Beeinflussen Purine die Krebsentstehung?11. Mai 2021 Studienautorin Dr. Kai-Chun Li und Projektleiter Prof. Giulio Superti-Furga. Foto: Laura Alvarez/ CeMM Ein Protein, das im Prozess der epigenetischen Regulation involviert ist und als wichtiger Krebsmarker identifiziert wurde, ist BRD4. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass die Zufuhr von Purinen sowie die Purin-Synthese einer Zelle die BRD4-Aktivität beeinflussen und somit eine Rolle im Krebsentstehungsprozess spielen können. Die aktuell in “Nature Metabolism” publizierte Studie der Forschungsgruppe von Prof. Giulio Superti-Furga, Principal Investigator und Scientific Director am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, zeigt nun, dass die Zufuhr von Purinen sowie die Purin-Synthese einer Zelle die BRD4-Aktivität beeinflussen und somit eine Rolle im Krebsentstehungsprozess spielen können.Das Protein BRD4, das einen entscheidenden Beitrag zum Ent- und Verpacken der DNA im Chromatin leistet, wurde als Marker für Krebserkrankungen identifiziert. Seither gehen WissenschaftlerInnen der Frage nach, wie sich BRD4 regulieren lässt. Einen wichtigen Beitrag zur Antwort auf diese Frage liefert eine aktuelle Studie von Wissenschaftlerin Kai-Chun Li. Sie untersuchte, wie Purine BRD4 und somit den Entstehungsprozess diverser Krebserkrankungen beeinflussen. Störungen des Purin-Stoffwechsels in der Zelle wurden bereits in der Vergangenheit mit einigen Krankheitsbildern assoziiert. In der Studie zeigte sich einerseits, dass das Hemmen der Purin-Zufuhr sowie die Störung der Purin-Synthese eine Funktionsstörung von BRD4 auslösen und somit die Chromatinzugänglichkeit beeinflussen können. Andererseits konnte durch die Zugabe von Adenin die BRD4-Funktionalität wiederhergestellt werden.Erforschung der TransportwegeIn der Forschungsgruppe von Superti-Furga stehen besonders jene Transportproteine im Genom im Fokus, die zahlreiche wichtige Stoffe wie unter anderem Nährstoffe und Metabolite in und aus der Zelle transportieren – sogenannte Solute Carriers (SLC). Studienautorin Li erklärt: „Unser Ziel war es, die Beteiligung von SLC-vermittelter Purin-Aufnahme und zellulärem Stoffwechsel an der Regulierung zellulärer epigenetischer Zustände zu untersuchen, denn der Purin-Stoffwechsel spielt eine wesentliche Rolle im Zellmetabolismus.“ Mithilfe der SLCs konnten die WissenschaftlerInnen für ihre Studie die Purin-Zufuhr regulieren und die direkten Effekte beobachten. Sie nutzten sowohl ein genetisches Screening basierend auf einer CRISPR/Cas9-Bibliothek fokussiert auf Transporter sowie ein Drug Screening mittels einer Substanzbibliothek – hauptsächlich bestehend aus zellulären Metaboliten und Arzneimitteln, um der Regulation von BRD4-abhängigen Chromatinzuständen in myeloischen Leukämiezellen auf die Schliche zu kommen. Die WissenschaftlerInnen verglichen „normale“ Krebszellen mit jenen Krebszellen, bei denen die SLCs, die Purine transportieren, gehemmt wurden. Zudem wurden in verschiedenen Versuchen Purine in das Wachstumsmedium der Zellen hinzugefügt oder weggelassen und so wurde die Purin-Biosynthese in den Zellen reguliert.Adenin bringt BRD4 zurück ins GleichgewichtDie Studie zeigt, dass ein Ungleichgewicht der intrazellulären Purin-Pools zu einer Funktionsstörung der BRD4-abhängigen Transkriptionsregulation des Chromatins führt, das heißt, dass das korrekte Ablesen der DNA-Information gestört wird. „Diese Ergebnisse belegen eine pharmakologisch wirksame Achse zwischen dem Purin-Stoffwechsel und BRD4-abhängigen Chromatinzuständen“, erklärt Studienleiter Superti-Furga. In der Vergangenheit wurden bereits Medikamente entwickelt, die BRD4 beeinflussen. Gleichzeitig wurden einige Krebsarten auch resistent gegen derartige BET-Inhibitoren. „Wir zeigen mit unserer Studie einen weiteren Weg auf, um BRD4 zu regulieren – durch Beeinflussung des Purin-Stoffwechsels.“ Auch auf die Frage, wie die BRD4-Funktionalität wiederhergestellt werden könnte, fanden die WissenschaftlerInnen eine Antwort: Sie konnten zeigen, dass Adenin, eine von Purin abgeleitete Verbindung, die stärkste Rolle bei der BRD4-Interaktion spielt. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Adenylate (Adenin, ATP etc.) wichtig für gesunde Zellen sind. Dies könnte ein wichtiger Ansatzpunkt zur Entwicklung neuer Therapien gegen BRD4-induzierte Krebsarten sein“, so Superti-Furga.________________________________________________________________________Publikation: Die Studie „Cell-surface SLC nucleoside transporters and purine levels modulate BRD4-dependent 2 chromatin states“ erschien in der Zeitschrift “Nature Metabolism” am 10. Mai 2021, doi.org/10.1038/s42255-021-00386-8AutorInnen: Kai-Chun Li, Enrico Girardi, Felix Kartnig, Sarah Grosche, Tea Pemovska, Johannes W. Bigenzahn, Ulrich Goldmann, Vitaly Sedlyarov, Ariel Bensimon, Sandra Schick, Jung-Ming G. Lin, Bettina Gürtl, Daniela Reil, Kristaps Klavins, Stefan Kubicek, Sara Sdelci, Giulio Superti-FurgaFörderung: Die Studie wurde unterstützt durch den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF SFB F4711, I2192-B22), den Europäischen Forschungsrat (ERC AdG 695214 Game of Gates), die Europäische Kommission (Marie Sklodowska-Curie Action Fellowship 661491) und ein EMBO long-term Fellowship (ALTF 733-2016, T.P.). Sara Grosche wird von der Peter und Traudl Engelhorn-Stiftung unterstützt. Die Forschungsgruppe von Stefan Kubicek arbeitet mit finanzieller Unterstützung des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF F4701) und des Europäischen Forschungsrats im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union (ERC-CoG-772437).
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