Augentraumata: Die Wunden des Krieges heilen

Karim Punja (Mitte) ist Mentor für Medizinstudenten im Bereich Augenplastik am Foothills Medical Centre, Calgary, Alberta, Kanada. Foto.©Michael Kryshtalsky/Eyes on Ukraine.

An der University of Calgary, Kanada, wurde im Rahmen eines humanitären
Projektes ein chirurgisches Stipendium etabliert, um ukrainische
Ophthalmochirurgen in plastischer Orbita- und Gesichtschirurgie auszubilden.

Dr. Olga Denysiuk ist eine hochqualifizierte Augenchirurgin in der Ukraine, die sich nun an der „Front der kriegsbedingten Augenverletzungen“ wiederfindet. „Jeden Tag führe ich meinen Krieg im Operationssaal“, erzählt Denysiuk. „Die Fälle von Augentraumata häufen sich, und es ist wichtig, dass wir Chirurgen haben, die für die Behandlung von Augenlid- und Orbitaverletzungen ausgebildet sind.“

Denysiuk ist ebenso wie die Augenspezialistin Dr. Oksana Petrenko für ein Stipendium an der Cumming School of Medicine (CSM) der Universität Calgary ausgewählt worden. Ziel dieses Stipendiums ist es, Chirurgen aus geopolitischen Krisengebieten in fortgeschrittenen periokularen Rekonstruktionstechniken zu schulen. „Die verheerenden Auswirkungen des Krieges gehen über das Schlachtfeld hinaus und hinterlassen bleibende Narben auf den Körpern und im Leben der Betroffenen“, betont der Orbita- und Gesichtschirurg Dr. Karim Punja, außerordentlicher Professor an der CSM. „Wir haben den akuten Mangel an Fachwissen im Bereich der plastischen Augen- und Gesichtschirurgie erkannt und ein Stipendium entwickelt, bei dem es sowohl um die Versorgung Kriegsverletzter als auch um das Erlernen spezieller Techniken geht.“

Während des einjährigen Programms wird Denysiuk vier Monate lang in Calgary fortgeschrittene chirurgische Verfahren trainieren. Danach wird sie für vier Monate in die Ukraine zurückkehren, um diese Fähigkeiten unter virtueller und persönlicher chirurgischer Anleitung von Punja, Dr. Michael Kryshtalskyj und anderen Chirurgen der Alberta Health Services anzuwenden. Der Zyklus schließt mit einem viermonatigen erneuten Aufenthalt in Calgary ab.

Die Idee, dieses Stipendium einzurichten, entstand aus einem spontanen Gespräch zwischen Punja und Kryshtalskyj, der auch Mitbegründer der „Eyes on Ukraine“-Initiative der Canadian Ophthalmological Society Foundation ist. Das pankanadische Programm unterstützt die Versorgung von Augenverletzungen in der Ukraine. „Der Bedarf an Spezialisten bei der Behandlung komplexer Explosionsverletzungen wird noch jahrzehntelang bestehen“, meint Kryshtalskyj. „Stipendien für ukrainische Augenärzte, die sich in der plastischen Orbita- und Gesichtschirurgie ausbilden lassen, werden sicherstellen, dass die Ukraine in den kommenden Jahren über die nötigen Kapazitäten für die Behandlung dieser besonderen Verletzungen verfügt.“

In der Ukraine gäbe es bislang nur eine Handvoll plastischer Lid- und Orbitachirurgen, die über das nötige Fachwissen verfügten, um diese speziellen Verletzungen zu behandeln, weiß Kryshtalskyj. Dabei lebten rund 50 Millionen Menschen in diesem Land. „Kurz nach Kriegsbeginn begann ich nach Möglichkeiten zu suchen, wie ich helfen könnte.“

Denysiuk und Petrenko werden ihr Stipendium voraussichtlich im Herbst antreten. Zu den Ausbildungsstätten gehören das Foothills Medical Centre, das Rockyview General Hospital, das Alberta Children’s Hospital, Holy Cross Surgical Services und das Orbit Eye Centre. Punja betont, dass viele Menschen und Organisationen zusammengekommen sind, um dieses Angebot zu realisieren. „Wir haben viel Unterstützung vom College of Physicians and Surgeons of Alberta sowie von der University of Calgary und den Alberta Health Services erhalten“, berichtet Punja. „Ich hoffe, dass dieses einzigartige Stipendium ein Vorbild für andere Abteilungen und akademische Einrichtungen wird.“

Punja erklärt, dass das einjährige Format ein schrittweises Lernen ermögliche, während gleichzeitig die Versorgung dort erfolge, wo die neuen Fähigkeiten am dringendsten benötigt würden. Nach Abschluss des Stipendiums müsse der Stipendiat auch bereit sein, den Menschen in der Ukraine als Arzt zur Verfügung zu stehen und bei der Ausbildung anderer Chirurgen mitzuwirken. Punja wird mit Denysiuk und Petrenko in der Ukraine zusammenarbeiten, um ihnen bei der Anwendung der neuen Kenntnisse zu helfen, und er wird diese Fähigkeiten auch anderen vermitteln. „Die chirurgische Ausbildung ist viel wirkungsvoller, wenn ich meine Studenten und ihre Schüler in der Ukraine begleite“, erklärt er. „Außerdem kann ich so die schreckliche Realität ihrer Situation besser verstehen und herausfinden, wie ich am besten zusätzliche Unterstützung in Form von Investitionsgütern, chirurgischem Material und Lernressourcen erhalten kann.“

„Wir freuen uns, dass dieses humanitär ausgerichtete Stipendium Gestalt annimmt“, sagt Dr. Lisa Welikovitch, Senior Associate Dean Education am CSM. „Dr. Punja ist ein angesehener Lehrer. Wir sind stolz darauf, dass er sein Fachwissen nutzen kann, um Chirurgen in geopolitischen Krisengebieten auszubilden. Wir hoffen, dass das Stipendium mit zwei Chirurginnen aus der Ukraine das erste von vielen ist, das an der Cumming School of Medicine angeboten werden kann.“ „Eyes on Ukraine“ sammelt Spenden, um die beiden Augenärztinnen während ihres Stipendiums zu unterstützen. Darüber hinaus sind Spenden erforderlich, um Material zu kaufen, das Denysiuk und Petrenko nach ihrer Rückkehr in die Ukraine benötigen, um die von ihnen erlernten Spezialverfahren durchzuführen.