Ballaststoffreiche Ernährung als Zusatzbehandlung für Rheumatoide Arthritis?15. Juli 2020 © mapoli-photo-AdobeStock Ballaststoffreiche Ernährung hemmt die Produktion des Proteins Zonulin. Dieses ist Forschern aus Nürnberg zufolge mit dafür verantwortlich, dass der Darm durchlässig für Stoffe wird, die im Körper Autoimmunreaktionen wie Rheumatoide Arthritis (RA) auslösen. Sie stellten fest, dass sich die Zonulin-Produktion sowohl durch kurzkettige Fettsäuren als auch durch Larazotid-Acetat verringern und die Krankheitsaktivität bei RA damit hinauszögern lassen kann. Ballaststoffe aus der Nahrung sind ein gefundenes Fressen für die Darmbakterien, welche daraus kurzkettige Fettsäuren herstellen. Diese kurzkettigen Fettsäuren wirken sich positiv auf entzündliche Erkrankungen wie die RA aus. Ernähren sich RA-Patienten ballaststoffreich, erhöht sich unter anderem die Zahl der regulatorischen T-Zellen, die Autoimmunreaktionen entgegenwirken. Auch das Allgemeinbefinden der Patienten verbessert sich bei ballaststoffreicher Kost, fanden Forschende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) heraus. Die Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift “Nutrients” veröffentlicht*. Den Darmbakterien kommt bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen eine nicht unerhebliche Rolle zu. Diese Mikroorganismen, die bei Erwachsenen gut zwei Kilogramm des Körpergewichts ausmachen, sind darauf angewiesen, gut gefüttert zu werden, damit die Darmflora intakt bleibt. Das heißt: Sie brauchen Ballaststoffe. Die heutige Ernährung ist jedoch oft ballaststoffarm, was zu einer gestörten Darmflora führen kann. Eine gestörte bakterielle Zusammensetzung im Darm wiederum wird in Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen gebracht. Denn dann stellen die Mikroorganismen weniger kurzkettige Fettsäuren her. Diese Fettsäuren, zu denen Propionat und Butyrat zählen, kommen zum Beispiel in der Gelenkflüssigkeit vor, tragen zur Funktionsfähigkeit der Gelenke bei und beugen Entzündungen vor**. Eine weitere Studie des Teams um Prof. Mario Zaiss, Professur für Immuntoleranz und Autoimmunität der FAU, stützt diese Ergebnisse. Die FAU-WissenschaftlerInnen untersuchten, wie sich das Protein Zonulin im Darm hemmen lässt, das Autoimmunerkrankungen Vorschub leistet. Sie stellten dabei unter anderem fest, dass Ernährung und Darmbakterien Einfluss auf die Zonulin-Produktion nehmen. Die Resultate dieser Studie wurden im Magazin “Nature Communications” publiziert**. Von der Symptomfreiheit zur Krankheit Das Team der FAU um Prof. Dr. Mario Zaiss untersuchte in der Zonulin-Studie, welchen Beitrag die Darmflora zum Prozess von der symptomfreien Autoimmunität hin zur Krankheitsaktivität leistet. Die WissenschaftlerInnen fanden heraus, dass das Darmepithel bei einer gestörten Bakterienbesiedlung vermehrt Zonulin ausschüttet. Zonulin sorgt dafür, dass die Tight Junctions – Proteine, die die Zellzwischenräume der Darmummantelung abdichten – durchlässig werden, zum Beispiel für Peptide oder Teile von Bakterien. Die Bakterienbruchstücke ähneln menschlichen Körperbestandteilen, weshalb, so vermuten die FAU-Forschenden, der Organismus nicht zwischen den Fremdstoffen und eigenen Körperzellen unterscheiden kann. Er greift die Eindringlinge an und bildet Antikörper, die sich zugleich gegen eigene Körperzellen richten. Die Folge sind autoimmun bedingte Entzündungsreaktionen und zugleich der Startschuss für die Krankheitsaktivität bei RA. Bei einer gesteigerten Zonulin-Konzentration im Darm, so die Studie, erhöht sich auch bei bislang symptomfreien Patienten mit einer Autoimmunität das Risiko für den Ausbruch einer RA innerhalb des Folgejahres. Durch Biopsien der Dünndarmschleimhaut belegten die FAU-Forschenden, dass sich die Tight Junctions bei erhöhten Zonulin-Werten veränderte und durchlässiger wurde. Auch eine Durchlässigkeit des Darms für Lactulose wies sowohl bei Mäusen wie bei Menschen auf den Beginn einer aktiven RA hin. Weniger Zonulin, weniger Beschwerden Da die Forschenden die positiven Wirkungen der kurzkettigen Fettsäure Butyrat auf RA bereits aus ihrer vorhergehenden Studie kannten, verabreichten sie auch in der Zonulin-Studie Mäusen Butyrat. Es zeigte sich, dass diese Behandlung den Beginn der RA verzögerte, die Zonulin-Konzentration senkte und die intestinale Barriere stärkte. Eine noch stärkere Wirkung erzielten sie mit der Gabe von Larazotid-Acetat, einem Stoff, der bereits in klinischen Studien zur Behandlung von Zöliakie verwendet wird. Unter Larazotid-Acetat, das die Zonulin-Produktion hemmt, ging die Entzündungstätigkeit in den Gelenken zurück, die Knochenfestigkeit stieg an und der Beginn der RA ließ sich hinauszögern. Die Wissenschaftler der FAU gehen davon aus, dass sich auch bei Menschen die RA-Krankheitsaktivität durch eine Blockade der Zonulin-Produktion mit Larazotid-Acetat verzögern lassen kann. Da die Substanz bereits in Phase-III-Studien getestet wird, könnte ein Einsatz für RA bald ebenfalls möglich sein. Mit Ballaststoffen zum Darmgleichgewicht Außerdem empfiehlt das FAU-Team, die Darmflora durch eine ballaststoffreiche Ernährung ins Gleichgewicht zu bringen, um die Darmbakterien in die Lage zu versetzen, größere Mengen Butyrat herzustellen und die Darmbarriere zu stärken. Die Forschenden sehen im Verzehr von Ballaststoffen einen zusätzlichen Behandlungsansatz der RA und unter Umständen auch anderer Autoimmunerkrankungen. Studienleiter Zaiss: „Schon Hippokrates hat die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit erkannt und falsche Ernährung als eine der Hauptursachen für die Entstehung von Krankheiten ausgemacht: ‚Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel, und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein.‘ Wenn also Krankheit durch eine fehlerhafte Ernährung ausgelöst werden kann, dann sollten wir uns nochmals eingehend damit beschäftigen und die Zusammenhänge besser erforschen.“ Originalpublikationen:* The Role of Dietary Fiber in Rheumatoid Arthritis Patients: A Feasibility Study. Nutrients 2019 Oct 7;11(10):2392. doi: 10.3390/nu11102392.T** Targeting Zonulin and Intestinal Epithelial Barrier Function to Prevent Onset of Arthritis. Nat Commun 2020 Apr 24;11(1):1995. doi: 10.1038/s41467-020-15831-7.
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