Besseres Hören – bessere Effekte der Musiktherapie bei Tinnitus

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Hörgeräte verdreifachen den Therapieerfolg der Heidelberger Neuro-Musiktherapie bei Tinnitus, so eine aktuelle Studie. Das spreche dafür, erst nach der Versorung mit einem Hörgerät die Musiktherapie durchzuführen, so das Fazit.

Das Konzept der Neuro-Musiktherapie bei Tinnitus erreicht bei ca. 75 Prozent der bislang rund 1.000 behandelten Patienten eine bis zu 5 Jahre nach Ende der Therapie stabile und klinisch relevante Reduktion der Tinnitussymptomatik. Dafür dass bei rund 25 Prozent ist keine Verbesserung erreicht worden ist, könnte möglicherweise eine unbehandelte Schwerhörigkeit  verantwortlich sein.

Analysen haben gezeigt, dass derzeit lediglich rund 15 Prozent der Patienten mit einem Hörgerät versorgt sind, obwohl bei rund zwei Dritteln aller Tinnitusbetroffenen eine Schwerhörigkeit vorliegt.

Ein Grundsatz der Neuro-Musiktherapie ist die Ausrichtung der musiktherapeutischen Übungen an der Tonhöhe des jeweiligen Tinnitusgeräuschs. Wenn die Töne durch eine Schwerhörigkeit aber nicht gut gehört werden können, leidet vermutlich der Therapieerfolg darunter.

In einer aktuellen Studie wurde untersucht, welchen Einfluss das Hörvermögen allgemein und insbesondere Hörgeräte auf den Effekt der Musiktherapie haben. Erwartet wurde, dass bei bestehender Schwerhörigkeit der Einsatz von Hörgeräten einen substantiellen Zuwachs an Hörfähigkeit ermöglicht und damit die Therapieaussichten deutlich verbessert sind.

In einer retrospektiven Analyse wurden die Daten von 208 Patienten analysiert, die an einer Musiktherapie teilgenommen hatten und an chronisch-tonalem Tinnitus litten. Insgesamt wiesen rund 67 Prozent der Patienten eine Hörminderung auf, bei der eigentlich ein Hörgerät notwendig wäre – allerdings waren nur 25 Prozent Patienten auch tatsächlich mit einem geeigneten Hörgerät versorgt (Gruppe A), 41 Prozent der Patienten hätten eigentlich ein Hörgerät gebraucht, trugen aber keines (Gruppe B). Rund ein Drittel der Patienten hatte keine Hörminderung (Gruppe C). Um systematische Verzerrungen zu vermeiden, wurden für die Analyse jeweils 40 Probanden aus jeder der drei Gruppen (A, B, C) so ausgewählt, dass die drei Gruppen hinsichtlich Tinnitusbelastung vor Beginn der Musiktherapie, Alter, Geschlechterverteilung und (sofern eine Hörminderung vorlag) Hörvermögen vergleichbar waren.

Als Zielwert wurde die Tinnitusbelastung nach der Neuro-Musiktherapie erhoben (Tinnitus-Fragebogen). Insgesamt konnte bei allen Patienten eine signifikante Verbesserung der TF-Werte beobachtet werden. Allerdings gab es gravierende Unterschiede zwischen den Gruppen: Während sowohl in Gruppe A (Hörverlust, mit Hörgerät) als auch Gruppe C (Normalhörend) etwa 80 Prozent der Patienten eine klinisch relevante Verringerung des Tinnitus erreichte, lag dieser Wert in der Gruppe B (Hörverlust ohne Hörgerät) bei nur rund 33 Prozent. Dies entspricht einem Chancenverhältnis von rund 1:3, d.h. Patienten mit Hörminderung, die sich vor einer Musiktherapie für ein Hörgerät entscheiden, haben eine dreifach höhere Aussicht auf Therapieerfolg.

Insgesamt spricht dies eindeutig dafür, dass zunächst eine Hörgeräteversorgung angestrebt werden sollte und eine Neuro-Musiktherapie erst im Anschluss daran erfolgen sollte.

Da diese Daten aus einer retrospektiven Studie stammen, sollen diese Daten nun weiter überprüft werden. Daher sucht das Deutsches Zentrum für Musiktherapieforschung noch 40 Patienten mit Tinnitus und Hörminderung. Vor Beginn der Therapie erfolgt eine umfassende audiologische Untersuchung, um insbesondere den Grad des Hörverlustes zu erfassen. Alle Patienten mit Schwerhörigkeit sollen mit einem Hörgerät versorgt werden. Um einen optimalen Nutzen des Hörgerätes zu erreichen, besteht für die Hörgeräte-Anwärter die Möglichkeit, kostenlos an einem terzo®-Programm teilzunehmen. Die Neuromusiktherapie wird dann im Rahmen einer Kompakttherapie von fünf Tagen (9 Einzeltherapiesitzungen) durchgeführt.