Autismus: Mikroben können das Sozialverhalten beeinflussen16. Mai 2024 Die Mikrobiologin June Round hat spezifische Organismen innerhalb der menschlichen Mikrobiota identifiziert, die ein mit GI-Stress verbundenes Verhaltensdefizit verbessern können. (Quelle: Charlie Ehlert, University of Utah Health) Bei Menschen mit Autismus gehen gastrointestinale Beschwerden oft mit den sozialen Schwierigkeiten und repetitiven Verhaltensweisen einher, die für die Krankheit charakteristisch sind. Dies wirft die Frage auf, ob Magen-Darm-Probleme aufgrund von Merkmalen des Autismus entstehen oder ob sie stattdessen zu diesen beitragen. Wissenschaftler der University of Utah Health in Salt Lake City, USA, habe nun weitere Hinweise dafür gefunden, dass das Darmmikrobiom das Verhalten beeinflusst. Sie fanden insbesondere heraus, dass häufige Magen-Darm-Beschwerden bei Mäusen das Sozialverhalten beeinträchtigen können – ein Effekt, der auch dann noch anhält, wenn die gastrointestinalen (GI) Symptome abgeklungen sind. Sie zeigten auch, dass sie sowohl die GI-Symptome als auch die von ihnen ausgelösten Verhaltensänderungen lindern konnten, indem sie bestimmte Bakterienarten in den Darm der Tiere einführten. Damit zeigt die Studie, die in „Nature Communications“ veröffentlicht wurde, dass es möglich ist, Gesundheit und Verhalten zu beeinflussen, indem man das Darmmikrobiom auf kontrollierte Weise manipuliert. „Ich denke, dass dies ein wirklich wichtiger therapeutischer Schritt ist, denn jetzt können wir eine Therapie mit Organismen zusammenstellen, von denen wir wissen, dass sie sicher sind“, erkärte June Round, PhD, Mikrobiologin an der Utah Health, die die Forschung leitete. Die Verbindung zwischen Darm und Verhalten Da Wissenschaftler immer noch versuchen, den Zusammenhang zwischen GI-Problemen und autismusbedingten Verhaltensweisen zu entschlüsseln, begannen Round und ihr Team ihre Studie mit Untersuchungen an Mäusen. Doktorand Garrett Brown arbeitete dafür mit Mäusen, die an einer entzündlichen Darmerkrankung litten. Nach mehreren Colitis-Schüben durften die Symptome der Tiere abklingen, bevor die Verhaltenstests durchgeführt wurden. Mäuse, die eine Colitis durchgemacht hatten, bewegten sich normal und zeigten keine Anzeichen von Angst oder Depression. Allerdings verbrachten sie weniger Zeit damit, mit fremden Mäusen zu interagieren, als Mäuse, die keine Colitis durchgemacht hatten. Mäuse mit häufigen Magen-Darm-Beschwerden nehmen seltener mit anderen Mäusen Kontakt auf – ein Verhalten, das an soziale Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit Autismus erinnert. (Foto:© Quelle: Luat Nguyen, Universität von Utah Health) Die Abneigung gegen soziale Kontakte, die die Forscher bei den Tieren beobachteten, erinnerte an die mit Autismus verbundenen sozialen Beeinträchtigungen. Da die Experimente darauf hindeuteten, dass Probleme im Darm Veränderungen des Sozialverhaltens bewirken könnten, vermuteten die Wissenschaftler, dass das Mikrobiom – das sich bei autistischen und neurotypischen Menschen unterscheidet – in beiden Fällen eine Rolle spielen könnte. Um dies zu untersuchen, sammelte Brown Stuhlproben von Menschen mit Autismus sowie von deren neurotypischen Eltern oder Geschwistern und impfte mit den daraus extrahierten Mikroben den Magen-Darm-Trakt von Mäusen. Als er bei diesen Tieren eine Colitis auslöste, hatten Mäuse, die Mikroben von Menschen mit Autismus trugen, mehr Darmschäden und verloren mehr Gewicht als Mäuse, deren Mikroben von neurotypischen Menschen stammten. Es schien, dass die Mischung von Mikroben, die von neurotypischen Individuen gesammelt wurden, eine schützende Wirkung hatte. Mikrobielle Beschützer finden Die mikrobielle Gemeinschaft im menschlichen Darm ist so komplex, dass