Augenärzte rufen zu Hornhautspenden auf

DOG-Generalsekretär Prof. Claus Cursiefen (l.) und DOG-Vizepräsident Prof. Gerd Geerling ermutigen zu größerer Hornhaut-Spendebereitschaft. Bildquellen: MedizinFotoKoeln/Michael Wodak, Geerling

Angesichts des bestehenden Mangels an Hornhauttransplantaten ruft die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) zum Tag der Organspende am 5. Juni zu größerer Spendenbereitschaft auf. Eine Hornhautspende kann trotz vieler vorbestehender Augenerkrankungen bis zu 72 Stunden nach dem Tod erfolgen.

In Deutschland verpflanzen Augenchirurgen jährlich mehr als 9000 Hornhäute des Auges. Dank der rasanten Fortschritte bei der Transplantationstechnik verhilft heute fast jeder Spender zwei Menschen zu neuer Sehfähigkeit. Gleichzeitig arbeiten Forscher mit Erfolg daran, durch eine Vorbehandlung des Empfängers unerwünschte Abstoßungsreaktionen noch weiter zu verringern.

Die erste Hornhautverpflanzung gelang im Jahr 1905 – die Hornhauttransplantation ist damit die älteste, häufigste und erfolgreichste Verpflanzung eines Gewebes beim Menschen. Die Keratoplastik, wie der Fachbegriff lautet, kann bei Unfällen oder Erkrankungen der Hornhaut vor Erblindung bewahren und das Augenlicht zurückgeben. Dabei hat die Transplantationschirurgie seit 2006 einen rasanten Wandel vollzogen. „Dank minimalinvasiver Techniken können wir heute selektiv und für den Patienten schonender nur den Teil der Hornhaut austauschen, der erkrankt ist, und nicht wie früher die ganze Hornhaut“, erläutert Prof. Claus Cursiefen, Generalsekretär der DOG.

Keine Hinweise auf Infektionen mit COVID-19
Dennoch mangelt es an Spendergeweben. Noch immer müssen Transplantate aus dem Ausland bezogen werden, Patientinnen und Patienten warten in Deutschland bis zu einem Jahr auf eine neue Hornhaut. Dabei stellt die Spende der Hornhaut einen unauffälligen und unkomplizierten Eingriff dar. „Die Gewebeentnahme ist nicht entstellend und für den Laien nach Entnahme nicht erkenntlich“, betont Prof. Gerd Geerling, Vizepräsident der DOG. „Sie ist bei hohem Spendenalter und trotz Vorerkrankungen wie Grauem Star, Hornhautverkrümmung, Weit- oder Kurzsichtigkeit möglich – bis zu 72 Stunden nach dem Tod“, fügt der Direktor der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Düsseldorf hinzu.
Auch COVID-19 beeinträchtigt die Transplantationsabläufe offenbar nicht: Das Infektionsrisiko bei Mitarbeitern von Hornhautbanken und Transplantatempfängern ist ersten Untersuchungen zufolge minimal (1).

Den eigenen Willen bekunden im Gespräch oder im Ausweis
Die DOG-Experten rufen zum Tag der Organspende am 5. Juni dazu auf, sich mit dem Thema Hornhautspende auseinanderzusetzen. „Ideal ist es, einen Spenderausweis zu tragen“, sagt Geerling. „Hilfreich ist aber auch schon ein Gespräch im Familienkreis, ob eine Hornhautspende infrage kommt“, ergänzt Cursiefen. Auf Basis einer solchen Willensbekundung können Mitarbeiter der Hornhautbanken, die speziell in Gesprächsführung geschult sind, gezielt mit den Angehörigen der Verstorbenen in Kontakt treten und eine Entnahme veranlassen. „Wer sich bereits zu Lebzeiten entschließt, die Hornhaut zu spenden, kann durch einen minimalen Eingriff an seinem Körper Hornhaut-Erblindeten durch das Geschenk der Transplantation zu einer vollständigen Wiederherstellung der Sehkraft verhelfen“, betont Geerling. „Er schenkt häufig gleich zwei Menschen das Augenlicht und ermöglicht ihnen Lebensqualität und Teilhabe an der Gesellschaft.“

Augenheilkunde erneut Vorreiter in der Transplantationsmedizin
Unterdessen arbeiten Wissenschaftler daran, die sehr guten Ergebnisse der Hornhauttransplantation noch weiter zu verbessern: Ein Transplantat hält heute durchschnittlich 20 bis 30 Jahre, und nur bei weniger als fünf Prozent der Transplantierten kommt es – abhängig von der eingesetzten Operationstechnik und der Ausgangssituation – innerhalb der ersten zwei Jahre zu einer Abstoßungsreaktion. Allerdings können Entzündungen oder Verletzungen vor der Transplantation zum Wachstum von Blut- und Lymphgefäßen in der Hornhaut des Empfängers führen, die später auch in das Transplantat einwachsen und damit das Risiko für eine Abstoßung des neuen Gewebes bei einer kleineren Gruppe von Patienten vervielfachen.

„Nun gibt es erste erfolgreiche Ansätze, die Hornhaut des Transplantatempfängers vorzubehandeln, um die Abstoßung zu verhindern“, erläutert Cursiefen, der als Direktor des Zentrums für Augenheilkunde der Uniklinik Köln auch Spezialist für Hornhauttransplantationen ist. Dies geschieht, indem Mediziner die Blut- und Lymphgefäße vorübergehend mit Medikamenten, einer Hitzebehandlung („Feinnadeldiathermie“) oder UV-Licht-Bestrahlung („Crosslinking“) zerstören.

Im Tiermodell hat sich diese Vorbehandlung bereits bewährt. Auch vorläufige klinische Ergebnisse bei Patienten sind erfolgversprechend – die Überlebensrate des Transplantates gleicht sich bei Patienten mit entzündeten Hornhäuten, die vor der Verpflanzung behandelt wurden, der von nicht entzündeten Augen an (2).
„Wir sind optimistisch, die Hornhautverpflanzung weiter zu verbessern“, sagt Cursiefen. Sollte dies gelingen, könnte die Augenheilkunde wie vor weit mehr als 100 Jahren erneut eine Vorreiterrolle in der Transplantationsmedizin einnehmen. Denn: „Auch bei der Nierentransplantation spielen die Lymphgefäße des Empfängers bei der Vermittlung der Abstoßungsreaktion eine große Rolle, und Daten für die Herztransplantation deuten in dieselbe Richtung“, berichtet der DOG-Generalsekretär.

Literatur:
1. Trigaux C, Salla S, Schroeter J, Tourtas T, Thomasen H, Maier P, Hellwinkel OJC, Wittmershaus I, Merz PR, Seitz B, Nölle B, Schrage N, Roters S, Apel M, Gareiss-Lok A, Uhlig CE, Thaler S, Raber F, Kampik D, Geerling G, Menzel-Severing J. SARS-CoV-2: Impact on, Risk Assessment and Countermeasures in German Eye Banks. Current Eye Research 2021;46(5):666–671.
doi: 10.1080/02713683.2020.1828487
2. Hos D, Le VNH, Hellmich M, Siebelmann S, Roters S, Bachmann BO, Cursiefen C. Risk of Corneal Graft Rejection After High-risk Keratoplasty Following Fine-needle Vessel Coagulation of Corneal Neovascularization Combined With Bevacizumab: A Pilot Study. Transplant Direct 2019 Apr 25;5(5):e452.
doi: 10.1097/TXD.0000000000000894. PMID: 31165087; PMCID: PMC6511442.