Artunterscheidung mithilfe Künstlicher Intelligenz: Antarktische Meeresschnecken sind vielfältiger als gedacht14. Mai 2021 Küste der Antarktischen Halbinsel, vor der Studienmaterial gesammelt wurde. Foto: © Juan Moles In Kooperation mit der Harvard University und anderen internationalen Partnern haben Wissenschaftler der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) die Artenvielfalt einer Gruppe antarktischer Meeresschnecken mithilfe von genomischen Daten und KI- Algorithmen untersucht. Zusätzlich zu den bekannten Arten der Gattung Antarctophiline fanden sie drei neue Arten. Einige davon sind kleinräumig, andere weit verbreitet. Wieder andere dagegen sind nach Tiefen zoniert. Die antarktische Fauna ist komplexer und vermutlich anfälliger für Bedrohungen wie den Klimawandel und die Ozeanversauerung als gedacht. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlicht. Die Meeresschneckenfauna der Antarktis ist trotz der kalten Wassertemperaturen erstaunlich vielfältig und viel artenreicher als bisher angenommen. Ein Forscherteam aus den USA, Australien, Italien, Spanien und München hat in einer neuen Arbeit die antarktische Schneckengattung Antarctophiline aus dem Südlichen Ozean genauer untersucht. Die Tiere dieser Gattung sind in der Antarktis weit verbreitet: von der Küste bis in abyssale Tiefen. Während mehrerer Antarktisexpeditionen wurden im Rahmen der neuen Studie Proben vom Flachwasser bis in die Tiefsee gesammelt. Im Labor wurden genomische Sequenzdaten der Schnecken erhoben und diese mithilfe von Künstlicher Intelligenz – d.h. selbstlernender Algorithmen – analysiert. Die Analysen zeigen den ForscherInnen detailliert die genetischen Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Arten.Neben den sechs bereits bekannten Arten konnten die WissenschaftlerInnen drei neue Arten identifizieren, die in einer zukünftigen Arbeit im Detail beschrieben werden. Außerdem haben die Analysen gezeigt, dass die Verbreitung der Arten von Antarctophiline deutlich komplexer ist, als bisher angenommen: Einige Arten kommen nur in sehr kleinen Gebieten vor, andere dagegen sind weit verbreitet, teils über mehrere tausend Kilometer hinweg. Die molekulare Analyse der Proben aus verschiedenen Meerestiefen – vom Flachwasser bis in Tiefseebereiche mit einer Tiefe bis zu 3.700m – hat auch eine deutliche Zonierung der Arten gezeigt. Das heißt, bestimmte Antarctophiline-Arten bewohnen nur bestimmte Tiefenzonen. Lebende Meeresschnecke Antarctophiline cf alata. Foto: © Michael Schrödl/SNSB-ZSM „Unsere genomischen und KI-gestützten Analysen zeichnen ein neues Bild zur Verbreitung der antarktischen Antarctophiline-Arten“, stellt der ehemalige Harvard-Forscher Dr. Juan Moles, Humboldt-Stipendiat an der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) fest „Diese und andere Tiergruppen sind artenreicher und teilweise in ihrer Verbreitung und ihren Ansprüchen spezialisierter als gedacht, und damit wahrscheinlich anfälliger gegen den globalen Wandel, der insbesondere im Südlichen Ozean dramatisch voranschreitet.“Den Artenreichtum der Antarktis erklären die ForscherInnen als so genannte antarktische „Biodiversitätspumpe“: Während verschiedener Kaltzeiten dehnte sich das antarktische Eis weit auf den umliegenden Südlichen Ozean aus und Bodentiere konnten nur in wenigen eisfreien Refugien überleben. Schmolzen die Eisschilde wieder, breitete sich die Bodenfauna wieder aus, aktiv als bewegliche Tiere oder Larven, oder passiv, etwa durch Drift mit Eisschollen. Aufgrund genetischer oder ökologischer Unterschiede, etwa andere Nahrungspräferenzen, konnten sich die Tiere nun nicht mehr oder nur noch eingeschränkt mit den ehemaligen Artgenossen anderer Refugien fortpflanzen, neue biologische Arten waren entstanden.„Nach bisherigen Erkenntnissen schienen die meisten Arten der antarktischen Meeresbodenfauna weit um den Kontinent herum verbreitet zu sein, vom Flachwasser bis in große Tiefen vorzukommen und ökologisch wenig spezialisiert zu sein, also etwa wenig wählerisch bei der Nahrungsauswahl zu sein oder an verschiedene Umweltbedingungen angepasst. Unsere Studie relativiert diese Paradigmen“, erläutert der Artenforscher Prof. Dr. Michael Schrödl von der Zoologischen Staatssammlung München.Die neue Studie über die antarktische Nacktschneckengattung Antarctophiline zeigt exemplarisch das Potential der Analyse genomischer Daten mittels Künstlicher Intelligenz zur Artunterscheidung und betont, wie wichtig Artenforschung ist, um Biodiversität zu verstehen und damit wirksam schützen zu können. Originalpublikation: Moles, J., Derkarabetian, S., Schiaparelli, S. Schrödl, M., Troncoso, J.S., Wilson, N.G. & Giribet, G. (2021) An approach using ddRADseq and machine learning for understanding speciation in Antarctic Antarctophilinidae gastropods. Scientific Reports 11: 8473.https://doi.org/10.1038/s41598-021-87244-5 Weitere Informationen: http://www.snsb.de – Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayernshttp://www.zsm.mwn.de – Zoologische Staatssammlung München
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