Antikörpertherapien: Genetische Varianten können sie unwirksam machen31. Dezember 2025 Antikörper (blau) sind Teil zahlreicher Therapien, beispielsweise gegen Krebs oder Autoimmunerkrankungen. Sie erkennen spezifisch bestimmte Oberflächenstrukturen (lila) und docken daran an. Illustration: ©AdobeStock/Universität Basel Schweizer Forscher berichten in einer aktuellen Arbeit, dass bereits aufgrund minimaler genetischer Abweichungen bestimmte antikörperbasierte Therapien bei manchen Patienten nicht wirken können. Ob gegen Krebs, Rheuma oder Multiple Sklerose: Bei vielen Erkrankungen kommen Therapien auf Basis von Antikörpern zum Einsatz. Antikörper können spezifische Strukturen erkennen und binden daran. So können sie beispielsweise Wirkstoffe an genau die richtige Zielstruktur im Körper heranführen. Forscher der Biomedizin und des Biozentrums der Universität Basel, Schweiz, berichten im Fachjournal „Science Translational Medicine“ über individuelle Unterschiede im Erbgut einiger Menschen, die verhindern können, dass antikörperbasierte Therapien wirken. Variationen sind häufiger als gedacht Das Forschungsteam um Dr. Rosalba Lepore und Prof. Lukas Jeker hat Erbgutsequenzen Tausender Menschen aus bereits veröffentlichten Studien mit computergestützten Methoden analysiert. Die im Erbgut enthaltene DNA-Sequenz bestimmt die Abfolge der Aminosäure-Bausteine von Proteinen. Erbgutvariationen können deshalb auch zu einer veränderten Aminosäure-Abfolge führen. Das Augenmerk der Wissenschaftler lag auf Aminosäuren an den Epitopen etablierter Antikörpertherapien. Eine einzelne ausgetauschte Aminosäure im Epitop kann bedeuten, dass der Antikörper nicht mehr andocken kann. Insgesamt untersuchte das Team die Bindungsstellen von 87 therapeutischen Antikörpern, die unter anderem bei Krebstherapien oder Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden. Das Team stieß auf eine erstaunlich große Vielzahl an natürlich vorkommenden Varianten der Aminosäure-Abfolge in Epitopen. „Diese Varianten tragen nicht selbst zur Erkrankung bei“, betont Lepore. „Der Großteil beeinträchtigt auch nicht die Funktion des betroffenen Proteins. Aber sie können die Therapie unwirksam machen.“ Ausweichen auf andere Antikörper Mithilfe von Computermodellen berechneten die Forscher, welche der Varianten die Bindung der Antikörper behindern könnten. Für vier medizinisch wichtige Zielproteine und die dazugehörigen Antikörper prüften die Wissenschaftler anschließend die Vorhersagen. Für jedes der analysierten Proteine testete das Team mehrere therapeutische Antikörper. In den Laborexperimenten zeigte sich, dass oft ein Antikörper nicht mehr binden konnte, ein anderer, der an eine etwas andere Stelle des Zielproteins andockt, hingegen schon. Zwar ist der Anteil an Patienten, bei dem eine solche Variante auftritt und die Wirksamkeit der Therapie verhindert, relativ klein. Für den Großteil der Varianten ist weniger als eine von hundert Personen betroffen. Trotzdem ist Lukas Jeker überzeugt: „Es ist wichtig, dass Medizinerinnen und Mediziner an diesen Aspekt denken, wenn eine Therapie nicht wirkt.“ Hinzu kommt, dass viele antikörperbasierte Therapien sehr teuer seien. Dazu gehören beispielsweise CAR-T-Zellen, die gegen bestimmte Krebserkrankungen zum Einsatz kommen. „Ein genetischer Test, ob die Therapie überhaupt wirken kann, wäre im Vergleich ein kleiner Kostenpunkt“, so Marone, Co-Erstautorin der Studie. Auch für neue Therapien wäre das relevant, fügt Lepore hinzu: „Für klinische Studien kann es sich lohnen, die Bindungsstelle der Antikörpertherapie bei den Teilnehmenden zuerst zu testen.“ Gehäufte Varianten je nach Weltregion Eine weitere Erkenntnis aus den Analysen: Bestimmte Varianten in Zielproteinen kommen zwar beispielsweise in Europa sehr selten vor. In einer anderen Weltregion treten sie aber häufiger auf und werden dadurch klinisch relevant. „Noch gibt es für einige Weltregionen sehr viel weniger Erbgutsequenz-Daten als für Europa oder Nordamerika“, erklärt die Bioinformatikerin Lepore. „Dadurch übersehen wir womöglich eine Häufung solcher therapierelevanter Varianten in bestimmten Bevölkerungsgruppen.“ Hier gebe es großen Nachholbedarf.
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