Aufgewachsen im Grünen – weniger Atemprobleme im Erwachsenenalter

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Personen, die ihre Kindheit in Gegenden mit viel Grün aufgewachsen sind, leiden im Erwachsenenalter seltener an Atemwegserkrankungen wie Asthma und Wheezing. Das geht aus einer kürzlich beim internationalen Kongress der European Respiratory Society (ERS) in Paris vorgestellten Studie hervor. Im Gegensatz dazu haben Kinder, die Luftverschmutzung ausgesetzt sind, später als junge Erwachsene häufiger Atemwegsprobleme.

Über den Zusammenhang zwischen einer Exposition gegenüber Luftverschmutzung im Kindesalter und langanhaltenden Atemwegsproblemen im Erwachsenenalter sei bislang wenig bekannt, heißt es in einer Pressemitteilung der ERS. Bei RHINESSA (Respiratory Health in Northern Europe, Spain and Australia) handelt es sich um eine große internationale Studie, in der die Lungengesundheit bei Kindern und Erwachsenen in sieben europäischen Ländern untersucht wurde. Sie fußt auf Informationen dazu, wie “grün” das Wohnumfeld der Probanden in deren Kindheit und wie hoch die dortige Umweltbelastung war.

In einer neuen Analyse untersuchten Dr. Ingrid Nordeide Kuiper von der Abteilung für Arbeitsmedizin am Universitätsklinikum Haukeland (Norwegen) und ihre Kollegen die Daten von 5415 Probanden im Alter von 18 bis 52 Jahren. Die verwendeten Daten stammten aus den RHINESSA-Zentren in Tartu (Estland), Reykjavik (Island), Uppsala, Göteborg und Umeå (Schweden) sowie Bergen (Norwegen). Die Wissenschaftler analysierten auch Daten zur Exposition gegenüber Luftverschmutzung zu 4414 Teilnehmern, die von den RHINESSA-Untersuchungszentren in Uppsala, Göteborg, Umeå und Bergen beigesteuert wurden.

Die Forscher stellten fest, wie viele Menschen unter mehr als drei Atemwegssymptomen litten: schweres Wheezing (Wheezing mit Dyspnoe im Vorjahr, ohne dass eine Erkältung vorlag). Zu den untersuchten Atemwegssymptomen gehörten Wheezing oder Pfeifen in der Brust, Dyspnoe beim Wheezing, Wheezing oder pfeifende Geräusche ohne eine Erkältung, ein Engegefühl in der Brust beim Aufwachen am Morgen, Aufwachen aufgrund einer anfallsartigen Dyspnoe, Aufwachen wegen Husten, Asthmaattacken und die Verwendung von Asthmamedikamenten.

Die Forscher berechneten die durchschnittliche jährliche Belastung durch drei Luftschadstoffe: zwei Feinstaubgrößen (PM2,5 und PM10) sowie Stickstoffdioxid (NO2) von der Geburt an bis zum 18. Lebensjahr. Die Studienautoren berechneten außerdem für denselben Zeitraum die durchschnittliche jährliche Exposition gegenüber einer Umgebung mit viel Vegetation innerhalb einer 100-Meter-Zone um den Wohnort der Probanden herum. Wie grün das Umfeld des Wohnortes ist, wird anhand des normierten differenzierten Vegetationsindex (NDVI) ermittelt, für den Satellitenbilder zur Quantifizierung der Vegetation in einem Gebiet verwendet werden.

Insgesamt hatten 608 Teilnehmer (12%) mehr als drei Atemwegssymptome, 384 (7,7%) litten an schwerem Wheezing und 444 (9,4%) waren eher spät im Leben an Asthma erkrankt.

“Dies sind vorläufige Ergebnisse”, erklärte Kuiper in Paris, “aber wir fanden heraus, dass die Exposition gegenüber Grün [d.h. viel Vegetation] in der Kindheit mit weniger Atemwegssymptome im Erwachsenenalter verbunden war. Dahingegen war die Exposition gegenüber Luftschadstoffen im Kindesalter mit mehr Atemwegssymptomen im Erwachsenenalter und mit spät einsetzendem Asthma assoziiert.”

Die Ergebnisse aus den einzelnen RHINESSA-Zentren zeigten, dass in Bergen die Exposition gegenüber PM2,5 und NO2 die Wahrscheinlichkeit für spät einsetzendes Asthma um 6–22% erhöhte. In Uppsala stieg die Wahrscheinlichkeit dafür, Atemwegssymptome zu entwickeln, mit einer Exposition gegenüber PM10 um 21%, in Bergen waren es 23%. In Tartu war das Leben in einer Gegend mit viel Vegetation vor dem zehnten Lebensjahr mit einer 71% geringeren Wahrscheinlichkeit für Wheezing verbunden, und Personen, die im Alter von 11 bis 18 Jahren in einer grünen Umgebung gelebt hatten, wiesen mit einer um 29% geringeren Wahrscheinlichkeit Atemwegssymptome auf und hatten eine um 39% geringere Wahrscheinlichkeit für Wheezing.

“Wir müssen diese Ergebnisse weiter analysieren, bevor wir endgültige Schlussfolgerungen ziehen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass unsere Ergebnisse die Kenntnisse über die langfristigen Auswirkungen von Luftverschmutzung und die Auswirkungen einer grünen Umgebung wesentlich erweitern werden, sodass Mediziner, Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger erkennen, welche Bedeutung Umweltverschmutzung und Zugang zu Grünflächen haben”, erklärte Kuiper. “Wir planen, weitere Analysen mit mehr RHINESSA-Zentren durchzuführen”, sagte sie und ergänzte, dass man die untersuchten Effekte auch über Generationen hinweg untersuchen wolle.

“Wir glauben, dass unsere Ergebnisse zusammen mit älteren Befunden für Stadtplaner und Entscheidungsträger in der Politik von besonderem Wert sein werden. Mit zunehmender Bevölkerungsdichte in den kommenden Jahren wird es von entscheidender Bedeutung sein, die Luftverschmutzung zu reduzieren und den Menschen in Zukunft mehr Zugang zu Grünflächen zu ermöglichen.”

ERS-Präsidentin Prof. Mina Gaga unterstrich die Bedeutung der Studie: “Aus klinischer Sicht ist der Zugang zu Grünflächen etwas, wonach sich Mediziner erkundigen sollten, wenn sie Patienten mit Atemwegsproblemen behandeln. Sie könnten beispielsweise ihren Patienten empfehlen, Gegenden mit hoher Luftverschmutzung wenn möglich zu meiden und sie darüber aufklären, dass eine grüne Umgebung hilfreich dabei sein kann, einigen der negativen Auswirkungen der Luftverschmutzung entgegenzuwirken.”