die Proben, die das Team für seine Experimente verwendet hatte, Hunderte von Bakterien, Viren und Pilzen enthielten. Round und Brown wollten jedoch wissen, welche Mitglieder dieser Gemeinschaft vor Darmproblemen schützen. Zu diesem Zweck verglich Brown die Darmmikroben von Menschen mit Autismus mit denen ihrer neurotypischen Familienmitglieder sowie mit den Mikroben, die im Darm von Mäusen lebten, denen diese Mikrobengemeinschaften transplantiert worden waren. Er suchte nach potenziell schützenden Mikroben, die bei Menschen mit Autismus im Vergleich zu neurotypischen Personen unterrepräsentiert waren – und er fand einige. ’„Wir waren in der Lage, einzelne Mikrobenarten herauszufiltern, von denen wir annahmen, dass sie eine wichtige Rolle bei der Resistenz gegen schwere Kolitis spielen könnten”, erklärte Brown. Zwei davon stachen besonders hervor: So waren Bestimmte Arten von Blautia-Bakterien bei neurotypischen Personen stärker vertreten als bei ihren autistischen Familienmitgliedern. Und unter den Mäusen, die mit Mikroben von Autisten besiedelt waren, war Bacteroides uniformis bei denjenigen, deren Colitis weniger schwerwiegend war, häufiger vertreten. Es ist bekannt, dass B. uniformis bei Menschen mit Reizdarmsyndrom und Morbus Crohn unterrepräsentiert ist, was auf eine Rolle für die Darmgesundheit schließen lässt. Nachdem die Forscher diese Bakteriengruppen ausfindig gemacht hatten, verabreichte Brown sie den Mäusen, bevor die Forscher eine Colitis auslösten. Sowohl Blautia als auch Bacteroides uniformis verringerten die Darmprobleme, Blautia-Bakterien hatten zudem eine positive Wirkung auf das Sozialverhalten:Tiere, denen diese Bakterien verabreicht wurden, gingen nach der Colitis eher auf fremde Mäuse zu als andere Mäuse. Auf dem Weg zu personalisierten Therapien Laut Round ist die Studie eine der ersten, die spezifische Organismen in der menschlichen Mikrobiota identifiziert, die ein mit GI-Stress verbundenes Verhaltensdefizit lindern können. „Dies ist ein Beispiel dafür, dass uns Mikroben fehlen, und das Fehlen dieser nützlichen Mikroben führt zu Krankheiten“, erklärte die Forscherin. Weitere Forschungsarbeiten werden erforderlich sein, um zu klären, ob die Erhöhung der Anzahl von Blautia– oder Bacteroides uniformis-Bakterien Menschen mit Magen-Darm-Störungen, Autismus oder anderen Erkrankungen helfen könnte. Round ist jedoch überzeugt, dass die Entschlüsselung ihrer individuellen Wirkungen ein wichtiger Schritt in Richtung personalisierter, auf das Mikrobiom ausgerichteter Therapien ist. „Eines Tages werden wir in der Lage sein, das Mikrobiom schnell zu analysieren und zu sagen: ‚Hey, dir fehlt diese wirklich wichtige Mikrobe. Wir werden sie dir zurückgeben‘“, erklärte die Forscherin.
Mehr erfahren zu: "Schlaf als Schlüssel zum Verständnis von ME/CFS" Schlaf als Schlüssel zum Verständnis von ME/CFS Forschende aus Mannheim untersuchen die Rolle schlafbezogener Biomarker bei der Entstehung der Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS). Ziel ist es, die Mechanismen und Ursachen der Erkrankung besser zu verstehen, um […]
Mehr erfahren zu: "LWL-Klinikum Marsberg eröffnet Tagesklinik für Kinder und Jugendliche" LWL-Klinikum Marsberg eröffnet Tagesklinik für Kinder und Jugendliche Eine neue Tagesklinik in den Räumlichkeiten des LWL-Klinikums Marsberg bietet zwölf Therapieplätze für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen im Alter von sechs bis 18 Jahren.
Mehr erfahren zu: "Intelligentes Absaugsystem soll die Beatmung Frühgeborener sicherer machen" Intelligentes Absaugsystem soll die Beatmung Frühgeborener sicherer machen Forschende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg entwickeln eine neue Absaugtechnik für die Beatmung von Frühgeborenen.