Behandlung von Entzündungen mit Kortison: Auf das richtige Timing kommt es an

Erstautorin der neuen Publikation, Doktorandin Elena Brunner (l.), und Studienleiter Markus Werner von der Uni Jena haben in der gerade veröffentlichten Studie untersucht, wie Kortisonpräparate das Entzündungsgeschehen beeinflussen. (Foto: Anne Günther/Uni Jena)

Deutsche und US-Forschende haben einen wichtigen Mechanismus der Wirkung von Kortisonpräparaten bei der Behandlung von akuten und chronischen Entzündungserkrankungen aufgeklärt.

Ob Sportverletzung, „Mausarm“ oder Schmerzen im Knie – zur Behandlung von akuten Entzündungen kommen häufig Kortisonpräparate zum Einsatz. Auch chronische Entzündungskrankheiten wie Asthma, Diabetes und Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen werden mit kortisonhaltigen oder davon abgeleiteten Medikamenten behandelt. Der Grund: Diese Medikamente haben in der Regel einen sehr schnellen entzündungshemmenden Effekt. Allerdings gibt es auch Nachteile: Zum einen ist ihre therapeutische Wirkung oftmals zeitlich begrenzt, was anfangs sehr gut wirkt, zeigt über den Behandlungsverlauf einen immer geringeren Effekt; zum anderen können schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten, darunter Osteoporose, erhöhte Infektanfälligkeit, Magengeschwüre und Stoffwechselstörungen.

„Es kommt beim Einsatz dieser Präparate folglich darauf an, ihre Anwendung zeitlich zu begrenzen und zu optimieren“, sagt Prof. Oliver Werz, Professor für Pharmazeutische Chemie von der Universität Jena. Doch wann ist das optimale Behandlungsfenster und wann ist der Einsatz von Kortisonpräparaten eher kontraindiziert? Diese Frage ließ sich bislang nicht eindeutig beantworten. In einer aktuellen Studie haben Werz und Dr. Markus Werner vom Institut für Pharmazie gemeinsam mit weiteren Forschenden der Universität Jena, des Jenaer Universitätsklinikums und der Harvard Medical School (USA) nun einen wichtigen biochemischen Mechanismus aufgeklärt, wie Kortisonpräparate in menschlichen Immunzellen entzündungsauflösend wirken und ebnen damit den Weg für einen optimierten Einsatz dieser Medikamente.

Kortison beeinflusst Enzyme zur Bildung entzündungsauflösender Botenstoffe

Im Verlauf einer Entzündungsreaktion treten zu Beginn zunächst entzündungsfördernde Immunzellen auf, darunter M1-Makrophagen. Sie produzieren entzündungsfördernde Botenstoffe (Prostaglandine und Leukotriene), welche die typischen Symptome wie Fieber und Schmerzen auslösen. Nach einigen Tagen folgt die zweite Phase, in der die Entzündung abklingt. Dann sind vermehrt Makrophagen vom Typ M2 aktiv, die entzündungsauflösende Botenstoffe produzieren (Resolvine). „Wir konnten in Untersuchungen an Zellkulturen zeigen, dass Kortison in den Immunzellen die Aktivität bestimmter Enzymgene reguliert, die das Entzündungsgeschehen direkt beeinflussen“, erklärt Werner. Dadurch veranlasse Kortison in früh auftretenden M1-Makrophagen die Bildung entzündungsauflösender Resolvine, schwächt diese Funktion in den später auftretenden M2-Makrophagen aber stark ab.

Reguliert wird dieser Effekt durch das Enzym 15-Lipoxygenase, das in zwei Formen in den Immunzellen vorkommt, der 15-Lipoxygenase-1 und der 15-Lipoxygenase-2. „Wir fanden heraus, dass Kortison die 15-Lipoxygenase-2 in entzündungsfördernden M1-Makrophagen der frühen Entzündungsphase hochreguliert. Dieses Enzym katalysiert die Bildung von Resolvinen, wodurch Entzündungsprozesse gestoppt und aufgelöst werden, was für die positiven Effekte des Kortisons mitverantwortlich ist“, erläutert Werner weiter. Zugleich zeigte sich in den Versuchen auch, dass Kortison diese für die Heilung wichtige Resolvinbildung in entzündungsauflösenden M2-Makrophagen unterdrückt, indem die 15-Lipoxygenase-1 quasi „abgeschaltet“ wird. „Das erklärt, warum die Anwendung von Kortison in der späteren Phase entzündlicher Erkrankungen nicht mehr zu einer Linderung der Symptome führt, ja sogar kontraproduktiv sein kann und Regenerationsprozesse hemmt“, ergänzt Werz.

Von der Laborbank in die Klinik

Nachdem die Forschenden die Mechanismen auf der Genregulationsebene entschlüsselt hatten, haben sie diese in weiteren Untersuchungen an Immunzellen aus Patientenproben überprüft. Eingeschlossen wurden Patienten am Universitätsklinikum Jena, sowohl mit chronischen Entzündungserkrankungen, wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa, als auch solche mit schweren akuten Entzündungen durch COVID-19, die mit Kortisonpräparaten behandelt wurden. Diesen Patienten wurde jeweils vor und nach der Medikamentengabe Blut abgenommen und dieses hinsichtlich der Entzündungsparameter und der Enzymaktivitäten untersucht. „Wie in den Versuchen an den Zellkulturen konnten wir in den mit Kortison therapierten Patientengruppen eine deutliche Hochregulierung der 15-Lipoxygenase-2 nachweisen“, unterstreicht Dr. Benjamin Giszas, der als Arzt aus der Klinik für Innere Medizin IV im Rahmen eines Clinician Scientist-Programms von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird.

Ihre Ergebnisse implizieren, so das Fazit der Forschenden, dass sich die Therapie entzündlicher Erkrankungen durch einen zeitlich limitierten Einsatz von Kortison und durch neue 15-Lipoxygenase-basierte Therapieprinzipien verbessern ließe und so auch das Auftreten typischer Kortison-bedingter Nebenwirkungen reduziert werden könnte.