Aussichtsreich: Neuer Arzneistoff-Kandidat gegen resistente Tuberkulose-Erreger10. Dezember 2025 Abbildung: © Zerbor/stock.adobe.com Einen neuen vielversprechenden Wirkstoff gegen Tuberkulosebakterien haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) entwickelt. Im Labor stellte das Team eine Verbindung her, die die Energieproduktion der Krankheitserreger hemmt und sie absterben lässt. Zwar wirken etablierte Medikamente auf ähnliche Weise, doch entwickelt der Erreger bekanntermaßen zunehmend Resistenzen gegen diese. Die Ergebnisse der Studie publizierten die Forschenden aus Deutschland, den USA und Kanada kürzlich im „Journal of Medicinal Chemistry“. Ein etabliertes Medikament gegen Tuberkulose ist Bedaquilin, das nach einem strengen Therapieschema über mehrere Monate verabreicht wird. Bedaquilin hemmt die Aktivität der ATP-Synthase des Erregers. „Das ist ein komplexes Enzym, das für die Energieproduktion in den Bakterien zuständig ist“, erläutert Dr. Adrian Richter vom Institut für Pharmazie der MLU. „Wird dieses Enzym ausgeschaltet, stirbt das Bakterium ab.“ Das Problem: Es treten bereits Resistenzen gegen das Antibiotikum Bedaquilin auf, obwohl es erst seit zehn Jahren breitere Anwendung findet. Aussichtsreicher Wirkstoffkandidat Ein Team um Richter hat jetzt einen Wirkstoff synthetisiert, der das Potenzial hat, sogar gegen resistente Tuberkulose-Erreger eingesetzt zu werden. Auch er richtet sich gegen die ATP-Synthase der Bakterien. Allerdings greift er eine andere Stelle des Enzyms an als Bedaquilin. „Die chemische Basis bilden sogenannte Quadratsäureamide“, erklärt Richter. „Die Verbindungen werden so bezeichnet, weil ihre Grundstruktur tatsächlich quadratisch ist. Ihr chemischer Aufbau ermöglicht es, verschiedene Molekülgruppen zu integrieren und die Eigenschaften in einer Art chemischem Finetuning gezielt zu verändern.“ An Quadratsäureamiden wird seit einigen Jahren geforscht. Aufgrund metabolischer Instabilität und Toxizität gegenüber Körperzellen sind die bisher synthetisierten Vertreter jedoch nicht als Arzneistoffe geeignet.Der neue Wirkstoff mit dem Code PRP020 besitzt diese Nachteile nicht. Er ist laut der MLU der aussichtsreichste Kandidat aus vielen Varianten, die im Rahmen der aktuellen Studie hergestellt wurden. Anschließende Tests sowohl an Tuberkulose-Bakterien als auch an isolierten ATP-Synthase-Enzymen der Bakterien ergaben für PRP020 eine hohe Wirksamkeit. Weitere Untersuchungen zeigten darüber hinaus, dass der Wirkstoff für Säugetierzellen nicht toxisch ist und von Leberenzymen nur langsam abgebaut wird. An der Studie beteiligt waren neben dem Team aus Halle auch Forschende des Leibniz Lungenzentrums Borstel, des Helmholtz-Institutes für Pharmazeutische Forschung Saarland sowie weitere wissenschaftlicher Einrichtungen in Deutschland, den USA und Kanada. Der nächste Schritt sind Tiermodelle Nach den erfolgreichen Vorarbeiten im Labor hoffen die Pharmazeuten auf einen raschen Einstieg in die nächste Phase der Forschung: Versuche in Tiermodellen sollen zeigen, wie sich der Wirkstoffkandidat in einem lebenden Organismus verhält. Bezüglich des Einsatzes im Menschen geben sich die Wissenschaftler optimistisch. „Aber wir müssen auch klar sagen: Ob aus unseren Substanzen ein marktreifes Medikament entwickelt werden kann, lässt sich vermutlich erst in einigen Jahren genauer sagen“, betont Richter. Die neuen Wirkstoffe auf Quadratsäureamid-Basis greifen indes nicht nur Tuberkulose-Erreger an. Adrian Richter hat auch weitere Mykobakterien im Blick, beispielsweise Mycobacterium avium. Dieser Keim, der von Natur aus gegen viele antibakterielle Stoffe resistent ist, nistet sich häufig in der Lunge von Mukoviszidose-Patientinnen und -Patienten ein und verursacht dort schwere Gewebsschädigungen. „Unsere Tests zeigen zwar noch nicht die gleichen starken Effekte wie gegen Tuberkulose-Bakterien, aber der Angriff auf die ATP-Synthase von Mykobakterien ist generell vielversprechend. Diesen Weg werden wir weiterverfolgen“, so Adrian Richter.Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, von der Gates Foundation, von den kanadischen Institutes of Health Research, im Rahmen des Programms „Canada Research Chairs Program“ sowie im Rahmen eines „Hospital for Sick Children“-Stipendiums und im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung gefördert.
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