Auf der Jagd nach den Immunzellen, die für eine schwere COVID-19-Erkrankung prädisponieren

Prof. Huanhuan Joyce Chen von der Pritzker School of Molecular Engineering (PME) der University of Chicago leitete eine neue Studie, die zeigt, dass die Art der im Körper vorhandenen Makrophagen Einfluss darauf haben könnte, wie wahrscheinlich es ist, dass in Reaktion auf COVID-19 eine schwere Entzündung entsteht. (Foto: © John Zich)

Forschende von der Pritzker School of Molecular Engineering (PME) der University of Chicago (USA) haben herausgefunden, dass die Art der im Körper befindlichen Makrophagen darüber bestimmen könnte, wie wahrscheinlich es ist, dass in Reaktion auf COVID-19 eine schwere Entzündung auftritt.

„Mediziner wissen, dass COVID-19 ein Spektrum an Krankheitsschweregraden – von leichten bis schweren Symptomen – verursachen kann. Warum einige Menschen eine sehr schwere Krankheit entwickeln und andere nicht, war ein Rätsel“, erklärt dazu Prof. Huanhuan Joyce Chen, die die Studie zusammen mit Qizhou Lian von der Universität Hongkong (China) leitete. „Dies ist das erste Mal, dass jemand die Variation der Symptome mit Makrophagen in Verbindung gebracht hat.“

Ein besseres Modell für die SARS-CoV-2-Infektion

Die Untersuchung der zellulären und molekularen Auswirkungen des SARS-CoV-2-Virus stellt eine Herausforderung für Wissenschaftler dar, die zur Untersuchung von Erkrankungen des Menschen normalerweise Modellorganismen verwenden. Mäuse, Ratten und viele andere Tiere entwickeln nicht die gleichen COVID-19-Symptome wie Menschen. Aus diesem Grund nutzte Chens Gruppe bereits kurz nach Beginn der COVID-19-Pandemie menschliche Stammzellen, um das Virus zu untersuchen.

Chen und ihre Kollegen züchteten Stammzellen zu Lungen- und Kolon-Organoiden, um die Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf diese Organe sowie Medikamente für eine geeignete Therapie zu untersuchen.

In ihrer neuen Studie analysierten die Forschenden zunächst Lungenbiopsien von COVID-19-Patienten und stellten fest, dass diese besonders viele Makrophagen aufwiesen. Um die Rolle von Makrophagen im Verlauf einer COVID-19-Infektion besser zu verstehen, entwickelte Chens Team einen Ansatz, bei dem dieselbe Linie menschlicher Stammzellen verwendet werden konnte, um sich sowohl zu Lungenzellen als auch zu Makrophagen auszubilden. Dass sie sich aus denselben ursprünglichen Stammzellen entwickelten, war wichtig, um zu verhindern, dass die Immunzellen die Lungenzellen angreifen.

„Dieses Modellsystem bietet eine perfekte Möglichkeit, Schritt für Schritt zu entschlüsseln, wie diese drei Komponenten – das Immunsystem, die Lunge und das Virus – miteinander interagieren“, erklärt Chen.

Eine Kaskade von Entzündungen

Als Chens Labor die aus Stammzellen entwickelten Lungen und Makrophagen mit SARS-CoV-2 infizierte, stellten sie fest, dass nicht alle Makrophagen auf die gleiche Weise reagierten. Eine Untergruppe – M2-Makrophagen – eliminiert das Virus, indem es Viren und virusinfizierte Zellen verschlingt (Phagozytose) und dabei entzündungshemmende Moleküle freisetzt. M1-Makrophagen verhielten sich umgekehrt: Diese Zellen setzten eine Fülle entzündlicher chemischer Signale frei, die nicht nur SARS-CoV-2 bekämpfen, sondern eine umfassendere Immunantwort hervorrufen. Es wurde gezeigt, dass dieselben Entzündungsfaktoren im Blut von Menschen mit schweren COVID-19-Symptomen vorhanden sind.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen, die bereits M1-Makrophagen in der Lunge aktiviert haben, wenn sie mit COVID-19 infiziert sind, möglicherweise mit höherer Wahrscheinlichkeit eine sehr schwere Entzündung durch das Virus entwickeln“, fasst Chen zusammen. Ältere Menschen und Menschen mit bestimmten Erkrankungen wie Hypertonie oder Diabetes – von denen bereits bekannt ist, dass sie das Auftreten schwererer COVID-19-Symptome begünstigen – könnten höhere Spiegel der M1-Makrophagen aufweisen, fügt die Forscherin hinzu.

Chens Team zeigte außerdem, dass Antikörper – ähnlich denen, die bereits klinisch zur Behandlung von COVID-19 verwendet werden – M2-Makrophagen dabei halfen, SARS-CoV-2 zu beseitigen. Es seien weitere Forschungen erforderlich, um zu zeigen, ob die Beobachtungen beim Menschen zutreffen, betonen die Wissenschaftler. Die nun gewonnenen Erkenntnisse könnten aber wichtige Informationen zur Prävention oder Behandlung schwerer COVID-19-Erkrankungen bei den am stärksten gefährdeten Patienten beitragen. Und Chen denkt bereits über ihre nächsten Experimente mit den aus Stammzellen gewonnenen Organoiden nach. „Dieses Modellsystem ist nützlich, um die molekularen Mechanismen zu entschlüsseln, die nicht nur hinter COVID-19, sondern auch hinter anderen Infektionskrankheiten stehen“, erklärt Chen.

Für die Zukunft hofft ihre Arbeitsgruppe, komplexere Organoide herstellen zu können, die nicht nur Lungen- und Immunzellen, sondern auch Blutgefäße, Nerven und andere unterstützende Zelltypen umfassen.