„Arthrose bedeutet nicht zwangsläufig eine Endoprothese“

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Auf die Möglichkeiten durch eine geeignete konservative Therapie den Gelenkersatz hinauszuzögern ging AE-Präsident PD Dr. Stefan Kirschner ein. Wichtig dabei ist auch die Eigeninitiative des Patienten.

„Wichtig ist zunächst das Gespräch mit dem Patienten und die Anamnese“, betonte Kirschner, Direktor der Klinik für Orthopädie in den ViDia Kliniken, Karlsruhe, auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des 24. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE) die Bedeutung der Patientenedukation. Der Patient müsse verstehen, was das Gelenk übermäßig belaste und wie er das Gelenk schonen könne.

Jeder fünfte Deutsche über 60 Jahren hat eine Arthrose von Hüft- oder Kniegelenk, bei Frauen ist fast jede vierte davon betroffen. „Arthrose bedeutet nicht, dass zwangsläufig eine Endoprothese eingesetzt werden muss“, betonte Kirschner. Der Verlauf der Arthrose sei von unterschiedlichen Faktoren abhängig und könne günstig beeinflusst werden, so Kirschner. Als Hauptrisikofaktoren für eine Gonarthrose nannte er ein Fehlstellung, Adipositas und hohe Belastung. Wichtig sei vor allem die Steigerung der eigenen körperlichen Aktivität, ohne die Gelenke zu überlasten, so Kirschner weiter. Die eigentliche Therapie umfasse Physiotherapie, Hilfsmittelberatung und medikamentöse Therapie.

Zwischenzeitlich werde der gesteigerten körperlichen Aktivität sogar Vorrang gegenüber der medikamentösen Therapie gegeben. „Zuerst Bewegung, dann Schmerztherapie – das ist dem Patienten manchmal schwer zu vermitteln,“ sagte Kirschner. Kirschner verwies auf den entzündungshemmenden Effekt von Antiphlogistika. Dabei biete die topische Anwendung „gerade am Kniegelenkt eine gute Möglichkeit“ zur Therapie.

Der Experte hob besonders hervor, dass Patienten selbst den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen können. Körperliche Aktivität und Gewichtsreduktion seien wichtige Maßnahmen, so Kirschner. Für eine dauerhaft schmerzfreie Gelenkfunktion werden eine gut trainierte Muskulatur und eine freie Beweglichkeit benötigt. Im Fall einer aktivierten Arthrose werde die Physiotherapie gebraucht, um die Muskelverkürzungen wieder aufzudehnen und die Muskulatur an sich zu kräftigen. „Wir wollen eine möglichst normale Gelenkbeweglichkeit“, erklärte Kirschner. Zur kurzfristigen Entlastung bei einem schmerzhaften Gelenk, das überbelastet empfiehlt Kirschner auch Unterarmgehstützen oder Nordic-Walking-Stöcke. Dies reduziere auch die Schmerzen. Als besonders gelenkschonende Bewegungsformen empfahl Kirschner das Fahren auf einem stationären Fahrrad, Aquajogging oder Wassergymnastik.

Allerdings konstatierte Kirschner mit Blick auf den kürzlich veröffentlichen DAK-Report zur Versorgung von Gonarthrose-Patienten ein „gewisses Defizit“ bei der konservativen Therapie wie Physiotherapie und medikamentöse Behandlung. Zwar sehen die Leitlinien Physiotherapie und deren Erfolgskontrolle ganz klar vor, aber Kirschner forderte auch mehr Eigeninitiative von den Patienten. Allerdings sei die „schwierige Situation bei der Krankengymnastik, dass wir nicht für jeden Menschen dreimal die Woche Physiotherapie verordnen können“. Das sehe die Gesetzliche Krankenkasse so nicht vor. Es gebe dann die Anleitung zur Selbstübung und hier können man den Patienten nur motivieren, „nach dem Abendessen noch mal eine viertel Stunde zu spaziere“.

Kirschner verwies auf die nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung, die dezidiert Kraft- und Geschicklichkeitstraining als Teil einer normalen körperlichen Aktivität vorsehen. Diese Empfehlungen gelten für jüngere Erwachsene, aber gleichermaßen auch für ältere Patientinnen und Patienten, betonte er. (ja)