Ausgewählte Studien vom EHA2025

Mailänder Dom (Bild: ©Boris Stroujko – stock.adobe.com)

Hämatologen aus aller Welt trafen sich vom 12.-15.06.2025 in Mailand zum 30. Kongress der European Hematology Association (EHA2025).

Von neuartigen Immuntherapiezielen und Daten aus klinischen Studien bis hin zu praxisverändernden Erkenntnissen zu seltenen Erkrankungen – sechs für die diesjährige Pressekonferenz ausgewählte Studien spiegelten die Vielfalt und Innovation wider, die die moderne Hämatologie ausmachen.

SLAMF6-Blockade stärkt T-Zell-Reaktion

Bislang konnte die Blockade von Immuncheckpoints bei Akuter myeloischer Leukämie (AML) keine dauerhaften klinischen Remissionen erzielen. Neue Forschungsergebnisse der Universität Lund und des Universitätsklinikums Skåne könnten dies jedoch ändern. Dr. Carl Sandén und seine Kollegen identifizierten SLAMF6 als dominanten Immun-Checkpoint, der in 60% der AML-Fälle aktiv ist. In präklinischen Modellen löste die Blockierung von SLAMF6 mit dem Antikörper TNC-1 potente T-Zell-Reaktionen aus, ohne normale Stammzellen zu schädigen.

„Unsere Studie zeigt, dass eine Blockade von SLAMF6 die AML endlich für eine Immuntherapie ansprechbar machen könnte“, erklärte Sandén. Diese Ergebnisse positionieren SLAMF6 als Immun-Checkpoint-Zielmolekül der nächsten Generation mit dem Potenzial, die Wirksamkeit der Immuntherapie bei AML zu erweitern.

Bisher größte Studie beleuchtet seltene MPL-mutierte essentielle Thrombozythämie

Die Essentielle Thrombozythämie (ET) ist eine seltene myeloproliferative Neoplasie, die meist durch Mutationen in JAK2 oder CALR verursacht wird. Da jedoch nur 3–5 % der Patienten Mutationen in MPL aufweisen, beschränkten sich Studien zur MPL-mutierten ET bisher auf kleine Kohorten. Eine wegweisende multinationale Studie unter der Leitung von Prof. Steffen Koschmieder (RWTH Aachen) hat diese Lücke geschlossen, indem sie die Ergebnisse von mehr als 300 Patienten an 37 Institutionen analysierte. Obwohl das Überleben mit dem anderer ET-Subtypen vergleichbar war, ergab die Studie unterschiedliche klinische Merkmale und Risikoprofile.

„Diese Zusammenarbeit schafft Klarheit für eine seltene und wenig verstandene Patientengruppe“, so Koschmieder. Die Daten bilden die Grundlage für neue Risikobewertungssysteme und Behandlungsleitlinien speziell für Patienten mit MPL-mutierter ET.

Ein neuer Standard für das rezidivierte/refraktäre DLBCL

Für Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Diffus großzelligem B-Zell-Lymphom (R/R DLBCL) sind die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt. Die globale Phase-III-Studie POLARGO unter der Leitung von Prof. Matthew Matasar vom Rutgers Cancer Institute bietet einen entscheidenden Fortschritt und zeigte, dass das Pola-R-GemOx-Regime (Polatuzumab Vedotin + Chemotherapie) das Sterberisiko im Vergleich zum Standard-R-GemOx-Regime um 40 % senkte.

„Dies ist ein bedeutender Fortschritt für Patienten mit wenigen Behandlungsalternativen“, erklärte Matasar. Dank seiner konsistenten Wirksamkeit über alle DLBCL-Subtypen hinweg und seines überschaubaren Sicherheitsprofils könnte sich Pola-R-GemOx als bevorzugte Strategie für nicht für eine Transplantation geeignete Patienten etablieren.

