App-basierte Therapie hilft Männern mit Blasenentleerungsstörungen

App-basiertes Beckenbodentraining hilft Männern mit Problemen beim Urinieren offenbar besser als Medikamente. Foto (Symbolbild mit Modell): Gorodenkoff – stock.adobe.com

Bei Männern mit häufigem Harndrang zeigt eine aktuelle Studie, dass die App-gestützte Kombination von Beckenbodenübungen und Verhaltensanweisungen wirksamer sein könnte als aktuelle medikamentöse Behandlungen.

Die ersten Ergebnisse der BEST-Studie (BEST: Bladder Emptying Disorder Therapy, Blasenentleerungsstörungstherapie) wurden am 8. April 2024 auf dem Kongress der European Association of Urology in Paris (Frankreich) vorgestellt. Sie zeigen, dass eine App-basierte Therapie zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome der unteren Harnwege führt, unter denen viele Millionen Männer leiden: Sie müssen häufig auf Toilette, der Harnfluss beginnt zögerlich und die Blasenentleerung erfordert Anstrengung. Die vollständigen Ergebnisse der Studie werden voraussichtlich noch in diesem Jahr veröffentlicht.

Die in Deutschland durchgeführte Untersuchung ist die weltweit erste randomisierte kontrollierte Studie, die sich mit der Kombination von Beckenbodentraining, Verhaltensmaßnahmen und Blasenkontrolltechniken bei leichten, mittelschweren und schweren Blasenentleerungsstörungen bei Männern befasst, allesamt in form einer App-basierten Therapie.

Physiotherapie und Verhaltensänderungen oft vernachlässigt

Blasenentleerungsstörungen können ab dem 30. Lebensjahr auftreten und betreffen typischerweise einen großen Teil der Männer über 50. Obwohl klinische Leitlinien Physiotherapie, Verhaltensratschläge und Änderungen des Lebensstils als erste Behandlungslinie empfehlen, werden diese von Ärzten oft vernachlässigt, weil harte Evidenz fehlt. Mit den verfügbaren Medikamenten sind unangenehme Nebenwirkungen verbunden, und eine Operation wird nur bei schweren Symptomen empfohlen.

Prof. Christian Gratzke vom Universitätsklinikum Freiburg, der die Studie mit leitete, erklärt: „Häufiger Harndrang und Probleme bei der Blasenentleerung sind die häufigsten Harnwegserkrankungen, die wir bei Männern nach Harnwegsinfektionen beobachten. Obwohl einige Medikamente verfügbar sind, sind sie in der Regel nicht wirksam, und bisher liegen nur wenige Daten zur Unterstützung einer Physiotherapie vor. Wir sind zuversichtlich, dass wir jetzt über diese Daten verfügen, und die digitale Bereitstellung dieser Therapieform könnte für die Millionen von Männern, die täglich mit Problemen bei der Blasenentleerung zu kämpfen haben, eine Wende bedeuten.“

Für ihre zwölfwöchige Studie rekrutierten die Forscher 237 Männer über 18 Jahre aus ganz Deutschland. Die Hälfte der Männer erhielten nach dem Zufallsprinzip eine medizinische Standardversorgung, während die andere Hälfte zusätzlich zur Standardversorgung Zugang zur Smartphone-App „Kranus Lutera“ erhielt. Die Teilnehmer wurden gebeten, ein Urintagebuch zu führen, das zur Information über ihre Behandlung und zum Ausfüllen von Fragebögen über die Schwere ihrer Symptome und ihre allgemeine Lebensqualität diente. Die Finanzierung der Studie übernahm die Firma Kranus.

Training wirkt besser als Medikamente

Nach zwölf Wochen stellten die Urologen signifikante und klinisch bedeutsame Verbesserungen der Symptome und Lebensqualitätsmessungen bei den Teilnehmern fest, denen die App-basierte Therapie verabreicht wurde. Diese war wirksamer war als die medikamentöse Therapie. Kein Patient berichtete über Nebenwirkungen oder Probleme beim Zugriff auf die Smartphone-App.

Zudem verglichen die Forscher Daten von Männern, deren Symptome auf eine überaktive Blase zurückzuführen waren, mit denen, deren Symptome auf einer vergrößerten Prostata basierten. Sie fanden heraus, dass beide Gruppen von der Therapie profitierten. Es wurde jedoch nicht die Wirkung der Therapie auf verschiedene Formen der Blasenentleerungsstörung verglichen.

„Viele Männer mit Blasenentleerungsstörungen werden älter und haben andere Erkrankungen, die eine medikamentöse Behandlung erfordern“, sagt Gratzke. „Die begrenzten Medikamente, die uns zur Verfügung stehen, sind aufgrund ihrer Nebenwirkungen für diese Patienten nicht geeignet. Für Menschen mit leichten bis mittelschweren Harnwegsbeschwerden ist diese digitale Therapie ohne Nebenwirkungen und verbessert die Symptome in einem Ausmaß, wie wir es noch nie zuvor gesehen haben. Allein die Stärkung des Beckenbodens macht den Unterschied.“

„Könnte die klinische Praxis dramatisch verändern“

Jean-Nicolas Cornu, Professor für Urologie am Charles Nicolle Hospital in Frankreich und Mitglied des EAU Scientific Congress Office, sagte: „Es gibt kaum oder gar keine Belege dafür, Männer darin zu schulen, ihre Blase besser zu kontrollieren, obwohl dies in den klinischen Leitlinien empfohlen wird. Dies ist die erste randomisierte kontrollierte Studie, die sich mit Physiotherapie und Verhaltenstherapie bei Blasenentleerungsstörungen befasst, und sie zeigt einen sehr positiven Effekt gegenüber einer herkömmlichen medikamentösen Behandlung.“

Cornu fordert eine größere Studie, welche die längerfristige Wirkung dieser App-basierten Therapie nach zwölf Wochen bei verschiedenen Formen von Blasenentleerungsstörungen untersucht. „Wenn diese Behandlung flächendeckend angeboten wird, könnte sie die klinische Praxis dramatisch verändern und die Symptome lindern, ohne dass Patienten Medikamente einnehmen müssen. Wir könnten viele unnötige Rezepte für Medikamente einsparen, die meist wenig Nutzen bringen“, betont Cornu.

(EAU/ms)

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Quellen EAU, 04.04.2024Christian Gratzke: App-based therapeutics of lower urinary tract symptoms (LUTS) with or without benign prostate enlargement (BPE): results of the randomized controlled BEST (Bladder Emptying DiSorder Therapy) trial. EAU 2024, 08.04.2024, Paris (Frankreich)