Beatmungsstrategien bei Ein-Lungen-Ventilation im Vergleich23. Dezember 2025 Jakob Wittenstein ist internationaler Koordinator und Erstautor der PROTHOR-Studie. (Foto: ©Kirsten Lassig/UKD) Bislang war unklar, wie sich verschiedene Beatmungsstrategien während einer Operation im Bereich der Lunge auf das Risiko möglicher Komplikationen auswirken. Die PROTHOR-Studie gibt nun Antworten zur Wahl des Beatmungskonzeptes während einer Ein-Lungen-Ventilation. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich im renommierten Fachjournal „Lancet Respiratory Medicine“ veröffentlicht. Geleitet wurde die weltweit größte Studie zur Patientensicherheit bei großen Lungenoperationen von der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden. Hoher versus niedriger PEEP im Vergleich Bei Operationen an der Lunge wird auf die Ein-Lungen-Ventilation zurückgegriffen, um den Lungenflügel, der operiert wird, gezielt stillzulegen. Dies führt zu einer erhöhten mechanischen Belastung des beatmeten Lungenflügels und damit zu einem erhöhten Risiko für postoperative pulmonale Komplikationen wie Atemversagen und Lungenentzündungen. Welche Beatmungsstrategie das Auftreten dieser Komplikationen bei großen Lungenoperationen reduzieren kann, war bisher nicht geklärt. In der internationalen Phase-III-Studie PROTHOR wurde nun untersucht, ob eine Beatmung mit einem höheren positiven endexspiratorischen Druck (PEEP; 10 cm H₂O) und routinemäßigen Rekrutierungsmanövern das Risiko für Lungenkomplikationen im Vergleich zu einer Strategie mit niedrigerem PEEP (5 cm H₂O) ohne solche Manöver senken kann. Rekrutierungsmanöver bewirken die Wiedereröffnung von verschlossenen Lungenbläschen. Gleichzeitig kann sich jedoch ein erhöhter PEEP und Rekrutierungsmanöver negativ auf den Blutdruck auswirken. Über acht Jahre hinweg wurden dazu 2200 Patientinnen und Patienten an 74 Zentren in 28 Ländern untersucht, bei denen eine Ein-Lungen-Ventilation über mehr als 60 Minuten vorgesehen war. Vor- und Nachteile der jeweiligen Beatmungsstrategie Im Ergebnis führte eine Beatmung mit erhöhtem PEEP und Rekrutierungsmanövern zu einem besseren Gasaustausch in der Lunge wohingegen ein niedrigerer PEEP mit stabileren Kreislaufverhältnissen während der Narkose verbunden war. Das Auftreten postoperativer Lungenkomplikationen unterschied sich nicht zwischen den Gruppen. Konkret war der primäre Endpunkt das Auftreten postoperativer Lungenkomplikationen innerhalb der ersten fünf Tage nach der Operation. Mit 53,6 Prozent in der Gruppe mit hohem PEEP vs. 56,4 Prozent in der Gruppe mit niedrigem PEEP konnte hinsichtlich dieser kein statistisch signifikanter Unterschied (p = 0,155) festgestellt werden. Intraoperative Komplikationen traten hingegen deutlich häufiger bei hohem (49,8 %) als bei niedrigem PEEP (31,3 %) auf. Besonders häufig waren die Hypotonie bei 37 versus 14 Prozent und neue Herzrhythmusstörungen bei zehn versus vier Prozent. Umgekehrt kam es in der Niedrig-PEEP-Gruppe häufiger zu Hypoxämien, die eine Intervention erforderten (9 vs. 3 %). Andere postoperative Komplikationen außerhalb der Lunge waren in beiden Gruppen ähnlich häufig (etwa 10 %). Auch die Gesamtzahl schwerer Nebenwirkungen war gleich (209 vs. 204 Ereignisse). Keine „One-size-fits-all“-Lösung Die Studienautoren folgern, dass die Auswahl des jeweiligen Beatmungskonzeptes individuell und unter sorgfältiger Abwägung der jeweiligen Patientenbedingungen während der Operation erfolgen sollte. „Diese neuen Forschungsergebnisse ermöglichen eine Verbesserung der Beatmung während komplexer Lungeneingriffe und tragen zur Patientensicherheit bei. Die PROTHOR-Studie zeigt, welche Verantwortung wir in der Patientenversorgung übernehmen“, sagt Prof. Uwe Platzbecker, Medizinischer Vorstand am Universitätsklinikum. „Gerade bei solchen komplexen Eingriffen ist die Narkose und differenzierte Beatmung mitentscheidend für den Behandlungserfolg. Die PROTHOR-Studie zeigt auch uns Chirurgen: Es gilt individuell die optimale Beatmungsstrategie festzulegen, um die Sicherheit der Patientinnen und Patienten zu erhöhen“, sagt Dr. Alexander Kern. Er ist seit Oktober als weiterer Experte in der Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Dresden tätig. (ah/BIERMANN)
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