Auch Schlaganfall-Patienten profitieren von intensiverer Blutdrucksenkung26. Juli 2024 Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren profitieren von einer intensiven Blutdruckkontrolle. (Foto: © Viktor Koldunov – stock.adobe.com) Eine intensivere Blutdrucksenkung führt auch nach Schlaganfall zu weniger kardiovaskulären Ereignissen. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor, die damit auch die Schlaganfallnachsorge nachhaltig verändern könnte, wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) berichtet. Bluthochdruck führt zu kardiovaskulären Erkrankungen. Wichtigstes Therapieziel bei Menschen mit arterieller Hypertonie ist daher die Absenkung der Blutdruckwerte in den Normbereich. Die Nationale Versorgungsleitlinie Hypertonie empfiehlt eine individuelle Blutdruckeinstellung auf Werte unter 140/90 mm Hg.1 Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren diskutiert, ob eine Senkung auf Werte unter 120 mm Hg besser ist als eine Senkung „nur“ auf Werte unter 140 mm Hg. Besonders wichtig ist diese Frage für Risikopopulationen, beispielsweise bei Diabetes mellitus oder früherem Schlaganfall. Die SPRINT-Studie2 hatte beispielsweise gezeigt, dass eine Senkung des systolischen Blutdrucks auf Werte unter 120 mm Hg bei hohem kardiovaskulärem Risiko (ohne bisherigen Schlaganfall oder Diabetes) wirksamer ist als die Senkung auf Werte unter 140 mm Hg. Die ACCORD-Studie3 verglich die beiden systolischen Blutdruckziele bei Diabetikern und die RESPECT-Studie4 bei Personen, die zuvor einen Schlaganfall erlitten hatten. Beide Studien konnten allerdings keine Vorteil für die restriktivere Blutdrucksenkung finden. Nun ist in „The Lancet“ die ESPRIT-Studie („Effects of Intensive Systolic Blood Pressure Lowering Treatment in Reducing Risk of Vascular Events“) erschienen.5 Sie verglich die Wirksamkeit und Sicherheit einer intensiven Blutdrucksenkung (Zielwert unter 120 mm Hg) mit der Standardbehandlung (Zielwert unter 140 mm Hg) bei Menschen mit hohem kardiovaskulärem Risiko – darunter Personen mit Diabetes mellitus, mit früherem Schlaganfall oder mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren. Der DGN zufolge handelt es sich dabei um die bisher größte randomisierte kontrollierte Studie zu den Auswirkungen einer Blutdrucksenkung auf Werte unter 120 mm Hg auf schwerwiegende vaskuläre Ereignisse. Zudem sei es die erste randomisierte Studie, die dies bei Personen mit hohem kardiovaskulärem Risiko untersucht habe, ohne jene mit Diabetes oder früherem Schlaganfall auszuschließen, erklärte die Fachgesellschaft. Von den 11.255 Teilnehmenden mit einem mittleren Alter von 64,6 ± 7 Jahren hatten 4359 einen Diabetes mellitus und 3022 einen Schlaganfall in der Vorgeschichte. 5624 erhielten eine intensive Blutdrucksenkung (unter 120 mm Hg) und 5631 die Standardbehandlung (unter 140 mm Hg). Der primäre kombinierte Endpunkt umfasste Ereignisse wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Klinikaufenthalt wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer Tod. Während der Nachbeobachtungszeit von median drei bis vier Jahren betrug der mittlere systolische Blutdruck in der Gruppe mit intensiver Behandlung 119 mm Hg (SD 11,1) und in der Gruppe mit Standardbehandlung 134,8 mm Hg (SD 10,5). Es gab bei den Ergebnissen insgesamt keine Abhängigkeit vom Diabetesstatus, der Diabetesdauer oder der Schlaganfallanamnese. Der primäre Endpunkt trat bei 547 (9,7 %) der Personen mit intensiver Blutdrucksenkung und bei 623 (11,1 %) unter Standardbehandlung auf. Der Unterschied zwischen den Gruppen beziehungsweise die Risikoreduktion (HR 0,88; 95 %-KI 0,78–0,99) war statistisch signifikant (p=0,028). Unerwünschte Ereignisse wie Hypotonie und Synkopen traten in der Intensivbehandlungsgruppe zwar häufiger auf als in der Standardbehandlungsgruppe (0,4 % vs. 0,1 %), doch hinsichtlich schwerwiegender unerwünschter Ereignissen wie Elektrolytveränderungen, Stürzen oder akuter Nierenschädigung gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. In der Intensivbehandlungsgruppe kam es bei 4,7 Prozent der Patienten zu Schlaganfällen, in der Standardgruppe bei 5,4 Prozent (HR 0,86; 95% KI 0,73–1,02); diese Reduktion verfehlte statistisch das Signifikanzniveau (p=0,083). „Die Studie war für den kombinierten primären Endpunkt gepowert, nicht für die Auswertung der einzelnen Teilkomponenten“, kommentierte Prof. Hans Christoph Diener, Essen. „Weiterführende Studien zur Fragestellung, inwieweit eine intensive Blutdrucksenkung auch das Schlaganfallrisiko senken kann, sind sinnvoll. Doch allein die Beeinflussung des kombinierten primären Endpunkts ist eindrucksvoll.“ Auch die Subgruppenanalyse führte nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, alle Risikogruppen profitierten gleichermaßen von der intensiveren Blutdrucksenkung, Patienten mit stattgehabten Schlaganfall ebenso wie die anderen Studienteilnehmenden, deren kardiovaskulären Risiko aus anderen Gründen erhöht war. Aktuell empfiehlt die Leitlinie zur Sekundärprophylaxe von ischämischen Schlaganfällen6 eine langfristige Blutdrucksenkung auf Werte unter 140/90 mm Hg. Wenn es im Hinblick auf Vorerkrankungen, das Alter und die Verträglichkeit möglich ist, könne auch auf Werte von 120–130 mm Hg gesenkt werden. Kritisch ist dabei natürlich die Frage, ob der niedrige Blutdruck toleriert wird. „Die aktuellen Studienergebnisse legen nahe, dass Patientinnen und Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko, darunter auch Menschen, die einen Schlagfall erlitten hatten, von einer intensiveren systolischen Blutdrucksenkung auf Werte unter 120 mm Hg profitieren. Zwar geben sie keinen Beleg dafür, dass es zu weniger Folgeschlaganfällen kommt, aber das Risiko für das Eintreten der im primären kombinierten Endpunkt erfassten Ereignisse reduzierte sich um zwölf Prozent. Dieses Studienergebnis wird die derzeit gängige Praxis der Nachsorge von Schlaganfallpatientinnen und -patienten nachhaltig ändern und dafür sorgen, dass eine ambitioniertere Blutdrucksenkung als bisher angestrebt wird“, ergänzt Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.
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