AWMF fordert Gesundheitspolitik nach Maßstäben der evidenzbasierten Medizin

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Laut Koalitionsvertrag soll das Patientenwohl der entscheidende Maßstab aller zukünftigen gesundheitspolitischen Entscheidungen werden. Die AWMF begrüßt dies, kritisiert jedoch, dass die wissenschaftliche Medizin dabei nicht erwähnt wird.

Patientenwohl könne nur dann erreicht werden, wenn sich künftige gesundheitspolitische Entscheidungen an wissenschaftlichen Fakten orientieren: Nur wenn nachweisbar sei, dass eine gesetzgeberische Maßnahme im Gesundheitswesen im Sinne der evidenzbasierten Medizin ausreichend, zweckmäßig und notwendig ist, diene sie auch dem Wohl von Patientinnen und Patienten, heißt es in einer Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Um das zu gewährleisten, sei eine enge Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Medizin unverzichtbar. „Wir müssen mehr und früher als bislang in gesundheitspolitische Entscheidungen einbezogen werden“, forderte AWMF-Präsident Prof. Rolf Kreienberg.

Zwar werde im Koalitionsvertrag betont, dass der Dialog auch mit der Wissenschaft intensiviert werden müsse, die evidenzbasierte Medizin als Grundpfeiler einer wissenschaftlich begründeten Prävention, Diagnostik und Therapie finde in dem 177-Seiten starken Vertrag jedoch keinerlei Erwähnung, monierte die Arbeitsgemeinschaft.

„Die alternde Gesellschaft, die Zunahme chronischer Erkrankungen, Antibiotika-Resistenzen, aber auch die Digitalisierung und der Nachwuchsmangel in vielen Teilen der Medizin stellen uns vor große gesamtgesellschaftliche Herausforderungen“, sagte Kreienberg. Diese seien nur zu bewältigen, wenn die künftige Bundesregierung bei gesundheitspolitischen Entscheidungen die Ebenen und Akteure einbinde, die die höchste Kompetenz und Expertise zu einem Thema mitbringen.

Die AWMF begrüßt auch das Anliegen der Koalitionsparteien, die Gesundheitsforschung auszubauen. Damit hätten diese eine zentrale Forderung der AWMF in ihrem künftigen Regierungsprogramm verankert, erklärte die Arbeitsgemeinschaft. Doch auch hier komme es auf die Ausgestaltung an: Hochschulmedizin, Versorgungsforschung und Medizininformatik könnten nur im Sinne der Patienten gestärkt werden, wenn auch hier die Grundpfeiler der wissenschaftlichen Medizin zum Maßstab des Handelns werden. Dazu gehöre, dass wissenschaftliches Arbeiten innerhalb der Medizin in Ausbildung und Beruf einen höheren Stellenwert bekomme, wissenschaftliche Studien und Netzwerke gefördert, die individuellen Bedürfnisse der Patienten und das Erfahrungswissen der Experten regelmäßig abgefragt werde und in Aktivitäten einfließen. „Dafür ist die AWMF in Deutschland das Expertengremium, das sich im Interesse des Patientenwohls gerne in die künftige Regierungsarbeit einbringt“, betonte Kreienberg.