Auf den Kabinettsbeschluss zur Krankenhausreform folgt die Kritik

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Verstoß gegen EU-Beihilferecht, Gefährdung der Versorgungssicherheit oder Kostenexplosion für Versicherte – KBV, DKG und AOK finden wenig Gutes an der am 15. Mai vom Regierungskabinett beschlossenen Krankenhausreform.

„Es ist höchst bedauerlich und auch nicht hinnehmbar, dass die ohnehin bestehenden Wettbewerbsnachteile des ambulanten Bereichs gegenüber den Krankenhäusern noch einmal verschärft werden sollen. Aus unserer Sicht ist es von grundlegender Bedeutung, dass alle Teilnehmer des Gesundheitswesens faire, gerechte und gleiche Rahmenbedingungen haben“, kritisiert der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gemeinsam.

„Entwurf verstößt gegen Regelungen zum EU-Beihilferecht”

In ihrer ersten Stellungnahme erklären Dr. Andreas Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Sibylle Steiner: „Der Entwurf verstößt gegen Regelungen zum EU-Beihilferecht, weil er erneut eine finanzielle Förderung ausschließlich der Krankenhäuser vorsieht. Dadurch verschärfen sich noch einmal die ungleichen Wettbewerbsbedingungen und benachteiligen klar die Praxen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen.“

Ein Gutachten habe die KBV-Sorge bestätigt. Deshalb werde man nun die Europäische Kommission bitten zu prüfen, ob eine mutmaßliche Beihilfeverletzung vorliegt, kündigten sie an.

Auch der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, sparte nicht mit Kritik: Der Bundesgesundheitsminister habe trotz der Verschiebung der Abstimmung im Kabinett die Zeit nicht genutzt, um noch einmal wesentlich nachzubessern und das Gesetz praxistauglich zu machen. „Nur inhaltlich marginale Änderungen hat das Ministerium vorgenommen und damit gezeigt, dass es berechtigte Kritik, ob von Länderseite, den Krankenkassen, den Kliniken oder den Kommunen und Landkreisen, schlicht und ergreifend ignoriert. Die Reform ist so versorgungsgefährdend, dass alle Bundesländer inklusive der SPD-geführten die Pläne des Parteikollegen in einer gemeinsamen Stellungnahme ablehnen“, so Gaß.

„Statt Entökonomisierung, Entbürokratisierung und Existenzsicherung drohen wirtschaftliche Fehlanreize, Bürokratieaufwuchs und unkontrolliertes Kliniksterben”

Die von Lauterbach als Entökonomisierung angepriesene Vorhaltefinanzierung, halte nicht ansatzweise das, was er versprochen habe und auch die Umsetzung der neuen Krankenhausplanung nach Leistungsgruppen entspreche nicht den Bund-Länder-Einigungen. Laut Gaß verfehlt die Reform nicht nur das eigentliche Ziel der Entbürokratisierung, sondern verschärft die Personalengpässe durch mehr Bürokratie und Überregulierung sogar noch. Zudem verweigere das Ministerium eine Auswirkungsanalyse, denn diese würde aufzeigen, dass es deutliche Versorgungseinschränkungen geben wird, Patientinnen und Patienten werden sich an Wartelisten gewöhnen müssen“, ist Gaß überzeugt. Auch kritisiert er, dass sich Lauterbach einer kurzfristig wirksamen wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser nach der sprunghaft gestiegenen Inflation verweigert. Sein Fazit: „Das Ministerium hat den propagierten Dreiklang aus Entökonomisierung, Entbürokratisierung und Existenzsicherung mit diesem Entwurf vollständig verfehlt. Der Dreiklang besteht vielmehr aus wirtschaftlichen Fehlanreizen, Bürokratieaufwuchs und unkontrolliertem Kliniksterben.

„Die so beschlossene Krankenhausreform wird die Beitragszahlenden der GKV sehr teuer zu stehen kommen und zu höheren Beitragssätzen führen“

Der AOK Bundesverband erwartet hingegen enorme Kosten für Beitragszahlende bei unklarem Nutzen für die Qualität der Patientenversorgung. „Aus Sicht der AOK müssen Strukturreform und Reform der Finanzierung bei der Umsetzung der Krankenhausreform Hand in Hand gehen. Aktuell droht jedoch eine Entkoppelung dieser beiden Themen. Wenn die Pläne zur Finanzierung der Krankenhausreform weiter durchsegeln, wie heute vom Kabinett beschlossen, wird das die Beitragszahlenden der GKV sehr teuer zu stehen kommen und zu höheren Beitragssätzen führen“, konstatierte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer, kritisch.

Die GKV solle für die Modernisierung der Krankenhauslandschaft bezahlen, obwohl das die bisherige Logik der Krankenhausfinanzierung auf den Kopf stelle. Für die Bezahlung der Investitionskosten seien ausschließlich die Länder zuständig, aber nicht die Gesetzlichen Krankenkassen. „Wer wie die Länder allein über die Krankenhausstruktur bestimmen will, muss auch die dafür entstehenden Kosten vollumfänglich übernehmen“, so Hoyer. „Es ist bemerkenswert, dass der verquere Plan zur Finanzierung des Transformationsfonds durch die GKV weiter durchgezogen wird – trotz einhelliger Kritik von Krankenkassen, Krankenhausgesellschaft und Deutschem Ärztetag, aber auch von namhaften Experten aus der Wissenschaft. Hier drohen Entscheidungen zulasten Dritter, nämlich der Arbeitgeber und Beitragszahlenden, die dringend korrigiert werden müssen.“ Ob die Leistungsgruppen so ausgestaltet werden, dass Gelegenheitsversorgung durch eine stärkere Konzentration und Spezialisierung der Krankenhäuser verhindert und die Behandlungsqualität für die Patienten verbessert wird, ist Hoyer zufolge längst noch nicht ausgemacht. „Es ist zu befürchten, dass im weiteren Verhandlungsprozess mit den Ländern Hintertürchen und Ausnahmen bei den inhaltlichen Anforderungen der Leistungsgruppen die dringend notwendigen Verbesserungen der stationären Versorgung konterkarieren.“ Mehr Geld in Form von Zuschlägen aus dem Transformationsfonds dürfe erst dann fließen, wenn den Krankenhäusern zuvor Leistungsgruppen und Planfallzahlen zugewiesen worden seien, forderte Hoyer. (hr)