ASCO 2023: Bei ausgewählten Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom kann auf eine Bestrahlung verzichtet werden5. Juli 2023 Bild: ©SciePro – stock.adobe.com Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom mit Tumoren, die auf Chemotherapie ansprechen, können getrost auf eine Strahlentherapie vor der Operation verzichten. Das zeigen Ergebnisse der staatlich finanzierten PROSPECT-Studie, über die auf der Jahrestagung 2023 der American Society of Clinical Oncology (ASCO) berichtet wurde. Die Resultate der Studie wurden gleichzeitig am 4. Juni 2023 im „New England Journal of Medicine“ (Wirksamkeit) und im „Journal of Clinical Oncology“ (von Patienten berichtete Ergebnisse) veröffentlicht. Der Verzicht auf eine Strahlentherapie kann kurz- und langfristige Nebenwirkungen reduzieren, die sich auf die Lebensqualität auswirken, während ähnliche Ergebnisse beim krankheitsfreien Überleben und Gesamtüberleben erreicht werden. „Wir haben einen Wendepunkt bei der Behandlung von Patienten mit Rektumkarzinom erreicht. Während wir neue Therapien entwickeln, untersuchen wir auch, wo wir zum Wohle unserer Patienten auf toxische Therapien verzichten können. Die Ergebnisse dieser Studie ermöglichen es uns, genau das zu tun und zeigen, dass wir bei einigen Patienten auf eine Strahlentherapie verzichten und so die Lebensqualität verbessern können, ohne die Wirksamkeit zu beeinträchtigen. Diese praxisverändernden Erkenntnisse sind von Bedeutung, auch wenn sich die Behandlungslandschaft für diese Patienten ständig weiterentwickelt“, kommentierte ASCO-Expertin Dr. Pamela L. Kunz. Wichtigste Erkenntnisse Die Patienten wurde für eine von zwei Behandlungen randomisiert, bevor eine Sphinkter-erhaltende tiefe anteriore Resektion mit totaler mesorektaler Exzision durchgeführt wurde. Die Kontrollgruppe erhielt vor der Operation die Standardbehandlung in Form einer Radiochemotherapie (eine Kombination aus Strahlentherapie und entweder 5FU oder Capecitabin). Dies war der Versorgungsstandard zum Zeitpunkt der Studienplanung. Die experimentelle Gruppe erhielt die Chemotherapie-Kombination mFOLFOX6. Wenn der Tumor gut auf mFOLFOX6 ansprach und um 20% oder mehr schrumpfte, wurden die Patienten sofort operiert. Wenn der Tumor nicht um 20% oder mehr schrumpfte oder der Patient nicht in der Lage war, mit mFOLFOX6 fortzufahren, erhielt er vor der Operation die gleiche Radiochemotherapie wie die Kontrollgruppe. Nach fünf Jahren gab es bei keinem der untersuchten Endpunkte einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Das bedeutet, dass auf eine Strahlentherapie vor der Operation getrost verzichtet werden kann, wenn der Tumor auf die Behandlung mit der mFOLFOX6-Chemotherapie anspricht. Fünf Jahre nach der Randomisierung zeigten die Ergebnisse Folgendes: Das krankheitsfreie Überleben betrug 78,6% in der Gruppe mit Radiochemotherapie und 80,8% in der Gruppe mit mFOLFOX6 mit selektiver Radiochemotherapie. Die Rate des Gesamtüberlebens betrug 90,2% in der Gruppe mit selektiver Radiochemotherapie und 89,5% in der mFOLFOX6-Gruppe mit selektiver Radiochemotherapie. Die Raten chirurgischer Resektionen (vollständige Entfernung des Tumors und des umgebenden Gewebes) betrugen 97,1% in der Gruppe mit Radiochemotherapie und 98,8% in der Gruppe mit mFOLFOX6 mit selektiver Radiochemotherapie. Die Raten der Lokalrezidive waren in beiden Gruppen sehr niedrig und ähnlich (2%). Die Rate pathologischer Komplettremissionen betrug 24,3% in der Radiochemotherapie-Gruppe und 21,9% in der mFOLFOX6-Gruppe mit selektiver Radiochemotherapie. Nur 9% der Patienten in der experimentellen Gruppe, die mFOLFOX6 erhielten, benötigten eine präoperative Radiochemotherapie. „Diese Studie etabliert eine präoperative Therapie mit FOLFOX und den ausschließlich selektiven Einsatz von Radiochemotherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom“, sagte Erstautorin Dr. Deb Schrag, Leiterin der Abteilung für Medizin am Memorial Sloan Kettering Cancer Center. „Diese Option zu haben ist aus mehreren Gründen wichtig. Erstens ist eine Strahlentherapie in vielen Teilen der Welt nicht ohne weiteres zugänglich. Ein ausschließlich auf Chemotherapie basierender Ansatz könnte eine kurative Behandlung für Patienten in diesen Settings mit beschränkten Ressourcen zugänglich machen. Angesichts der steigenden Darmkrebsraten bei jungen Patienten stellt dies außerdem eine Option für Patienten dar, die ihre Fruchtbarkeit erhalten oder eine frühe Menopause vermeiden möchten.