Besser hören mit aktivem Gehörschutz

Mithilfe technischer Messungen, zum Beispiel mit einem Kunstkopf, können viele Gehörschützer und Szenarien auf ihre Auswirkungen auf die auditorische Umgebungswahrnehmung untersucht werden. Foto: Fraunhofer IDMT

Das Oldenburger Projekt „ProSA“ untersucht die auditorische Umgebungswahrnehmung und Kommunikationsparameter von pegelabhängig dämmenden Gehörschützern. Damit sollen künftig bedarfsgerechte Empfehlungen für einzelne Berufsgruppen möglich werden.

Aktuelle Gehörschutzsysteme schützen wirksam gegen Schädigungen durch Lärm. Sie können die Nutzerinnen und Nutzer jedoch in Bezug auf ihre Hörfähigkeit und die akustische Interaktion mit der Umgebung, insbesondere mit Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen, einschränken. Wenn Beschäftigte die Zurufe nicht verstehen, oder akustische Warnsignale nicht erkannt oder falsch eingeschätzt werden, kann das zu Miss-verständnissen, Unsicherheit oder sogar Unfällen führen.

Nach heutigem Kenntnisstand besteht die Gefahr insbesondere bei pegelabhängigen, dämmenden Gehörschutzsystemen, die in der Praxis bereits etabliert sind. Sie steuern elektronisch gesteuert, wie viel Schall durchgelassen wird. Der Vorteil an dieser Technologie ist, dass man den Gehörschutz auflassen kann, wenn es gerade ruhig ist und ein Kollegengespräch geführt werden soll. Wird es dann plötzlich laut, so bleibt das Gehör geschützt.

Gehörschützer besser verstehen

Aktuelle Studien des Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie (IDMT) in Oldenburg legen allerdings nahe, dass durch das Tragen solcher Gehörschützer wichtige Schalleigenschaften massiv verändert werden könnten – etwa Pegelunterschiede zwischen beiden Ohren bei seitlichem Schalleinfall. Dadurch kann es beispielsweise deutlich länger dau-ern, bis man die Richtung eines relevanten Geräusches korrekt identifiziert.

Das wesentliche Ziel des Projekts „ProSA“ (Protection and Situational Awareness) ist es daher, Grundlagen dafür zu schaffen, dass Gehörschutzsysteme in Zukunft mit praxistauglichen und zeitsparenden Messverfahren bewertet werden können. Dabei müssen die wichtigsten Auswirkungen auf die Höreigenschaften berücksichtigt werden. Mithilfe der Forschungsergebnisse sollen zukünftig Berufsgenossenschaften und Unfallkassen sowie Institutionen, wie das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), konkrete Empfehlungen von Gehörschützern für bestimmte Anwendungsgebiete aussprechen können. Das ist insbesondere für die Beschäftigten wünschenswert, die in ihrem beruflichen Alltag Gehörschützer tragen müssen und zudem auf gutes Hören angewiesen sind. Dadurch soll sich die Akzeptanz für das Tragen eines Gehörschutzes am Arbeitsplatz erhöhen. Dies soll langfristig zu weni-ger berufsbedingten Hörschädigungen führen.

„Das Besondere an dem Projekt ist, dass wir viele Kooperationspartner im Forschungsbegleitkreis haben. Durch diese Expertise können wir sicherstellen, dass sich die Forschungsarbeiten an den praxisrelevanten Fragen und Problemen orientieren“, berichtet PD Dr. Jan Rennies-Hochmuth, Leiter der Gruppe Persönliche Hörsysteme am Fraunhofer IDMT.

Ein bedarfsgerechter Gehörschützer für jeden Arbeitsplatz

Aktuell basiert die Zertifizierung als Gehörschutz lediglich auf dem messtechni-schen Nachweis ausreichender Schutzwirkung bezüglich der Lärmeinwirkung. Für eine umfassende und an die Bedarfe spezifischer Arbeitsplätze angepasste Empfehlung geeigneter Gehörschützer ist es wichtig, die Produkte auch anhand ihrer Fähigkeiten zum Erhalt der auditorischen Umgebungswahrnehmung und der Kommunikationsfähigkeit vergleichen zu können. Jedoch fehlen hier grundlegende Kenntnisse darüber, welche Aspekte der Hörwahrnehmung dazu erfasst werden sollten und welche Methoden dafür bestmöglich geeignet sind. Diese Wissenslücken sollen in dem Projekt geschlossen werden. Geprüft werden daher unter anderem die Sprachverständlichkeit bei Störgeräuschquellen aus unterschiedlichen Richtungen und Detektionsfehler von Warnsignalen im Störgeräusch.

Zum Forschungsbegleitkreis des Projekts „ProSA“ zählen das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), Lärm und Gehörschutz Consult Peter Sickert (LGC-PS), die Berufsgenossenschaften Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN), Holz und Metall (BGHM), Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (BG Verkehr) sowie Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM), das Sachgebiet Gehörschutz im Fachbereich Persönliche Schutzausrüstungen der DGUV, das Deutsche Hörgeräte Institut (DHI) sowie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).