Auch Psychotherapie kann Nebenwirkungen haben

Wie jede Behandlung birgt auch die Psychotherapie Risiken und kann unerwünschte Wirkungen erzielen. Ein Forschungsteam des Uniklinikum Jena hat diese zusammengefasst. Quelle: © Wahl/Universitätsklinikum Jena)

Wie jede Behandlung birgt auch die Psychotherapie Risiken und kann unerwünschte Wirkungen erzielen. Ein Autorenteam des Universitätsklinikums Jena gibt im Fachjournal „Nature Reviews Psychology einen Überblick zum Stand der Wissenschaft und Empfehlungen für Forschung und klinische Praxis.

Das ethische Grundprinzip „nil nocere“ gilt auch in der Psychotherapie. Die transparente Aufklärung über die Risiken und Vorteile einer Therapie ist essenziell: Sie fördert das Vertrauen und die Autonomie der Behandelten, gleicht die Erwartungen an die Therapie ab, reduziert die Abbruchrate und die Unzufriedenheit mit der Psychotherapie.

Voraussetzung für diese transparente Information sind wissenschaftlich gesicherte Informationen zu den Risikoprofilen psychotherapeutischer Behandlungen. Während die Wirksamkeitsforschung eine lange Tradition hat, stehen Risiken und Nebenwirkungen erst seit kurzer Zeit auf der psychotherapeutischen Forschungsagenda. Auf Einladung des Fachjournals „Nature Reviews Psychology“ hat ein Autorenteam des Universitätsklinikums Jena (UKJ) mit internationaler Beteiligung jetzt den Stand der Wissenschaft zum Thema zusammengefasst.

Nebenwirkungen bei jeder zehnten Therapie

„An unserem Institut untersuchen wir seit Längerem die Ursachen und Auswirkungen unerwünschter Effekte der Psychotherapie“, erklärt Prof. Bernhard Strauß, Direktor des Instituts für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie am UKJ. „Neben eigenen Erhebungen und Repräsentativbefragungen werten wir seit Jahren die Beratungsanfragen beim Verein ‚Ethik in der Psychotherapie‘ aus und haben eine umfassende Literaturanalyse erstellt.“ Das Ergebnis: Bei mehr als jeder zehnten Therapie treten Nebenwirkungen auf, schwere Nebenwirkungen sind deutlich seltener.

Aber welche unerwünschten Wirkungen kann eine Psychotherapie haben? Das Spektrum reicht von zunehmenden oder neu auftretenden Symptomen über die Verschlechterung sozialer Beziehungen und negative Folgen für das Berufsleben bis hin zu akuten psychischen Krisen oder Selbstmordgedanken. „Zwei zentrale Aspekte bei der Klärung des Begriffes sind die Perspektive und die Kausalität“, erklärt die Erstautorin Prof. Jenny Rosendahl.

Die Ursachen für Nebenwirkungen sind vielfältig

So mag es aus Sicht des Patienten belastend sein, wenn er mit seinen Ängsten konfrontiert wird, das kann aber Bestandteil einer korrekt ausgeführten Therapie sein. Scheitert die Partnerschaft einer Patientin, weil die Therapie ihr Selbstbewusstsein gefördert hat, oder weil die Beziehung von vornherein nicht gut gehen konnte? Zu den Ursachen unerwünschter Effekte gehören auch therapeutische Kunstfehler – etwa ein zu frühes Therapieende, die Weiterführung einer Therapie, obwohl das Patient-Therapeuten-Verhältnis gestört ist, bis hin zu grobem therapeutischen Fehlverhalten wie sozialen und sexuellen Übergriffen.

Obwohl die Studienlage zur Wirksamkeit von Psychotherapie recht gut ist, werden Nebenwirkungen selten betrachtet. Das Autorenteam empfiehlt deshalb, in der Psychotherapieforschung negative Effekte qualitativ und quantitativ zu erfassen und zu publizieren. „Bereits in der psychotherapeutischen Ausbildung sollten die Sensibilität für mögliche negative Auswirkungen in der Therapie und das Bewusstsein für die Rolle des Psychotherapeuten bei der Erzeugung negativer Effekte entstehen“, betont Strauß. Auch in der klinischen Praxis sollten Berichtssysteme die Qualitätssicherung unterstützen. Rosendahl ergänzt: „Für eine vertrauensvolle Therapiebeziehung ist die transparente Aufklärung über negative Auswirkungen – jedoch ohne Schwarzmalerei – ebenso wichtig wie die Möglichkeit, dass Patientinnen und Patienten Probleme und Kritik in der Behandlung ansprechen können.“