicella zoster virus reactivation. J Neuroinflammation 2018;15(1):20.
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