Auf der Suche nach dem mikrobiellen Schatz17. Mai 2024 Mikroskopische Aufnahme einer Kolonie von Pendulispora rubella. Foto: Ronald Garcia/HIPS/Garcia Forschende des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) entdecken neue Bakterienfamilie mit hohem pharmazeutischem Potenzial. Die meisten in der Humanmedizin verwendeten Antibiotika haben ihren Ursprung in Naturstoffen, die von Bakterien und anderen Mikroben produziert werden. Bisher unbeschriebene Mikroorganismen sind daher eine vielversprechende Quelle neuer Wirkstoffe – auch zur Behandlung von Krankheiten wie Krebs oder viralen Infektionen. Ein Team des HIPS konnte nun eine völlig neuartige Bakterienfamilie isolieren, die ein besonders hohes Potenzial für die Produktion möglicher Wirkstoffe aufweist. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden in der Fachzeitschrift Chem. Dass bakterielle Krankheitserreger zunehmend Resistenzen gegen pharmazeutische Wirkstoffe entwickeln, ist schon lange bekannt. Dennoch wurde seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kein neuer Wirkstoff entdeckt, mit dem Resistenzen bei gramnegativen Problemkeimen langfristig bekämpft werden können. Das liegt neben ökonomischen Faktoren auch daran, dass sich die Suche nach neuen Antibiotika äußerst schwierig gestaltet. Forschende am HIPS konzentrieren sich auf die bislang nur wenig untersuchten Myxobakterien als Quelle neuer Wirkstoffe. Diese Raubbakterien produzieren antimikrobielle Wirkstoffe, um andere Mikroorganismen zu jagen und diese als Nahrungsquelle zu nutzen. Einem Team um HIPS-Abteilungsleiter Prof. Rolf Müller ist es nun gelungen, eine bislang unbekannte Familie der Myxobakterien zu isolieren, die ein besonders hohes biosynthetisches und damit auch pharmazeutisches Potenzial aufweist. Das HIPS ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes. Bislang bestand die Ordnung der Myxobakterien aus sieben Familien – mit den insgesamt vier Vertretern der neu isolierten „Pendulisporaceae“ ist nun die achte Familie dazugekommen. Gefunden wurden die neuen Stämme in Bodenproben aus den Philippinen und Sambia. Die Pendulisporaceae unterscheiden sich morphologisch deutlich von allen bislang bekannten Myxobakterien und zeichnen sich durch ein Sporulierungsverhalten aus, das Forschende bislang eher von einer anderen Gattung an Bakterien kannten, den Streptomyceten. Dr. Ronald Garcia, leitender Mikrobiologe aus der Abteilung Mikrobielle Naturstoffe am HIPS sagt: „Die Pendulisporaceae zeigen morphologische Merkmale von Streptomyceten, gehören aber phylogenetisch gesehen klar zu den Myxobakterien. Diese Kombination ist bisher einzigartig und wir hoffen von dieser Familie noch viel über den komplexen Lebensstil von Myxobakterien lernen zu können.“Mittels genetischer Analysen konnten die Forschenden außerdem herausfinden, dass in der neuen Bakterienfamilie ein enormes Potenzial zur Produktion von Naturstoffen steckt: Durch die Entdeckung der Pendulisporaceae konnte die Anzahl der bekannten genetischen Baupläne (sogenannter Biosynthese-Gencluster) für Naturstoffe aus Myxobakterien um ganze 9 Prozent gesteigert werden. „Naturstoffe sind ein vielversprechender Ausgangspunkt für die Entwicklung zahlreicher Medikamente. Im Bereich der Antibiotika handelt es sich bei mehr als 70 Prozent aller zugelassenen Wirkstoffe um Naturstoffe oder deren Derivate“, sagt Müller, wissenschaftlicher Geschäftsführer und Leiter der Abteilung Mikrobielle Naturstoffe am HIPS. „Aus den isolierten Vertretern der Pendulisporaceae konnten wir bereits interessante Moleküle isolieren, die wir so bisher noch nie gesehen haben – wir sind sehr gespannt, was uns diese Familie noch zu bieten hat.“ Einige der in der aktuellen Studie gefundenen Moleküle zeigen in Laborversuchen gute Aktivität gegen bakterielle Erreger und Pilze, sowie antivirale Eigenschaften. In den kommenden Jahren sollen die Pendulisporaceae und die von ihnen produzierten Naturstoffe am HIPS weiter erforscht und neue Wirkstoffkandidaten identifiziert werden. Die Chancen dafür stehen gut: Bei 98 Prozent der in den neuen Stämmen gefundenen Gencluster-Familien handelt es sich um Naturstoff-Baupläne, die in öffentlichen Datenbanken noch nicht vorhanden sind.
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