“Arbeitsbeschaffungsprogramm für Medizinjuristen”

Kliniken eine Behandlungszeit in der Notaufnahme von mehr als drei Stunden zusätzlich zu vergüten, hält das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung für einen falschen Anreiz, um die ambulante Versorgung zu stärken. (Foto: © upixa – stock.adobe.com)

Die von der “Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ vorgeschlagenen Abrechnungsmöglichkeiten ohne Übernachtung für Kliniken werden nach Ansicht des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) die ambulante Versorgung nicht nachhaltig stärken.

„Was wir brauchen, ist ein langfristig angelegtes, nachhaltiges Programm zur Ambulantisierung bisheriger stationärer Behandlungen. Die vom Bundesgesundheitsminister berufene Expertenkommission schlägt aber nur eine kurzfristige Intervention vor, die das eigentliche Problem nicht lösen, sondern eher verschärfen wird. Schon jetzt gibt es 19 verschiedene Rechtsformen ambulanter Krankenhausleistungen. Keine hat bisher zu einer spürbaren Ambulantisierung geführt, da die Abrechnung der Leistung als stationärer Fall für Krankenhäuser stets vorteilhafter war”, erklärte der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried.

Mit dem Vorschlag der Expertenkommission, eine ambulant erbrachte Leistung als stationären Fall abrechnen zu können, würden Patienten weiterhin in den Strukturen der Krankenhausbehandlung gehalten, kritisierte von Stillfried. Ob die gewünschten Entlastungseffekte für das Krankenhauspersonal erreicht werden, sei hingegen zweifelhaft. “Sicher ist, dass derzeit bereits bestehende Abgrenzungsprobleme zwischen unterschiedlichen Abrechnungsvoraussetzungen vergrößert werden”, so der Zi-Vorstand.

Die vorliegenden Empfehlungen beinhalten zahlreiche Abrechnungsbedingungen, darunter die Anforderung, dass Patienten mindestens sechs Stunden im Krankenhaus verblieben sind und diese Zeit überwiegend für medizinische oder pflegerische Maßnahmen genutzt worden ist. “Nach dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz des SGB V werden die Krankenkassen beziehungsweise der Medizinische Dienst dies nur durch zusätzliche Dokumentation und damit Mehrbelastung des medizinischen Fachpersonals überprüfen können. Die Anreizwirkung des vorgestellten Vergütungsvorschlags führt nach wie vor nicht dazu, dass Ort und Dauer der Leistungserbringung nach medizinischen Kriterien gewählt werden. Damit werden die Krankenhausstrukturen weiterhin unnötig durch wirklich ambulant behandelbare Fälle belastet. Patientinnen und Patienten werden ebenfalls zusätzlich durch Abläufe gestört, die primär dazu dienen, formale Voraussetzungen zu erfüllen”, prognostizierte von Stillfried.

“Völlig unverständlich” sei auch, warum für Leistungen, die auch Vertragsärztinnen und -ärzte erbringen, ein höherer Preis gezahlt werden solle, wenn die Leistungen ohne Übernachtung in einer Klinik durchgeführt werden. Deutlich schlüssiger findet von Stillfried hingegen das im Rahmen eines Innovationsfonds-Projekts erarbeitete Konzept für eine sektorengleiche Vergütung. Dieses sehe eine betriebswirtschaftliche Kalkulation von sektorengleichen Leistungen vor, die von Kliniken und Praxen gleichermaßen durchgeführt und abgerechnet werden können. “Gleichzeitig lässt es sich schnell mit deutlich weniger Abgrenzungsproblemen etablieren und bietet eine konkrete und insbesondere nachhaltige Umsetzungsperspektive. Dies ist der Kommission leider nicht gelungen”, sagte der Vorstandsvorsitzende des Zi.

Nicht nachvollziehbar seien zudem die Vorschläge zur zusätzlichen Vergütung, wenn Patientinnen und Patienten länger als drei Stunden in Notaufnahmen behandelt werden. “Bereits heute verbringen nach Auswertung des AKTIN-Notaufnahmeregisters ambulant behandelte Patientinnen und Patienten durchschnittlich 183,5 Minuten in einer Notaufnahme, stationär aufgenommene und entsprechend vergütete Fälle durchschnittlich 247,4 Minuten. Auch hier entwickelt sich damit ein ökonomischer Anreiz, Entscheidungen nicht nach medizinischen Kriterien, sondern nach Abrechnungsvoraussetzungen zu treffen. Auch hier wird es zu Abgrenzungs- und Prüfschwierigkeiten kommen, etwa um reine Wartezeit von echter Behandlungszeit zu differenzieren. Kurzum: Der Vorschlag der Regierungskommission gleicht einem Arbeitsbeschaffungsprogramm für Medizinjuristen. Eine Verbesserung der Versorgung von Patientinnen und Patienten ist hingegen nicht in Sicht”, sagte von Stillfried.