Appell aus Bayern an die Bundespolitik zur Regulierung profitorientierter Praxisketten

Warunung aus Bayern vor rein profitorientierten iMVZ (Foto: MQ-Illustrations – stock.adobe.com)

Mehrere Ärzteorganisationen aus Bayern sehen die ambulante Versorgung durch „profitorientierte Praxisketten“ gefährdet. Sie appellieren an den Bundesgesundheitsminister regulatorisch einzugreifen.

In einem gemeinsamen Appell fordern die Spitzen von Kassenärztlicher Vereinigung Bayerns (KVB), Bayerischer Landesärztekammer (BLÄK), Bayerischem Hausärzteverband (BHÄV), Dachverband Bayerischer Fachärztinnen und Fachärzte e.V. (DBFF) und Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ) ein entschlossenes Handeln der Bundespolitik, um der zunehmenden Einflussnahme von renditeorientierten Kapitalinvestoren auf die ambulante Versorgung endlich Einhalt zu gebieten.

Sie erinnern daran, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bereits im Dezember 2022 angekündigt hatte, gesetzliche Maßnahmen in Bezug auf die profitorientierten Ketten von Arztpraxen ergreifen zu wollen. Seitdem sei jedoch nichts passiert, kein Gesetzentwurf liege vor, bemängeln sie. Private-Equity-Gesellschaften dominierten weiterhin die ambulante Versorgung, indem sie Arztpraxen zu „Ketten“ zusammenfügen. Dies habe in einigen Regionen Deutschlands inzwischen monopolartige Strukturen geschaffen und die Patientenversorgung beeinträchtigt.

Investorengetragene Medizinische Versorgungszentren (iMVZ) siedeln sich den Ärzteorganisationen zufolge vorwiegend in Großstädten an, während ländliche Regionen von deren angeblicher Versorgungsleistung kaum profitieren. Abrechnungsdaten zeigten eine Tendenz zur Über- und Fehlversorgung in iMVZ im Vergleich zu Einzelpraxen oder Berufsausübungsgemeinschaften (BAG). Private-Equity-Firmen zielten auf den Wiederverkauf von Praxisketten, was den Druck auf angestellte Mediziner erhöhe, lukrative Behandlungen durchzuführen. Zudem entzögen die oft in Steueroasen ansässigen Investoren dem Solidarsystem wichtige Ressourcen, kritisieren sie. Dehalb könnten sich junge Ärztinnen und Ärzte keine eigene Praxis mehr leisten und würden in die Anstellung gedrängt.

KVB, BLÄK, BHÄV, DBFF und BVKJ fordern daher den Bundesgesundheitsminister mit Nachdruck dazu auf, endlich die versprochene gesetzliche Regulierung von iMVZ in die Tat umzusetzen. Dazu gehörten unter anderem folgend aufgelistete Punkte:

1. Schutz der Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen

Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass MVZ künftig nur noch dann gegründet werden dürfen, wenn sich die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte der MVZ-Trägergesellschaft in Händen von Ärzten befindet. Zudem muss der Aufgaben- und Verantwortungsbereich des ärztlichen Leiters eines MVZ konkretisiert werden.

2. Transparenz der nachgelagerten Inhaberstrukturen eines MVZ

Die Gründer eines MVZ sind vom Gesetzgeber zu verpflichten, nicht nur die rechtlichen Eigentümer der jeweiligen MVZ-Trägergesellschaft, sondern auch sämtliche an dieser Gesellschaft wirtschaftlich Berechtigten in einem speziellen neu einzurichtenden MVZ-Transparenzregister zu veröffentlichen. Auch eine Kennzeichnungspflicht für Träger und Betreiber von MVZ auf dem Praxisschild („Schilderpflicht“ für MVZ) ist verpflichtend einzuführen.

3. Verhinderung einer wettbewerbsfeindlichen Anbieterdominanz

Um monopolartigen Strukturen entgegenzuwirken, sind Gesetzesänderungen zur räumlichen Begrenzung der Gründungsbefugnis von Krankenhäusern für MVZ nötig. Zudem ist eine planungsbereichsbezogene Begrenzung des Versorgungsanteils von MVZ, die von demselben Träger gegründet wurden, einzuführen. Weiterhin sollte eine Obergrenze für die in einem MVZ tätigen Ärzte eingeführt und der planungsbereichsübergreifende Erwerb von Arztstellen abgeschafft werden.

4. Stärkung der Freiberuflichkeit

Eine vorrangige Berücksichtigung von niederlassungswilligen Ärzten bei Praxisausschreibungsverfahren ist gesetzlich zu implementieren. Zudem ist die Möglichkeit des Verzichts auf die Zulassung zum Zwecke der Anstellung in einem MVZ aus dem Gesetz ersatzlos zu streichen.

Weiterhin sind Gesetzesänderungen, mit der die Möglichkeit einer „Konzeptbewerbung“ wieder abgeschafft wird, notwendig.

5. Prüfung der Geeignetheit der MVZ durch die Zulassungsausschüsse

Ähnlich wie bei Vertragsärzten sollte eine Eignungsprüfung für MVZ eingeführt werden, durch die geprüft wird, ob zulassungswillige MVZ eine ordnungsgemäße vertragsärztliche Versorgung gewährleisten können.

6. Disziplinarmaßnahmen auch gegen MVZ

Disziplinarmaßnahmen sollen künftig auch gegen MVZ verhängt werden können. Zudem ist einem MVZ die Zulassung zu entziehen, wenn das MVZ durch entsprechende Maßnahmen nicht sicherstellt, dass MVZ-Ärzte ihren vertragsärztlichen Pflichten nachkommen.

Gerechte Rahmenbedingungen für eine patientenzentrierte Versorgung

Ein entschlossener Vorstoß des Gesetzgebers ist aus Sicht von KVB, BLÄK, BHÄV, DBFF und BVKJ notwendig, um die ambulante Versorgung vor dem Ausverkauf zu schützen und stabile, gerechte Rahmenbedingungen für alle Praxisarten zu gewährleisten. MVZ seien unter vernünftigen Rahmenbedingungen ein wichtiger Akteur in der ambulanten Versorgung. Gefordert werde daher nicht eine generelle Abschaffung von iMVZ, sondern eine Regulierung, die eine patientenzentrierte Versorgung sicherstelle.