Cyclophosphamid nach der Transplantation als überlegene GvHD-Prophylaxe bei Stammzelltransplantationen von Geschwistern

Die australasiatische BM12 CAST-Studie, die von Prof. David Curtis (Alfred Health und Monash University) vorgestellt wurde, hat Annahmen zur Prophylaxe der Graft-versus-Host-Krankheit (GvHD) auf den Kopf gestellt. Cyclophosphamid (PTCy) in Kombination mit Cyclosporin nach der Transplantation übertraf die Standardtherapie auf Methotrexat-Basis bei gematchten Transplantationen von Geschwistern signifikant.

„Diese Kombination verlängerte das GVHD- und rezidivfreie Überleben signifikant und setzte einen neuen Maßstab für die gematchte Transplantation von verwandten Spendern“, so Curtis.

Die Einfachheit und Wirksamkeit dieses Regimes könnte unmittelbare Auswirkungen auf die klinische Praxis haben und es zum neuen Behandlungsstandard für die GvHD-Prophylaxe bei gepaarten Geschwistertransplantaten machen.

Minimales Risiko hämatologischer Komplikationen durch gängige Medikamente für Diabetes und Herzinsuffizienz

Die Arzneimittelsicherheit ist angesichts der weit verbreiteten Anwendung von SGLT-2-Hemmern bei Diabetes, Herzinsuffizienz und Nierenerkrankungen ein wichtiges Thema. Eine koreanische Studie unter der Leitung von Dr. Ji Yun Lee (Seoul National University Bundang Hospital) ergab, dass zwar 17 % der Patienten eine Erythrozytose entwickelten, damit verbundene Komplikationen wie Thrombosen jedoch selten waren.

„Diese Ergebnisse geben Ärzten und Patienten, die SGLT-2-Hemmer anwenden, wichtige Sicherheit“, erklärte Lee. Weitere Studien sind erforderlich, um die langfristigen Risiken zu untersuchen. Die aktuellen Daten unterstützen jedoch die fortgesetzte Anwendung von SGLT-2-Hemmern ohne übermäßige Bedenken hinsichtlich Erythrozytose-bedingter Komplikationen.

Mitapivat erweitert sein Potenzial auf seltene Anämien

Mitapivat ist für Pyruvatkinase-Defizienz zugelassen und zeigt nun Potenzial für die Behandlung anderer seltener hereditärer Anämien. Die von Dr. Thomas Doeven (Universitätsklinikum Utrecht) vorgestellte Phase-II-Studie SATISFY zeigte signifikante Hämoglobinanstiege und eine reduzierte Hämolyse bei Patienten mit hereditärer Sphärozytose, Xerozytose und CDA II.

„Die Fähigkeit von Mitapivats , den Stoffwechsel der roten Blutkörperchen und die Energieproduktion zu verbessern, hat sich nun auch über die bisher zugelassenen Indikationen hinaus als vielversprechend erwiesen, insbesondere für Patienten mit eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten“, so Doeven.

Die SATISFY-Studie ist Teil eines umfassenderen Projekts im Rahmen von EuroBloodNet, um Therapien für seltene hämatologische Erkrankungen voranzutreiben. Weitere Studien, darunter eine Geschwisterstudie in Kanada, sind geplant, um diese Ergebnisse zu erweitern und zu bestätigen.

Ein Kongress, der ein Fachgebiet im Wandel widerspiegelt

Der EHA2025 ist ein wichtiger Treffpunkt für wissenschaftliche Entdeckungen und strategische Weiterentwicklung und bringt Experten aus verschiedenen Disziplinen zusammen, um die Zukunft der Hämatologie zu gestalten. Die Veranstaltung beleuchtet die wachsende Schnittstelle zwischen seltenen Erkrankungen, bahnbrechenden klinischen Studien und innovativen Behandlungsmethoden und unterstreicht das Engagement der EHA, Leben weltweit zu verbessern.

Mit mehr als 185 Sitzungen, 2000 Postern und speziellen Räumen wie dem EHA Theater und dem Meeting Hub legt der diesjährige Kongress den Schwerpunkt auf Zusammenarbeit und die schnelle Umsetzung von Forschungsergebnissen in Patientennutzen. Durch die Förderung von Diskussion und Vernetzung stellt die EHA2025 sicher, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse rasch in die klinische Praxis einfließen und die Patientenversorgung verbessern.