“ Im Jahr 2023 wird in den USA bei schätzungsweise 46.050 Menschen ein Rektumkarzinom diagnostiziert werden. Fortschritte in der Behandlung und Früherkennung von Darmkrebs haben zu einem stetigen Rückgang der Sterblichkeitsraten geführt, wobei die relative 5-Jahres-Überlebensrate beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom bei 74% liegt. Trotz sinkender Sterblichkeitsraten nimmt die Inzidenz jedoch bei jüngeren Patienten zu. Eine Strahlentherapie kann erhebliche kurz- und langfristige Toxizitäten haben, die sich negativ auf die Lebensqualität auswirken, darunter Unfruchtbarkeit, Ovarialinsuffizienz, die Notwendigkeit einer vorübergehenden Stomaversorgung, Diarrhoe, Krämpfe, Stuhlinkontinenz und Blasenprobleme. Die Chemotherapie hat ebenfalls Nebenwirkungen wie Fatigue, Übelkeit, Erbrechen, Neutropenie, Infektionen und Neuropathie. Über die Studie An der Phase-III-Studie PROSPECT nahmen von Juni 2012 bis Dezember 2018 insgesamt 1194 Patienten mit Rektumkarzinom teil, das sich auf nahegelegenes Gewebe oder Lymphknoten, aber nicht auf entfernte Organe ausgebreitet hatte. Die Patienten wurden für die Radiochemotherapie-Gruppe (Kontrolle) oder die mFOLFOX6-Chemotherapie mit selektivem Einsatz der Radiochemotherapie (Intervention) randomisiert, und 1128 Patienten erhielten anschließend eine Behandlung im Rahmen der Studie. In der Kontrollgruppe erhielten 543 Patienten über einen Zeitraum von 5,5 Wochen eine Radiochemotherapie mit 28 Bestrahlungen, bevor eine tiefe anteriore Resektion mit totaler mesorektaler Exzision durchgeführt wurde, bei der ein Teil des Rektums und der umgebenden Lymphknoten entfernt wurden. Bei der Radiochemotherapie handelte es sich um eine Medikamentenkombination namens 5FUCRT, eine Kombination aus Strahlentherapie und einem sensibilisierenden Fluorpyrimidin (entweder intravenöses 5FU oder orales Capecitabin). In der Interventionsgruppe erhielten 585 Patienten sechs Zyklen einer Chemotherapie-Kombination namens mFOLFOX6, gefolgt von einem Tumor-Restaging. Wenn der Tumor laut einer Kontroll-MRT des Beckens um 20% oder mehr geschrumpft war, wurde vor der Operation keine Strahlentherapie durchgeführt. Wenn die Tumore nicht um 20% oder mehr schrumpften, wurde vor der Operation eine Strahlentherapie mit 5FU oder Capecitabin verabreicht. In der Interventionsgruppe benötigten 53 Personen (9%) vor der Operation eine Strahlentherapie, da die Tumoren nicht um 20% oder mehr schrumpften. Nach der Operation konnten sich Ärzte und Patienten für eine zusätzliche Chemotherapie entscheiden. Die meisten Patienten in beiden Gruppen erhielten anschließend eine weitere postoperative mFOLFOX6-Chemotherapie. Nächste Schritte Die Studie wird die Teilnehmer weiterhin begleiten und acht Jahre lang zusätzliche Daten zum krankheitsfreien Überleben, zum Gesamtüberleben, zum Lokalrezidiv-freien Überleben und anderen sekundären Endpunkten sammeln. In weiteren Studien werden die im Rahmen dieser Studie gesammelten biologischen Proben ausgewertet, um festzustellen, ob es Tumormerkmale gibt, die mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eines Ansprechens auf eine Radiochemotherapie oder mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eines Ansprechens auf eine mFOLOFOX6-Chemotherapie verbunden sind. Die Studie wurde vom National Cancer Institute der National Institutes of Health finanziert.
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