Ausblick der DMKG: Das bringt 2025 für die Migränetherapie

Bis zu 14 Prozent aller Frauen leiden unter Migräne. (Foto: © zinkevych – stock.adobe.com)

Auf dem 18. Europäischen Kopfschmerzkongress (EHC) der European Headache Federation (EHF) in Rotterdam wurden aktuelle Forschungsergebnisse zu neuen Medikamenten und Wirkzielen bei Migräne diskutiert. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) gibt einen Überblick.

Zugelassen sind sie in der EU schon lange, in den USA und im europäischen Ausland sind sie längst erhältlich, die Markteinführung in Deutschland ließ aber lange auf sich warten: Gepante gelten als vielversprechende neue Medikamente aus der Klasse der CGRP-Rezeptorantagonisten, die die Möglichkeiten der individuellen Migränetherapie erweitern. Als erster Vertreter der Wirkstoffgruppe wurde Rimegepant im April 2022 für die Akutbehandlung und Prophylaxe episodischer Migräne in der EU zugelassen, zur Markteinführung in Deutschland gibt es aber noch keine Prognose. Im August 2023 folgte die EU-Zulassung von Atogepant in Tablettenform für die Prophylaxe von episodischer und chronischer Migräne.

„Die lange Wartezeit, bis eine vielversprechende Therapie in Deutschland verfügbar ist, ist bedauerlich. Wir möchten wirksame Behandlungen schneller zu den Patienten bringen“, beklagt Prof. Uwe Reuter, künftiger Präsident der European Headache Federation (EHF), Ärztlicher Vorstand der Universitätsmedizin Greifswald und Leiter der Kopfschmerzambulanz der Berliner Charité.

Atogepant: Lange erwartete neue Behandlungsoption

In den Phase-II-Zulassungsstudien PROGRESS und ADVANCE1,2 reduzierte sich unter Atogepant bei Patienten mit chronischer Migräne (≥15 Kopfschmerztage/Monat, davon ≥8 migräneartig) die Zahl der Kopfschmerztage um 6,8 Tage (vs. 5,1 Tage unter Placebo). Bei episodischer Migräne (4–14 Migränetage pro Monat) sank die Zahl um 4,1 Tage (vs. 2,5 Tage unter Placebo). Atogepant eignet sich besonders für Patienten, die mindestens vier Migränetage im Monat haben.

Die ELEVATE-Studie3 hat die Wirksamkeit und Sicherheit bei Patienten mit episodischer Migräne untersucht, bei denen herkömmliche orale präventive Migränetherapien versagt haben: Atogepant war sicher und gut verträglich und zeigte im Vergleich zu Placebo eine signifikante klinisch relevante Reduktion der monatlichen Migränetage über zwölf Wochen. „Wie Atogepant einzelnen Patienten individuell hilft, muss sich zeigen“, erklärt Reuter. Patienten, die bisher die Antikörperspritze bekommen haben, könnten nach Einschätzung des Experten auch von Atogepant profitieren. Der Vorteil: Im Gegensatz zur monatelang anhaltenden Wirkung der Antikörperspritze kann Atogepant in Tablettenform schneller wieder abgesetzt werden, etwa bei Nebenwirkungen oder einer Schwangerschaft.

PACAP: Neues Signalmolekül im Fokus der Forschung

Neben Gepanten rücken auch andere vielversprechende Ansätze in den Fokus der Migräneforschung. Das Signalmolekül PACAP-38 (Pituitary Adenylate Cyclase-activating Peptide-38) ist ein potenzielles neues Ziel für künftige Therapien. Forschungen von Prof. Messoud Ashina und seinem Team an der Universität Kopenhagen, Dänemark, die auch auf dem EHC vorgestellt wurden, haben hierzu wichtige Erkenntnisse geliefert. PACAP-38 ist wie CGRP an der Pathophysiologie der Migräne beteiligt. Die Hemmung der PACAP-Signalübertragung könnte somit ein wirksamer neuer Ansatz zur Migräneprävention sein.

Ein PACAP-Inhibitor namens Lu AG09222, ein humanisierter monoklonaler Antikörper, wurde kürzlich in einer Phase-IIa-Studie (HOPE) mit 237 Erwachsenen untersucht, die zu Studienbeginn durchschnittlich an 16,7 Migränetagen pro Monat litten.4 Die Infusion des Antikörpers verringerte die Anzahl der Migränetage pro Monat um 6,2 Tage, verglichen mit 4,2 Tagen unter Placebo. Zudem erreichten in der Verumgruppe mehr Patienten eine mindestens 50-prozentige Verringerung der Anzahl der Migränetage pro Monat als in der Placebogruppe (32 vs. 27 Prozent). „Der Unterschied war geringer als erhofft, dennoch wurde ein weiterer potenzieller Angriffspunkt für Migräne identifiziert“, berichtet Reuter.

KATP-Kanäle: Vielversprechendes Target für die Migränetherapie

Ein weiteres interessantes Wirkziel für die Migränetherapie sind KATP-Kanäle, ATP-abhängige Kaliumkanäle, die im trigeminovaskulären System weit verbreitet sind und unter anderem an der Regulierung von Anspannung von Arterien in Gehirn und Hirnhaut mitwirken. KATP-Kanäle stehen mit Substanzen in Verbindung, die Migräneattacken auslösen können, wie CGRP, Stickoxid, PACAP und Protaglandine. Studien haben außerdem gezeigt, dass Medikamente für andere Erkrankungen, die KATP-Kanäle öffnen, bei vielen Patienten zu Kopfschmerzen führen können. Beispiele sind Pinacidil (Bluthochdruck), Nicorandil (Angina Pectoris und Koronare Herzkrankheiten) und Levcromakalim (Asthma und Bluthochdruck). Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass KATP-Kanäle ein Ziel für zukünftige Migränetherapien sein könnten.

Entsprechende Wirkstoffe, die auf KATP-Kanäle abzielen, müssen jedoch noch entwickelt werden. Bisher bekannte Substanzen wie Glibenclamid und PNU37883A sind aufgrund gefährlicher Nebenwirkungen nicht geeignet. „Der Ansatz ist sehr vielversprechend: KATP-Kanäle ermöglichen einen vielseitigeren und grundlegenderen Eingriff in die Migräneentstehung als bisherige Mittel, die CGRP als Ziel haben“, erklärt Reuter.