Bereit, wenn es ernst wird: Die Anästhesiologie mit Konzepten für Katastrophen, Pandemien und Verteidigungsfall

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Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten (BDA) haben ihre Forderungen für eine krisenfeste Notfall- und intensivmedizinische Versorgung vorgestellt.

Die sicherheitspolitische Lage in Europa verschärft sich: Am vergangenen Mittwoch drangen russische Drohnen in den Luftraum Polens ein, vor einer Woche forderte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt die Stärkung des Zivilschutzes, und sowohl der massive Stromausfall in Berlin als auch der Bundeswarntag haben Millionen Bürgerinnen und Bürger an die Fragilität unserer Infrastruktur erinnert. Vor diesem Hintergrund stellten DGAI und BDA am Montag ihre Konzepte für den Ernstfall vor.

Mit ausreichender Finanzierung gegen ökonomischen Druck

„Die Erfahrungen der Pandemie haben eindrücklich gezeigt, dass unsere bisherigen Strukturen für die neuen Szenarien bis hin zu Kriegsfällen nicht ausreichen. Wir brauchen jetzt belastbare Konzepte, die im Ernstfall sofort greifen können – und die müssen finanziert werden“, sagte Prof. Gernot Marx, Präsident der DGAI, im Rahmen einer Pressekonferenz.

Die Anästhesiologie nimmt eine Schlüsselrolle ein: Sie stellt mit mehr als 28.000 Ärztinnen und Ärzten in Deutschland das Fundament der operativen Versorgung (Anästhesie), der Intensivmedizin und der Notfallmedizin. Damit ist sie in allen drei zentralen Versorgungsbereichen unmittelbar gefordert, wenn Katastrophen oder Krisen das Gesundheitssystem belasten.

„Dieses Fundament steht schon heute unter hohem ökonomischem Druck. In den Kliniken arbeiten wir mit höchster Professionalität – aber die Kapazitäten sind im Alltag nahezu vollständig ausgeschöpft“, erläuterte BDA-Präsidentin Prof. Grietje Beck.

Fünf zentrale Maßnahmen

Angesichts dessen haben DGAI und BDA ihre gemeinsamen Forderungen vorgelegt und fünf zentrale Maßnahmen benannt, die in ihren Augen umgesetzt und finanziert werden müssen. Konkret heißt es von DGAI und BDA:

  1. Wir brauchen dringend eine digitale Echtzeit-Erfassung aller Krankenhauskapazitäten in ganz Deutschland in einem Control-Center, das die bundesweite Steuerung von Intensiv- und Normalstationen ermöglicht.
  2. Wir benötigen ein technisch modernisiertes und digitales Kleeblattsystem in Deutschland, um eine koordinierte Patientenverlegung auch überregional sicherzustellen.
  3. Wir brauchen eine flächendeckende, verpflichtende Telemedizin-Infrastruktur, um Verlegungen zu reduzieren, Therapien zu optimieren und damit das System und die Ressourcen entlasten und effizienter nutzen zu können.
  4. Wir müssen klare Einsatz- und Notfallpläne erarbeiten sowie einen Plan aufstellen für verbindliche intensivmedizinische Reservekapazitäten, regelmäßige Übungen inklusive Simulationen und gesicherte Vorräte an lebensnotwendigen Materialien, Arzneimitteln und Verbrauchsgütern.
  5. Deshalb fordern wir als am stärksten involviertes und im Ernstfall gefordertes Fachgebiet die Beteiligung der DGAI und des BDA an allen neuen gesetzlichen Regelungen und Konzeptionierungen. Der Anästhesiologie kommt eine zentrale Rolle in der Krisenbewältigung zu.

Forderungen sollten zügig umgesetzt werden

„Es gibt kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Und das kann mit unserer Unterstützung gelöst werden“, erklärte Prof. Jan-Thorsten Gräsner, Direktor des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel und Mitentwickler des Kleeblatt-Systems.

DGAI-Präsident Marx unterstrich die Dringlichkeit, die geplanten Maßnahmen zügig umzusetzen und betonte: „Wir brauchen diese Strukturen jetzt – nicht erst, wenn die nächste Krise vor der Tür steht.“